Piloten bleiben hart
Älter als 7 Tage

Lufthansa im schweren Tarifgewitter

FRANKFURT - Die Lufthansa findet keinen Ausweg aus dem Tarifkonflikt mit ihren Piloten. Die immer härtere Gangart der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) führt auch an diesem Samstag dazu, dass die einst für ihre Zuverlässigkeit gerühmte Kranich-Linie nur einen Teil ihrer Flieger um die Welt schicken kann.

Auch nach zwölf Streikrunden und rund einer Million geplatzter Reisepläne von Passagieren scheint keine der beiden Seiten zu einem Kompromiss bereit zu sein. Ungehört verhallen Appelle etwa des Deutschen Reiseverbandes oder des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft.

Lufthansa Airbus A380
Lufthansa Airbus A380, © world-of-aviation.de Björn Schmitt Aviation Photography

Die VC verlangt weiterhin die Gesamtschlichtung für die vielen offenen Tarifprobleme von den Übergangsrenten über die Altersversorgung bis hin zu Gehältern und Betriebsratsrechten.

Zu einzelnen Themen habe man noch gar nicht verhandelt, hält Lufthansa dagegen und verlangt ihrerseits finanzielle Zugeständnisse von allen Berufsgruppen und damit auch von den Piloten. Die wollen letztlich weiterhin in allen Tariffragen des Lufthansa-Konzern mitreden, wie ihre Tarifexpertin Ilona Ritter erklärt.

Genau das will Lufthansa-Chef Carsten Spohr aber verhindern, wenn er immer mehr Flugzeuge ganz unterschiedlicher Flugbetriebe unter dem wachsenden Billigdach "Eurowings" steuert. Dort sind bislang schon Flugzeuge der Gesellschaften SunExpress, Eurowings und AUA versammelt.

Die nach Konzerntarifvertrag bezahlten Piloten der Germanwings sollen möglichst schnell zum schrumpfenden Lufthansa-Kern versetzt werden, während die Billigsparte auf Wachstum gepolt ist.

Die wirtschaftliche Situation der Lufthansa ist nicht wirklich komfortabel. Der Verschuldungsgrad wächst und obwohl der Konzern auch 2014 ein Riesenrad mit 30 Milliarden Umsatz gedreht hat, blieb unter dem Strich nicht viel mehr übrig als eine schwarze Null. Auch billiges Kerosin hilft der in Euro bilanzierenden Airline bislang nicht weiter.

Die Aktionäre erhalten keine Dividende und die Beschäftigten sollen für die Zukunft Kostenvorteile bringen. Wichtiger Punkt sind dabei die üppigen Pensionszusagen an alle Beschäftigtengruppen, die der Konzern zum Jahresende 2013 gekündigt hat. Die Piloten sehen sich in dieser Frage in einem Stellvertreterkonflikt für die übrige Belegschaft.

Die Luft für den größten Luftverkehrskonzern Europas wird dabei immer dünner: Auf den Europastrecken jagen Billigflieger wie Ryanair und Easyjet der Lufthansa seit Jahren mit Kampfpreisen Kunden ab. Auch der 2002 gegründete Billigableger Germanwings konnte die Rivalen aus Irland und Großbritannien nicht in Schach halten.

Im vergangenen Jahr steigerte Ryanair die Zahl ihrer Fluggäste auf mehr als 86 Millionen, die Kernmarke Lufthansa und Germanwings kamen zusammen auf nicht einmal 78 Millionen. Und während die Lufthansa im Europaverkehr abseits ihrer großen Drehkreuze 2015 erstmals mit schwarzen Zahlen rechnet, fliegen die Billigheimer von den Inseln dank niedrigerer Gehälter und Betriebskosten von Rekordgewinn zu Rekordgewinn.

Lufthansa-Chef Spohr baut nun auf die Konzerntochter Eurowings, bei der die Betriebskosten rund 40 Prozent unter denen der Marke Lufthansa liegen.

Easyjet bietet sich Lufthansa als Partner an

Easyjet-Chefin Carolyn McCall glaubt nicht an einen Erfolg. Im "Spiegel" machte sie der Lufthansa das Angebot, die Zubringerflüge zu deren großen Drehkreuzen Frankfurt und München zu übernehmen.

Dann wäre die Lufthansa wie die hochprofitable British Airways nur noch für die Langstreckenflüge zuständig, wobei der deutsche Quellmarkt viel dezentraler ist als in Großbritannien mit der Metropole London. Ryanair-Boss Michael O'Leary denkt nicht zufällig bereits laut über Langstreckenflüge aus Berlin nach.

Auch auf Strecken nach Asien oder Amerika hat die Lufthansa mit schlagkräftigen Rivalen zu kämpfen. So locken die arabischen Fluglinien Emirates, Etihad und Qatar Airways europäische Fluggäste mit günstigen Tickets in ihre oft nagelneuen Maschinen - und sparen nicht an Service und Luxus.

Selbst der Lufthansa-Partner Turkish Airlines ist für die Frankfurter zum Rivalen geworden: Die Türken bauen ihr Langstreckengeschäft aus, an ihrem Heimatstandort Istanbul soll ein neuer Flughafen für bis zu 150 Millionen Passagiere entstehen - doppelt so viele wie in Frankfurt nach dem Ausbau.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: world-of-aviation.de, Björn Schmitt Aviation Photography | 20.03.2015 21:40

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Beitrag vom 23.03.2015 - 09:26 Uhr
Führung hat aber mit Management (=Organisation) erstmal wenig zu tun, das sind zwei verschiedene Dinge [...]

Sehe ich anders. Als Vorgesetzter (Manager) bin ich sowohl für die Organisation meiner Abteilung als auch für die Mitarbeiter und damit deren Motivation verantwortlich.

Der Link unten von FW190 liefert dazu ein paar gute Beispiele. Bei all den Beispielen gibt es aber keine Jobängste - nicht wegen der vorgestellten Methodik, sondern weil die Firmen wirtschaftlich gut dastehen. Und das leigt auch an guter Motivation, aber bei weitem nicht ausschließlich.

Das stimmt natürlich, wobei das Ursache-Wirkungs-Verhältnis auch anders herum interpretiert werden kann.

Andersherum: der Grund der LH-Probleme liegt mit Sicherheit nicht an mangelnder Motivation der Mitarbeiter und an deren Arbeitsqualität.

Und auch nicht an den Pilotengehältern, wie es von der LH ständig öffentlich dargestellt wird.
Ryanair hat 2700 Piloten und 5500 Flugbegleiter, bei 9000 Angestellten insgesamt.
Also ca. 90% fliegendes Personal und 10% Overhead.
Die Lufthansa hat 5500 Piloten, ca. 15.000 Flugbegleiter und insgesamt 120.000 Mitarbeiter.
Also nur etwa 16% fliegendes Personal und 84% Overhead.

Ryanair kommt laut Geschäftsbericht 2014 insgesamt mit 100 Managern und 300 Verwaltungsangestellten aus. Das toppt der LH Konzern ja bald alleine mit den Vorständen der verschiedenen Konzernbestandteile und zugehörigen Admins...

_Diese_ intenen Strukturkosten unterschieden die Lufthansa fundamental von einem Billigflieger. Da können die Piloten und Flugbegleiter umsonst arbeiten, nicht mal dann könnte die LH profitabel Flüge billiger als Ryanair oder Easyjet anbieten.

In erster Linie entsteht Motivation immer aus dem Job an sich, dann auch aus weicheren Themen wie der Identifikation mit der Firma.

Das sollte so sein, richtig.

Bei diesem Tarifkonflikt geht es aber rein ums Geld und das ist ein Managementthema.

Ich denke es geht aktuell hauptsächlich um die Marginalisierung der Mitarbeiter im Cockpit. Um ein "brechen" des VC. Die Zerschlagung der Marke Lufthansa in ein Franchise-Modell das heute hier und Morgen da bereedert wird und das im Stil der Bauindustrie mit Sub- und Sub-Sub- Unternehmen arbeitet von denen am Schluss nur noch ein LH-Logo auf das so erzeugte "Produkt" geklebt wird, ist dann das mittelfristige Ziel.
Sozusagen ein Burger King der Luftfahrt...

Und bekanntermaßen führt mehr Geld nie zu mehr Motivation. Nur das Gegenteil ist der Fall: echte Unterbezahlung kann sich das auf die eigene Motivation auswirken.

Mehr Geld führt nicht unbedingt zu mehr Motivation. Richtig.
Anders herum kann es die Motivation extrem killen, bisher schon bezogene Leistungen wieder weggenommen zu bekommen, was wohl näher an der vorliegenden Situation ist.


Dieser Beitrag wurde am 23.03.2015 09:57 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 22.03.2015 - 19:40 Uhr
Hat das Unternehmen durch einen Streik keine finanziellen Einbußen, ist ein Streik wirkungslos. Und das geht nur über den Umweg Kunde. Ob der jetzt sein neues Auto später bekommt, auf Müllbergen sitzt oder bei einer Reise später am Zielort ankommt - jeder Streik hat Auswirkungen auf die Kunden des bestreikten Unternehmens.
Wenn man das Streikrecht also als wichtig anerkennt, muss man akzeptieren, auch von den Auswirkungen eines Streiks betroffen zu werden.

Das ist vollkommen korrekt - prinzipiell betrachtet.
Aber der hier angerichtete Schaden ist weitaus gößer. Und der Schaden steht volkswirtschaftlich in keinem Verhältnis zu den VC-Forderungen.

Wenn ich morgens nur noch mit dem Gefühl auf die Arbeit gehen muss, der Arbeitgeber sieht in mir nur einen zu möglichst stark zu minimierenden Kostenfaktor, gehe ich auch mit entsprechend geringer Motivation an die Sache bzw begreife den Arbeitgeber nur noch als zu maximierenden Einkommensfaktor.

Führung durch Motivation wird durch Führung durch die Angst vor Jobverlust ersetzt.
Ein effektives Führen durch Angst ist aber nur in Bereichen möglich, deren Arbeitnehmer extrem austauschbar sind

Motivation ist ganz sicher ein ganz wichtiges Element beim Thema Führung. Führung hat aber mit Management (=Organisation) erstmal wenig zu tun, das sind zwei verschiedene Dinge, die aber häufig von der gleichen Person ausgeführt werden.
Der Link unten von FW190 liefert dazu ein paar gute Beispiele. Bei all den Beispielen gibt es aber keine Jobängste - nicht wegen der vorgestellten Methodik, sondern weil die Firmen wirtschaftlich gut dastehen. Und das leigt auch an guter Motivation, aber bei weitem nicht ausschließlich.

Andersherum: der Grund der LH-Probleme liegt mit Sicherheit nicht an mangelnder Motivation der Mitarbeiter und an deren Arbeitsqualität.
In erster Linie entsteht Motivation immer aus dem Job an sich, dann auch aus weicheren Themen wie der Identifikation mit der Firma.

Bei diesem Tarifkonflikt geht es aber rein ums Geld und das ist ein Managementthema. Und bekanntermaßen führt mehr Geld nie zu mehr Motivation. Nur das Gegenteil ist der Fall: echte Unterbezahlung kann sich das auf die eigene Motivation auswirken. Gut möglich, das sich die VC vom LH-Management schlecht behandelt fühlt und dies vielleicht auch zu Recht. Aber im Kern geht es hier um nichts anderes als Geld.

Dieser Beitrag wurde am 22.03.2015 20:46 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 22.03.2015 - 19:18 Uhr
 http://www.arte.tv/guide/de/051637-000/mein-wunderbarer-arbeitsplatz

Danke für den Link, hier gibt es dann den kompletten Beitrag:
 http://info.arte.tv/de/ausstrahlung-am-24-februar-um-2015-uhr


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