Boeing 787-Werk in Charleston
Älter als 7 Tage

Dreamliner mit systematischen Produktionsproblemen

KLM Boeing 787-9
KLM Boeing 787-9, © KLM

Verwandte Themen

HAMBURG - Boeing setzt auf den Dreamliner, um Verluste durch das Grounding der 737 MAX auszugleichen. Doch bei der Produktion gibt es Probleme: Airline-Manager klagen über gefährlichen Pfusch in neu ausgelieferten Flugzeugen - übermüdeten Arbeitern sollen in der 787-Fertigung Fehler unterlaufen sein.

Die Bühne war gerichtet am Flughafen Amsterdam-Schiphol an jenem heißen Samstag Ende Juni. Mit einer großen Feier in einem Hangar wollte KLM die erste Boeing 787-10 in Europa willkommen heißen und damit gleichzeitig den Countdown "Hundert Tage bis zum Hundertsten" einläuten.

Im Oktober feiern die Niederländer ihr rundes Jubiläum als älteste Airline der Welt, die stets unter gleichem Namen geflogen ist. Dazu erhielt die erste 787-10 eine Sonderbemalung mit einer riesigen "100" drauf.

Dann am Vorabend der große Dämpfer: Der Stargast würde nicht erscheinen – die erste 787-10 war von einer Auslieferungsverzögerung im Boeing-Werk Charleston in South Carolina betroffen, musste KLM einräumen. KLM-Chef Pieter Elbers, der die Feier trotzdem tapfer durchzog mit Konfettiregen und Spielmannszug, aber eben ohne das neue Flugzeug, musste sich umbequeme Fragen gefallen lassen.

Ist die Verzögerung entstanden aufgrund der damals bereits ansatzweise bekannten Qualitätsprobleme bei Boeing in North Carolina? "Nein, keineswegs, das ist eine ganz normale Verzögerung wie sie bei jeder Auslieferung vorkommen kann, wir haben volles Vertrauen in Boeing", so Elbers damals zu aero.de.

Der KLM-Dreamliner Orangenblüte, © @KLM

Und tatsächlich kam der auf den Namen "Oranjebloesem" (Orangenblüte) getaufte Dreamliner dann mit nur einem Tag Verzögerung, aber ganz ohne großen Bahnhof in Amsterdam an.

Erst im August kam dann durch einen Bericht der US-Lokalzeitung "The Post and Courier" aus Charleston ans Tageslicht, was KLM wirklich über Boeings Produktqualität zu sagen hat.

Die Zeitung hatte interne Dokumente eingesehen, darunter Kundenbewertungen der Produktqualität von aus North Carolina gelieferten 787. Dort redet KLM Klartext: Die Qualitätskontrolle im Werk sei "weit unterhalb akzeptabler Standards" gewesen bei der ersten an KLM gelieferten 787-10 im Juni.

Man habe an Bord des Flugzeugs einen nicht festgeschraubten Sitz, fehlende oder falsch installierte Bolzen, nicht fest angezogene Schraubenmuttern, eine nicht gesicherte Klemme an einer Benzinleitung sowie mehrere nicht genauer bezeichnete fehlende Teile entdeckt.

"Wer kümmert sich in diesem Werk um die Qualität?", fragt KLM in den internen Bewertungen. "Wir machen uns Sorgen um die nächsten Auslieferungen. Wir haben ernsthafte Zweifel an der Qualität und an Boeings Fähigkeit zu pünktlichen Lieferungen", so die KLM laut dem Bericht.

Die Niederländer beobachteten danach überarbeitete Boeing-Mitarbeiter, die versuchen, die seit diesem Jahr für die Werke Everett und North Charleston von zwölf auf insgesamt 14 Flugzeuge im Monat erhöhte Produktionsrate einzuhalten.

"Viele leisten zu viele Überstunden, was sich in der Qualität und der Unfähigkeit zur Einhaltung von Zeitplänen niederschlägt", resümiert KLM. Gleichzeitig hatte Boeing Berichten zufolge kürzlich etwa hundert Stellen für Qualitätskontrolleure in North Charleston eingespart.

Vergessene Werkzeuge im Heck

Immer wieder kommt es zu gefährlichen Entdeckungen in Dreamlinern aus South Carolina nach ihrer Auslieferung. So fanden sich kürzlich vier Arbeitsleuchten in der Hecksektion einer 787-10 für Singapore Airlines, in einer anderen Maschine wurden ebenfalls Lampen und sogar eine Leiter im Bereich des Getriebes des Höhenleitwerks vergessen, was zu seiner Blockade hätte führen können.

Eine 787-10 für EVA Airways wies lose Bolzen am Höhenleitwerk und an der Triebwerksverkleidung auf, ganze Tüten voller Schrauben wurden in Staufächern an den Sitzen entdeckt.

United fand 20 Beanstandungen in einer einzigen 787-10, die die Boeing-Qualitätskontrolle offenbar nicht entdeckt oder ignoriert hatte. Etihad beschwert sich über Verspätungen bei drei ihrer Dreamliner, die noch nach der Fertigstellung Nacharbeit benötigten.

Die Airline aus Abu Dhabi beschwert sich auch über mangelnde Kommunikation mit Boeing und beschreibt die Auslieferungen als "sehr schlecht und nicht gut für Boeing und Etihad". Auch während der Fertigung gab es Schäden. Ein Dreamliner für American Airlines erlitt eine Überflutung der Kabine, die gesamte Einrichtung inklusive Elektronik musste ausgetauscht werden.

Bereits 2014 hatte sich Akbar Al-Baker, Chef von Qatar Airways, massiv über die Fehlleistungen der Arbeiter in South Carolina beschwert und darauf bestanden, dass Dreamliner für Qatar nur noch in Everett bei Seattle in Boeings Hauptwerk gefertigt werden.

Die "New York Times" hatte schon im April 2019 über massive Probleme an dem Boeing-Standort an der US-Ostküste berichtet. Die Zeitung zitiert einen Arbeiter mit den Worten: "Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich nie damit fliegen werde, das ist einfach eine Sicherheitsfrage."

Ein Qualitätsmanager sagte laut der Zeitung: "Ich habe noch kein einziges Flugzeug aus Charleston gesehen, auf das ich meinen Namen gesetzt hätte um zu bestätigen, dass es sicher und flugtüchtig ist."

Profit vor Sicherheit?

Es habe auch Aussagen vieler Whistleblower gegeben, die klar darauf hindeuteten, dass bei der 787-Fertigung ähnlich wie bei Design und Zulassung der 737 MAX klare Systemfehler bei Boeing bestehen. Profite seien hier manchmal wichtiger als Sicherheit gewesen.

Ein grundlegendes Problem am seit 2009 neu aufgebauten Werk in South Carolina ist, dass Boeing hier bewusst in einem im Gegensatz zu Seattle nahezu gewerkschaftsfreien Umfeld arbeitet, in dem allerdings selbst in der weiteren Umgebung nur schwer genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden sind.

"Boeing hat ein systematisches Problem beim Design, der Produktion und der Auslieferung von Flugzeugen", sagte Analyst Scott Hamilton laut "Post and Courier". Ursache für die Probleme der 737 MAX und der Mängel in North Charleston seien demnach zumindest teilweise die Kostensenkungen des früheren CEOs Jim McNerney und seines amtierenden Nachfolgers Dennis Muilenburg.

"Ihre Kosteneinschnitte im Namen des Shareholder Value waren zu tief", so der renommierte Analyst. Hamilton hat wenig Hoffnung, dass sich an der derzeitigen 787-Produktion etwas ändert. Boeing sei darauf fixiert, die Probleme der 737 MAX zu lösen und gleichzeitig auf die Einnahmen durch das 787-Programm angewiesen, um die Verluste der 737 MAX auszugleichen.

Boeing-Chef Muilenburg hatte Ende Juli gegenüber Analysten betont, dass man mit der Produktionsrate von 14 im Monat jetzt weitere Effizienzgewinne erreiche und damit noch konkurrenzfähiger sei. Die Vorwürfe sicherheitsgefährdender Qualitätsprobleme bei der 787 hat Boeing stets zurückgewiesen.
© Andreas Spaeth, aero.de | Abb.: Boeing | 24.08.2019 06:51

Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich bei aero.de registrieren oder einloggen.

Beitrag vom 26.08.2019 - 10:42 Uhr

Und damit meine ich durchaus auch kleinere Hersteller wie Bell, Pilatus oder Gulfstream.


Haben Sie auch stichaltige Beweise, dass bei Bell, Pilatus bzw GF gechlampt wird ?


Ich denke am muss schon alles lesen, dann lese ich jedenfalls, dass der Autos des Posts meint, dass er sich auch bei den kleinen Herstellern nicht so ein Ausmass von Schlamperei hätte vorstellen können, wie sich jetzt bei Boeing zeigt - also in seiner Vorstellung wird nirgends so geschlammt auch bei den kleinen nicht - also Negation!!!!
Beitrag vom 26.08.2019 - 00:00 Uhr
Keiner dieser ist ein 'kleiner' Hersteller... allenfalls noch Pilatus. Und die gelten als Voreigeschmiede. Pilatus Flugzeuge sind etrem hochwertig udn auch oft recht teuer.

Gulfstream ist auf dem BizJet Markt zusammen mit Dassault so ziemlich das beste was man kaufen kann, wenn es für einen ACJ nicht reicht. Alle haben grosse Qualitätssicherungsprogramme und Personal dafür und alle werden etern auditiert. Das war beim letzten deutschen Hersteller Dornier nicht anders... und wird es wohl auch wieder werden.

Die Probleme bei Boeing sind in der Branche seit Langem bekannt udn sind allesamt Hausgemacht. Stichwort Profitgier.

Beitrag vom 25.08.2019 - 09:55 Uhr

Und damit meine ich durchaus auch kleinere Hersteller wie Bell, Pilatus oder Gulfstream.


Haben Sie auch stichaltige Beweise, dass bei Bell, Pilatus bzw GF gechlampt wird ?

Sorry, wenn ich es jetzt selbst lese, das war ungeschickt ausgedrückt.
Was ich meinte, war, dass ich so eine Schlamperei nicht mal bei kleineren Herstellern für möglich gehalten hätte, geschweige denn bei einem großen.
Habe die Sätze jetzt etwas umgestellt, hoffe es wird dann klarer. Danke für den Hinweis.

Dieser Beitrag wurde am 25.08.2019 09:57 Uhr bearbeitet.


Stellenmarkt

Schlagzeilen

aero.uk

schiene.de

Meistgelesene Artikel

Community

Thema: Pilotenausbildung

FLUGREVUE 03/2024

Shop

Es gibt neue
Nachrichten bei aero.de

Startseite neu laden