Albaugh arbeitete zuvor als Vorstand von Boeing Integrated Defense Systems. "Jim hat dort bereits hunderte Projekte mit ausgesprochen hohem Technologieanteil erfolgreich durchgeführt", begründet McNerney die Entscheidung für Albaugh bei einer Analystenkonferenz in New York. "Im (787-)Programm haben wir in erster Linie Managementfehler begangen."
Es ist eine ebenso nüchterne wie vernichtende Analyse, die McNerney mit Blick auf die bisherige Entwicklung der 787 zieht. Insbesondere der hohe Anteil an Zulieferunternehmen vergebener Fertigungsschritte erwies sich als wesentlicher Schwachpunkt der Programmplanung.
"Aus heutiger Sicht würde ich nicht mehr in gleicher Form planen", sagte McNerney. "Wir haben einige Partner beauftragt, Dinge zu tun, zu denen sie technisch oder wirtschaftlich nicht im Stande waren." Das Prinzip der Auslagerung sei aber grundsätzlich richtig.
Bei der Entwicklung der 787-9, die Seattle im vierten Quartal 2013 auf den Markt bringen will, habe Boeing die Aufsicht über die Zulieferkette bereits verstärkt, erklärte McNerney. "Das ist unser neuer Ansatz in der Auslagerung - gleiches Konzept, aber mehr Kontrolle."
Der neue Programmplan soll mit den Problemen der 787 abschließen. "Wir sind sehr zuversichtlich, unsere Ziele zu erreichen, auch weil wir jetzt mehr Zeit für die Flugerprobung zur Verfügung haben", kommentierte McNerney.
Bei der Entwicklung eines neuen Flugzeugs bestehe immer die Gefahr, dass erst in den Praxistests Probleme erkannt werden, sagte der Vorstandschef. "Allerdings haben wir bei der 787 schon viele Testserien erfolgreich abgeschlossen. Das Problem am Übergang von Tragflächen und Wingbox trat in einer sehr fortgeschrittenen Testphase auf."
Stabilisierung des wirtschaftlichen Umfelds
McNerney sieht auf dem Gesamtmarkt inzwischen eine leichte Stabilisierung. Auch der Finanzierungsmarkt erhole sich. "Wir werden 2009 deutlich unter einer Milliarde US Dollar an eigenen Finanzierunghilfen leisten, 2010 vielleicht noch geringfügig mehr", sagte McNerney. "Viel wichtiger als die Frage nach der Finanzierung ist aber die Nachfrage am Markt."
Im vergangenen Quartal seien die Kundenanfragen nach einer Verlegung von Auslieferungen oder Abbestellungen bereits erheblich zurückgegangen. Auch eine konservative Fertigungsplanung Seattles nach dem 11. September 2001 und die unter dem Eindruck gestiegener Rohölpreise ausgebliebene Steigerung der Produktionsraten zahlten sich für Boeing jetzt aus.
"Unser Wettbewerber hat höhere Produktionsraten gefahren und muss jetzt größere Anpassungen vornehmen", sagte McNerny. "Wir haben unsere Kapazitäten überbucht. Das verschafft uns jetzt einen Wettbewerbsvorteil." McNerney geht davon aus, dass die in der Krise von den Fluggesellschaften geparkten Flotten nicht wieder in den Dienst zurückkehren werden.
"Das schafft für uns neues Marktpotenzial", sagte McNerney. "Jetzt sehen wir noch Verlegungen und Abbestellungen, später werden Kunden eine Beschleunigung ihrer Auslieferungen anfragen. Wahrscheinlich werden wir zunächst nicht genug Flugzeuge liefern können." Dennoch gehe Boeing alle Fragen der Fertigungsplanung weiterhin "sehr diszipliniert" an.
Ein Marktrisiko sieht Seattle in den wieder anziehenden Rohölpreisen. "Dies könnte die Erholung natürlich verlangsamen", erklärte McNerney. "Dennoch glaube ich, dass die Airlines diesmal besser auf ein solches Szenario vorbereitet sind und bereits entsprechende Vorkehrungen getroffenen haben."
Gretchenfrage bei Single Aisles
Die Steigerung der Treibstoffeffizienz ihrer Flotten stellt für Fluggesellschaften eine der wichtigsten Herausforderungen des kommenden Jahrezehnts dar.
Airbus und Boeing müssen hier gerade in den absatzstarken Single Aisle-Programmen die Gretchenfrage nach einer Neuauflage ihrer Serien A320 und 737 oder einer ihr vorausgehenden technologischen Modifikation der bestehenden Flugzeuge noch beantworten.
McNerney sieht in neuen Triebwerkskonzepten einen möglichen Zwischenschritt vor der Auflage eines neuen 737-Programms. "Die Möglichkeiten auf Triebwerksseite sind größer, als ich selbst erwartet hatte", sagte McNerney. Alle drei Triebswerksbauer arbeiteten an "sehr innovativen Konzepten".
Die Kosten für eine grundlegende Überarbeitung der 737 begleitet von der Einführung neuer Triebwerke würden zudem nur 20 bis 30 Prozent derjenigen Aufwendungen betragen, die bei einer gänzlichen Neuentwicklung anfielen.
McNerney zieht aber auch eine 737 mit einem Composite-Rumpf in Betracht. Airbus und Boeing würden sich in gewisser Weise in einem technologischen Kopf-an-Kopf-Rennen befinden, in dem die Triebwerkstechnologie einen entscheidenen Treiber darstelle.
"Mit unserer steigenden Erfahrung im Umgang mit Verbundwerkstoffen könnten wir aber auch die Entscheidung treffen, als erster einen Composite-Rumpf (bei der 737, Red.) einzuführen", erklärte McNerney. Airbus bleibe in diesem Zusammenhang für Boeing auch langfristig der wichtigste Wettbewerber.
Kurzfristig kein Wettbewerbsdruck aus China
Die Anstrengungen Chinas, ein eigenes großes Verkehrsflugzeug auf den Markt zu bringen, verfolgt Seattle demgegenüber noch gelassen.
"Ich denke schon, dass es China binnen 10 bis 15 Jahren technologisch gelingen wird, ein solches Flugzeug zu entwickeln", kommentierte McNerney. "Aber aus Kundensicht geht es nicht nur darum, welches Unternehmen ein Flugzeug herstellen kann, sondern vor allem auch darum, wer für die nächsten 25 Jahre hinter dem Programm steht."
© aero.de | Abb.: The Boeing Company | 04.09.2009 10:07
Kommentare (3) Zur Startseite
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Was auf Rumpfseite geschieht, wird auch Boeing erst festlegen, wenn Praxiserkenntnisse der 787 aus Flugbetrieb und Produktion vorliegen.
mfg n
Nicht nur das!