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Weber war der bisher am längsten tätige Vorstandschef der Deutschen Lufthansa von 1991 bis 2003 und seit 1967 dort im Technik-Bereich tätig.
aero.de: Wann haben Sie zum ersten Mal vom Projekt der Boeing 747 gehört?
Jürgen Weber: Als ich 1967 bei der Lufthansa in Hamburg im Bereich Technik anfing, ging gerade die Vorbereitung los. Da habe ich bereits meine ersten Dienstreisen nach Seattle gemacht, um die Methodik der Instandhaltungsvorschriften für so ein neues, großes Flugzeug zu lernen und mit Boeing-Ingenieuren darüber zu diskutieren.
So haben wir dann das sogenannte Technische Betriebshandbuch für die 747 gemacht, das war meine erste große Aufgabe. Und die Voraussetzung dafür, dass die 747 überhaupt zugelassen werden konnte, als sie zu Lufthansa kam, weil sie damit die notwendigen Betriebsvorschriften hatte.
Und um 1969 habe ich dann dort die ersten Flugzeuge gesehen. Das war etwas ganz besonderes, das war außerhalb meiner Vorstellungskraft. Das war ein Quantensprung.
Wie war damals die Stimmung in Seattle?
Jürgen Weber: Bei Boeing und den Ingenieuren, mit denen wir zu tun hatten, war riesiges Engagement da. Da haben alle gewusst, was man da neues, großes zum fliegen bringt.
Das waren total neue Dimensionen und es stellte für die Lufthansa natürlich eine große Aufgabe dar - mit der Ausbildung von Mechanikern, Piloten, Flugingenieuren. Deshalb war es auch so interessant, daran mitzuarbeiten.
Wann haben Sie Joe Sutter, den legendären "Vater der 747", kennengelernt und worüber sprachen Sie?
Jürgen Weber: Das war nach 1978, als ich Chefingenieur der Lufthansa war. Da ging es vor allem um die Modernisierung der von 1970 stammenden 747 und darum, eine neue 747-Generation zu entwickeln.
Um 1985 herum waren wir auch sehr an der Entwicklung bei Airbus beteiligt, vor allem am Airbus A310 mit Zweimann-Cockpit. Gegen dessen Einführung hat sich Boeing fürchterlich gesträubt, das war genauso ein Thema wie die Ausstattung des künftigen 747-Cockpits mit Bildschirm-Displays, wie sie die A310 auch hatte.
Airbus ist damals vorausmarschiert. Wir wussten dadurch, was möglich ist und hatten deshalb den Mut, bei Boeing richtig Druck zu machen. Und damals wurde der Lufthansa-Technikvorstand Reinhardt Abraham angerufen von Joe Sutter, der im Auftrag des Boeing-Präsidenten Dean Thornton sprach, und hat ihn gebeten mich zu bremsen.
Er hat gesagt: "Reinhardt, you have to call back this crazy German engineer Jürgen Weber." Die haben gesagt: "Die spinnen, Deine Ingenieure."
Warum diese Reaktion von Boeing?
Jürgen Weber: Wir wollten nicht die damals anstehende 747-300, die die Swissair gekauft hatte, zwar mit verlängertem Oberdeck, aber dem alten Cockpit. Und Lufthansa-Vorstand Abraham hat sich in den USA über die sogenannte piecemeal strategy beschwert, also den Versuch, Veränderungen nur scheibchenweise einzuführen.
Da haben wir als Team bei Boeing Druck gemacht und da sind die wütend geworden. Unsere Forderung war block change, also alles auf einmal, und das hat Boeing dann gemacht. Schließlich verkündete Dean Thornton: "Lufthansa will get its 747 Airbus".
Warum wollte Lufthansa damals nur eine modernisierte 747 bestellen?
Jürgen Weber: Wir hatten damals den gleichen Druck wie heute, permanent Leistungen und Kosten zu verbessern. Die Technologie der 747-100 und -200 war gut zu ihrer Zeit, aber damals schon überholt. Nun musste der nächste Schritt kommen.
Und es war bekannt, dass es Möglichkeiten gibt, durch die entsprechenden Systeme, die bereits verfügbar waren. Natürlich zögern die Hersteller immer, weil es sie Geld kostet, bei den Anlaufinvestitionen ist man sehr vorsichtig, so lange noch das andere Modell geht, ist das viel wirtschaftlicher für den Hersteller.
Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zu den Boeing-Leuten. Das war ein Teil unseres Erfolges, das wir auch ein gutes menschliches Verhältnis hatten und damit eine Glaubwürdigkeit.
Wir haben nicht nur wegen Geld oder wilder Zukunftsentwicklungen dort Gehör gefunden, sondern weil darauf vertrauten, dass wir es ernst meinen und dass auf uns Verlass ist.
Joe Sutter hat später mal gesagt: "Manchmal fühlte ich mich in den vergangenen Jahrzehnten mehr als Lufthanseat als als Boeing-Mitarbeiter", so intensiv war unsere Arbeitsbeziehung.
Wie war denn Ihr persönliches Verhältnis zu Joe Sutter?
Jürgen Weber: Der war Gold für mich, der hatte so viel Erfahrung und war ja auch viel älter als wir Lufthanseaten damals. Er war der "Vater der 747" und hat jedem, der in dieser Branche tätig war, großen Respekt abgenötigt.
Aber auch menschlich war er ein sehr angenehmer Kollege, und ich kann auch sagen: Freund. Der konnte auch gut zuhören, und wenn man ihn geärgert hat wurde er auch manchmal ruppig, aber er war ein sehr lieber Mensch.
Auch seine Frau, die mit meiner Frau gut befreundet war. Der war ein sehr wertvoller Gesprächspartner und wusste zehnmal mehr als ich. Manchmal mussten wir auch um ihn kämpfen wenn er unsere Meinung nicht akzeptiert hat.
Kann man sagen, dass ohne Sutter dieses Wahnsinnsprojekt 747 möglicherweise nicht zu stemmen gewesen wäre?
Jürgen Weber: Das Projekt hätte auch scheitern können, wenn Boeing die Falschen ausgesucht hätte, um es zu führen. Er war aber der richtige Mann, sowohl als Techniker als auch als jemand, der wissenschaftlich weit vorausschaut und menschlich den richtigen Ton trifft.
Er verstand es, das beste Team zusammenzurufen, und auch mit den teilweise sehr bockigen Kunden fertig zu werden. Das war ein Segen für Boeing.
Welche Bedeutung hat die Boeing 747 für die Entwicklung der Luftfahrt gehabt?
Jürgen Weber: Sie hat geholfen, eine Schwelle zu überspringen. Sie war wirtschaftlich und außerdem hoch komfortabel und sie hat geholfen, den Langstreckentourismus zu entwickeln. Man konnte damit zu niedrigen Kosten so lange Strecken fliegen und dabei so viele Leute befördern.
Das hatte auch eine wichtige Wirkung beim Marketing, es konnten hier Dinge geboten werden, die für mache Leute schon das Einsteigen in eine 747 allein die Reise wert machten.
Aber das Hauptproblem war damals, über das ganze Jahr hinweg auf allen Strecken, wo sie eingesetzt wurde den notwendigen Ertrag zu erwirtschaften. Egal wie – mit wenigen Passagieren zu hohen Preisen oder mit vielen Fluggästen zu niedrigen Tarifen – es ist nicht gelungen.
© Andreas Spaeth | Abb.: Lufthansa, aero.de (Montage) | 20.01.2020 07:40
Kommentare (3) Zur Startseite
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Weber bestätigt mit der Aussage des VV von Boeing doch nichts anderes, daß der Fortschritt bei Boeing von der LH gekommen ist, nicht von Boeing selbst.
Die ursprüngliche 737 wurde auf Anregung der LH ins Leben gerufen. Lange her. Wann genau LH ihre Finger aus der 737 Entwicklung herausgenommen hat, kann ich nicht beurteilen. Aber LH war nie Flugzeugbauer, sondern immer Kunde der gesagt hat was man an dem Flugzeug dranhaben will. Wie das dann technisch umzusetzen ist war nie die Sache von LH. Den Bau der eigenen Flugzeuge im Rahmen der Qualitätssicherung zu begleiten ist was anderes. Macht/darf aber nicht jeder. Ich würde ebenfalls gerne live dabei sein wenn mein Auto in der Fabrik gefertigt wird. Ob das Sinn macht, ist eine andere Sache.
Das stimmt schon alles, aber eben bereits mit der Ur-737 wurde ein neues Produkt nicht von Boeing sondern auf Drängen von LH eingeführt. Bei der 747 war das noch etwas anders. Dort waren es die gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Interessen von PanAm und Boeing nach diesem neuen Produkt 747.
Warum sollte LH beim Entwickeln oder Bau der 737NG bzw. MAX dabei sein wenn man nicht mal ein einziges Flugzeug bestellt?
Eben, LH war nicht dabei. Ich spekuliere aber jetzt einmal, um es klarer zu machen. Wäre LH dabei gewesen, wäre das MCAS im Handbuch gestanden und die Piloten wären darauf trainiert worden. Denn eines scheint mir nach der Aussage von Weber sicher. Wären LH Leute bei der Entwicklung der Max involviert gewesen, hätten sie vom MCAS erfahren. Das ist für mich die Logik aus der 747-Airbus Aussage von Dean Thornton.
Dieser Beitrag wurde am 31.01.2020 00:08 Uhr bearbeitet.
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Warum sollte LH beim Entwickeln oder Bau der 737NG bzw. MAX dabei sein wenn man nicht mal ein einziges Flugzeug bestellt?