Ötsch will bleiben
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Deutsche Lufthansa übernimmt Austrian Airlines

WIEN (dpa) - Die Deutsche Lufthansa hat nach monatelangem Tauziehen die österreichische Fluggesellschaft Austrian Airlines gekauft. Die Vorstandsvorsitzenden der beiden Airlines unterzeichneten am Freitagnachmittag in Wien ein entsprechendes Abkommen. Wie die für den Verkauf zuständige österreichische Industrieholding ÖIAG anschließend mitteilte, wird die AUA als eigene Marke mit einer eigenen Flotte in Wien erhalten bleiben.



Nach den Vorstellungen von Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber soll die bisher österreichische Fluggesellschaft innerhalb von drei Jahren aus der Verlustzone fliegen. Zusammen mit der AUA werde die Lufthansa zum stärksten Luftfahrtunternehmen in Europa. Die AUA werde "in Kernbereichen eine weitgehende Eigenständigkeit behalten".

Der für den Verkauf zuständige ÖIAG-Chef Peter Michaelis sagte nach der Vertragsunterzeichnung, dies sei "der Tag Eins für die AUA neu" und "der wichtigste Tag seit der AUA-Gründung vor 50 Jahren". Die traditionsreiche österreichische Fluggesellschaft hatte in den vergangenen Jahren einen Schuldenberg von über einer Milliarde Euro eingeflogen und war unter dem starken Druck der rapide steigenden Energiekosten in den vergangenen Monaten schwer ins Trudeln geraten.

Für den von der ÖIAG gehaltenen AUA-Staatsanteil von rund 42 Prozent zahlt die LH einen Preis von 366 000 Euro, verspricht aber im Falle einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung der AUA bis zu 162 Millionen Euro nachzuzahlen. Sie übernimmt gleichzeitig aber AUA- Schulden in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro und wird für die angestrebte Übernahme von bis zu 100 Prozent der AUA-Aktien über 300 Millionen Euro zahlen. Die Wettbewerbsbehörde der EU muss dem Verkauf noch zustimmen, weil der österreichische Staat 500 Millionen Euro der Gesamtschuldenlast der AUA von mindestens einer Milliarde Euro übernehmen will.

Lufthansa-Konzernchef Wolfgang Mayrhuber sagte nach dem Vertragsabschluss, die LH werde mit der Akquisition der AUA jährliche Synergien von 40 Millionen Euro bei den Kosten und 30 Millionen Euro auf der Ertragsseite erzeugen. Auf die Frage nach Entlassungen bei den rund 8000 AUA-Mitarbeitern meinte der gebürtige Österreicher: "Im Moment ist kein Personalabbau vorgesehen. Wir wollen Produktivitätssteigerungen erreichen, ohne Kündigungen durchzuführen." Sollte sich die Rezession aber ausweiten, werde jedoch vermutlich "querbeet restrukturiert" werden müssen.

AUA und Lufthansa werden gemeinsam zum stärksten Luftfahrtunternehmen in Europa, so Mayrhuber. Die AUA werde "in Zukunft von den Größenvorteilen, der Marktpräsenz und der Wettbewerbsstärke der Lufthansa profitieren können und gleichzeitig in Kernbereichen eine weitgehende Eigenständigkeit behalten, betonte der Lufthansa-Chef vor Journalisten. Die AUA-Flüge nach Ost- und Mittelosteuropa sollen auch künftig vom Flughafen Wien aus starten.

Ötsch will im Amt bleiben

Austrian Vorstandschef Alfred Ötsch will sein Amt auch nach der Übernahme der AUA durch die Deutsche Lufthansa behalten. Ötsch sagte dem österreichischen Rundfunk ORF am Samstag, er wäre nur zurückgetreten, wenn die Gesellschaft ohne wirtschaftliche Notwendigkeit verkauft worden wäre. Dies sei aber in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation der "Austrian" nicht mehr der Fall.

Ötsch, der sein Amt vor zwei Jahren angetretenen hatte, ist umstritten. Politiker aller Fraktionen haben wiederholt seine Entlassung gefordert. Der ehemalige Siemens-Manager hatte noch im Frühjahr erklärt, die Fluggesellschaft sei saniert und könne auch alleine überleben. Der Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber wollte auf Fragen des ORF die Zukunft Ötschs nicht kommentieren.

Inzwischen sind Details aus dem Vertrag zwischen der AUA und der Lufthansa bekanntgeworden, mit dem die LH die rund 42 Prozent Staatsanteil an der Fluglinie erwirbt. Zur Sicherung der österreichischen Standortinteressen wird die Gesellschaft mindestens drei Jahre von einer österreichischen Stiftung kontrolliert. Ein ähnliches Modell wurde bereits bei der Swiss-Übernahme durch Lufthansa angewendet.

Die LH hält in Zukunft zwar drei von fünf Stiftungsräten, drei der Ratsmitglieder werden allerdings Österreicher sein. Wichtige Entscheidungen, wie etwa zu Sitz und Marke des Unternehmens, müssen mit vier-Fünftel-Mehrheit fallen - womit die offiziellen österreichischen Vertreter ein Vetorecht erhalten. Die Stiftung ist allerdings nur bei wenigen Punkten entscheidungsbefugt. Ausdrücklich verzichtet wurde in dem am Freitag unterzeichneten Vertrag auf eine Arbeitsplatzgarantie für die rund 8000 AUA-Mitarbeiter.

Aus Rot-Weiß-Rot wird Schwarz-Rot-Gold: Wehmut in Österreich

Wehmut war bei den österreichischen Beteiligten nach dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Austrian Airlines AG und der Lufthansa nicht zu spüren. Die Erleichterung bei den Verantwortlichen überwog. Sollte die EU in den nächsten Monaten keine unüberwindlichen Einwände erheben, dann hat die "Austrian Airlines", Österreichs internationales angesehenes Flaggschiff an diesem Freitag aufgehört, "österreichisch" zu sein. Dass die Flugzeuge mit der rot-weiß-roten Heckflosse künftig - zumindest auf dem Papier schwarz-rot-gold werden, stört dabei die wenigsten "Austrianer": Die Mehrheit der Österreicher hält die Kranich-Airline nach einer repräsentativen Umfrage trotz der traditionellen Rivalität für den besten Partner der angeschlagenen AUA.

Jahrelang stritten Politiker über die Zukunft der zunehmend defizitären Fluglinie. Was für die einen eine Frage der ökonomischen Vernunft, war für die anderen eine Sache des Patriotismus. "Die AUA muss rot-weiß-rot bleiben" tönten Volkspartei und Sozialdemokraten jahrelang unisono, wenn der Verkauf der 50 Jahre alten Airline auch nur erwähnt wurde. Selbst als für viele schon abzusehen war, dass die AUA ohne "strategischen Partner" aus dem Trudeln direkt in den Sturzflug übergehen würde, mochten heimische Politiker den nötigen Schritt nicht gehen. Dabei hatte die Unternehmensberatung Roland Berger der "Austrian" bereits vor zwei Jahren einen "strategischen Partner" empfohlen.

Doch selbst der AUA-Vorstandsvorsitzende Alfred Ötsch tat noch in diesem Frühjahr mit der Bemerkung, "die AUA ist saniert", das Unternehmen könne auch allein bestehen, alles, um den angekratzten Nationalstolz österreichischer Politiker und die Sorgen der um ihre Jobs fürchtenden Mitarbeiter zu besänftigen. Ötschs Versuch, den saudischen Geschäftsmann Mohammed al Jaber für eine Einlage von 125 Millionen Euro zum Anteilseigner zu machen, um die Firma abzusichern, scheiterten jämmerlich. Jaber bekam kalte Füße. Als er hörte, dass die AUA-Verluste allein in diesem Jahr auf über 100 Millionen Euro steigen würden, zog er sich zurück. Inzwischen steckt die AUA mit rund einer Milliarde Euro in den roten Zahlen, und sowohl Jaber als auch die AUA haben die Gerichte angerufen.

Tatsächlich gab es für die kleine aber propere Gesellschaft, die in den vergangenen Jahren selbst zwei kleinere Regional-Airlines geschluckt hatte, zu diesem Zeitpunkt keine Alternative mehr. Experten haben berechnet, dass die AUA bei einem weiteren Alleingang - auch personell - um die Hälfte schrumpfen müsste, um auch nur eine Überlebenschance zu haben. Eine radikale Kürzung ihres ehrgeizigen Streckennetzes und vermutlich die Entlassung mehrerer Tausend ihrer 8000 Mitarbeiter wären die Folge.

Sprecher der Oppositionsparteien kümmerte das am Freitag allerdings wenig. Sie warfen der großen Koalition und der AUA-Führung vor, zu lange mit der Privatisierung gezögert zu haben. Jetzt werde die AUA an die Lufthansa verschenkt und dieser "noch eine halbe Milliarde Euro" gegeben, kritisiert etwa die Grünen-Politikerin Gabriela Moser am Freitag. Doch Experten sehen das anders. Sollte etwa Brüssel den Vertrag zwischen Lufthansa und AUA ablehnen, dann sehe es um das rot-weiß-rote Flaggschiff Österreichs düster aus, meinte etwa der leiter des ORF-Wirtschaftsressorts, Michael Csolick, am Freitag vor der Unterzeichnung: "Dieses Szenario mag ich mir im Augenblick gar nicht vorstellen".
© dpa | Abb.: Austrian Airlines | 05.12.2008 16:48

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Beitrag vom 09.12.2008 - 07:25 Uhr
Kurzfristig und sicherlich auch mittelfristig sind höhere Preise am Markt nicht umsetzbar.
Langfristig kann heute noch niemand sagen.

P.S.
Allein durch das Fuelhedging haben sich viele Airlines (besonders die AUA) verkalkuliert und somit tritt ein verzögerter Effekt bei den Kosten auf.
Beitrag vom 08.12.2008 - 20:32 Uhr
@MD11

Sind Deiner Meinung nach zwangsläufig und langfristig höhere Ticketpreise die Folge dieser Fusionen in Europa?

mfg n

P.S.: @Chees; willkommen im Forum.
Beitrag vom 08.12.2008 - 17:05 Uhr
Klar werden in den USA deutliche Veränderungen stattfinden, aber eben ohne die grossen Europäer. (Minderheitsbeteiligungsklausel)

Und mal ehrlich: Welches seriöse Unternehmen würde mit Delta oder wem auch immer fusionieren wollen?
Da muss man schon lebensmüde sein und seine Kreditwürdigkeit opfern....


So dumm ist wohl niemand
:lol:


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