BERLIN - Schwergewichte wie Großbritannien und Italien stehen bei der Entwicklung eines Eurofighter-Nachfolgers an der Seitenlinie. Der Chef der deutschen Luftwaffe wirbt für eine Aufnahme weiterer Staaten in das milliardenschwere Projekt. Doch auch zwischen Deutschland und Frankreich sind beim FCAS noch viele Punkte offen.
"Ich hoffe, im Sinne der Stärkung europäischer Sicherheitsinteressen, dass sich Nationen wie Großbritannien und Italien zu gegebener Zeit an diesem Zukunftsprojekt beteiligen werden", sagte Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz am Freitag nach einem gemeinsamen Besuch mit seinen Kollegen aus Frankreich und Spanien bei den drei hauptsächlich beteiligten Unternehmen Dassault, Airbus und Indra.
Das Gesamtvolumen des Vorhabens wird auf rund 100 Milliarden Euro geschätzt. Kommende Woche soll der Haushaltsausschuss des Bundestags über die Freigabe von 4,5 Milliarden Euro für die weitere Entwicklung des Jets, von Begleitdrohnen und damit verbundene nationale Forschungsprojekte entscheiden.
Vier Jahre nach dem deutsch-französischen Entschluss zu dem Projekt würde Deutschland damit erstmals massiv finanziell in die Entwicklung einsteigen. Seit 2017 sind von deutscher Seite rund 220 Millionen Euro in das Vorhaben geflossen, dem sich inzwischen auch Spanien angeschlossen hat.
Der neue europäische Kampfjet soll von 2040 an nach und nach die französische Rafale sowie die spanischen und deutschen Eurofighter ablösen.
In der nächsten Entwicklungsphase bis 2027 sollen die Unternehmen zwei Demonstratoren bauen - einen flugfähigen, um die Aerodynamik des Jets zu testen, und einen weiteren, nicht flugfähigen, an dem am Boden etwa die Tarnkappenfähigkeiten gegenüber einem gegnerischen Radar erprobt werden sollen.
Zudem ist der Bau einer kleineren und einer größeren Drohne geplant, die die Jets in künftigen Einsätzen begleiten und Waffen oder Aufklärungssensoren tragen sollen. Russland erprobt dieses "Loyal Wingman" genannte Einsatzkonzept nach Aussage aus Militärkreisen derzeit mit Jets des Typs Su-57, die ebenfalls Tarnkappenfähigkeiten haben.
In Deutschland steht das unter dem Kürzel FCAS (Future Combat Air System) laufende deutsch-französische Kampfjetprojekt allerdings auch massiv in der Kritik. Der Bundesrechnungshof, aber auch das Beschaffungsamt der Bundeswehr warnten vor erheblichen Risiken.
"Nicht zeichnungsreif"
Die Entwicklungsergebnisse der kommenden Phasen könnten von Deutschland, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt eigenständig genutzt werden, heißt es in einem vertraulichen Bericht des Rechnungshofes, der Reuters vorlag und über den zuerst das ZDF berichtet hatte. Im Falle eines Programmabbruches würde den von Deutschland geleisteten Zahlungen dann nur ein geringer nutzbarer Gegenwert an Ergebnissen gegenüberstehen, schreiben die Prüfer.
Zudem kritisieren sie, dass die Abgeordneten die Gelder genehmigen sollen, noch ehe ein Vertrag vorliege und während über wichtige Inhalte noch verhandelt werde. "Ob die Risiken tragbar sind, ist in der politischen Gesamtschau zu entscheiden", urteilt der Rechnungshof.
Das Beschaffungsamt der Bundeswehr warnte das Verteidigungsministerium in einem ebenfalls vertraulichen Bericht, der geplante Vertrag über die nächste Projektphase sei mit erheblichen Risiken behaftet, bediene hauptsächlich französische Interessen und sei nicht zeichnungsreif.
"Dieser Vertrag führt Strukturen und Regeln fort, die nicht im deutschen Interesse sind und nahezu ausschließlich französischen Positionen genügen", heißt es in dem Papier. "Ein Durchsetzen deutscher Positionen im laufenden Programm gilt als wenig wahrscheinlich."
© aero.de | Abb.: Airbus | 21.06.2021 07:22
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Beitrag vom 22.06.2021 - 21:36 Uhr
Das was EricM da fordert ist im Grunde garnicht neu.
Man sollte z.B. NIE ein Triebwerk und eine Flugzeugzelle zugleich entwickeln, jeder erfahrene Flugzeugkonstrukteur/ qualifizierte Zeitzeuge wird einem das bestätigen.
Triebwerksentwicklungen dauern eben länger als Flugzeugentwicklungen und deswegen oder auch aufgrund enttäuschender Leistungen etc. werden diese Projekte dann auch massiv verzögert.
Daran sind u.a. Ju288 und TSR2 und beinahe die Me262, alles große Würfe, gescheitert um die prominentesten Fälle zu nennen.
Bei der Me262 hat man wegen der grundlegend neuen Technik sicherheitshalber gleich zwei Trieberkstypen entwickelt was das Projekt dann auch gerettet hat.
Auch bei Eurofighter, A400M etc. hat das nichtbeachten dieser Regel zu massiven Verzögerungen geführt im Gegensatz zum Tornado der bewährte Triebwerke verwendete (und auch sonst sowohl technisch als auch von der historischen und industriellen Bedeutung her ein hammer Flugzeug ist) und quasi allen zivilen Flugzeugen außer der 777X da auf dem freien Markt solche Dummheiten eben gnadenlos bestraft werden.
Grundsätzlch braucht es in der Rüstungsindustrie viel mehr Kontinuität, man kann da nicht von einem Projekt zum nächsten denken denn bis das kommt ist das gesammelte Know-How vom letzten entweder in Rente oder aus Frust ins Ausland oder eine andere Industrie oder sogar entlassen!
Sofern bei dermaßen anwendungsorientierter Forschung überhaupt KnowHow entsteht.
Die Tatsache dass Hendsoldt für die Entwicklung des neuen Eurofighter Radars für den Standort Ulm mal eben 1000 erfahrene Elektroingenieure sucht zeigt doch wie realitätsfern dieses System ist.
So wird das FCAS zwar nicht veraltet sein wenn es in Dienst gestellt wird denn die anderen machens ja genauso verkehrt aber es wird sicher nur halb so gut sein wie es sein könnte.
Bei "Baukastensystemen" wäre ich aber vorsichtig, das klingt für den Laien oft logisch, ist aber in der Realität oft garnicht oder so schwierig umzusetzen dass es kostenmäßig und auch sonst garkeine Vorteile bringt.
Die technischen Anforderungen von z.B. einer Aufklärungsdrohne und einem Luftüberlegenheitsjäger sind halt stark unterschiedlich, für den Aufklärer Jägertechnik zu verwenden wäre krasse Verschwendung wie auch ein Jäger mit Aufklärertechnik wohl ein ziemlich schlechter Jäger wäre.
Natürlich kann man Kabel, Schrauben und Lacke normen aber das wars auch schon bzw. wird schon so gemacht.
Siehe: E-Auto/ Verbrenner oder auch das MG34 was ja sowohl Flugzeugen als Abwerbewaffnung als auch Infantristen zum Stürmen von Gebäuden dienen sollte.
Ganz am Anfang hat das aufgrund der allgemein krassen technischen Überlegenheit der Wehrmacht gut funktioniert aber später musste auch die Wehrmacht einsehn dass ein Flugzeug aus Metall halt nicht dasselbe ist wie ein Mensch aus Wasser und Haut.
Beitrag vom 22.06.2021 - 20:59 Uhr
Ich glaube nicht dass um 2040 oder auch danach Luftüberlegenheitsjäger keine Piloten mehr haben werden auch wenn das technisch im Grunde schon heute möglich ist.
Der todgesagte Pilot hat nämlich genau wie die auch einst todgesagte Bordkanone den Vorteil dass man ihn nicht durch Eloka Maßnahmen stören kann.
Dieser eine Vorteil (der bei einem Flugzeug vom Kaliber FCAS auch garnicht mal so viel mehr kostet) ist im Zweifelsfall viel wichtiger als die paar mehr G die der Flieger ziehn kann, er war ja schon bei der Bordkanone viel wichtiger als die paar Kilo Extragewicht.
Damals war die begrenzte Zahl an Raketen zwar das ausschlaggebende Element zur Wiedereinfühung aber der Grundgedanke dahinter war die Flexibilität, eben wie auch beim Piloten.
Beitrag vom 21.06.2021 - 15:21 Uhr
Wenn man bei der Entwicklung gerne GB und I mit an Bord hätte wäre es doch auch möglich einfach zu deren Projekt dazuzustoßen. Man würde sicherlich mit offenen Armen empfangen. Die Verwirklichung eines solchen Projektes mit der Grande Nation ist immer schwierig und man wird ähnlich wie bei Airbus die Rolle des Juniorpartner bekommen. Wenn man das nicht möchte besser jetzt aussteigen als in 10 Jahren mit vielen investierten Milliarden.
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Man sollte z.B. NIE ein Triebwerk und eine Flugzeugzelle zugleich entwickeln, jeder erfahrene Flugzeugkonstrukteur/ qualifizierte Zeitzeuge wird einem das bestätigen.
Triebwerksentwicklungen dauern eben länger als Flugzeugentwicklungen und deswegen oder auch aufgrund enttäuschender Leistungen etc. werden diese Projekte dann auch massiv verzögert.
Daran sind u.a. Ju288 und TSR2 und beinahe die Me262, alles große Würfe, gescheitert um die prominentesten Fälle zu nennen.
Bei der Me262 hat man wegen der grundlegend neuen Technik sicherheitshalber gleich zwei Trieberkstypen entwickelt was das Projekt dann auch gerettet hat.
Auch bei Eurofighter, A400M etc. hat das nichtbeachten dieser Regel zu massiven Verzögerungen geführt im Gegensatz zum Tornado der bewährte Triebwerke verwendete (und auch sonst sowohl technisch als auch von der historischen und industriellen Bedeutung her ein hammer Flugzeug ist) und quasi allen zivilen Flugzeugen außer der 777X da auf dem freien Markt solche Dummheiten eben gnadenlos bestraft werden.
Grundsätzlch braucht es in der Rüstungsindustrie viel mehr Kontinuität, man kann da nicht von einem Projekt zum nächsten denken denn bis das kommt ist das gesammelte Know-How vom letzten entweder in Rente oder aus Frust ins Ausland oder eine andere Industrie oder sogar entlassen!
Sofern bei dermaßen anwendungsorientierter Forschung überhaupt KnowHow entsteht.
Die Tatsache dass Hendsoldt für die Entwicklung des neuen Eurofighter Radars für den Standort Ulm mal eben 1000 erfahrene Elektroingenieure sucht zeigt doch wie realitätsfern dieses System ist.
So wird das FCAS zwar nicht veraltet sein wenn es in Dienst gestellt wird denn die anderen machens ja genauso verkehrt aber es wird sicher nur halb so gut sein wie es sein könnte.
Bei "Baukastensystemen" wäre ich aber vorsichtig, das klingt für den Laien oft logisch, ist aber in der Realität oft garnicht oder so schwierig umzusetzen dass es kostenmäßig und auch sonst garkeine Vorteile bringt.
Die technischen Anforderungen von z.B. einer Aufklärungsdrohne und einem Luftüberlegenheitsjäger sind halt stark unterschiedlich, für den Aufklärer Jägertechnik zu verwenden wäre krasse Verschwendung wie auch ein Jäger mit Aufklärertechnik wohl ein ziemlich schlechter Jäger wäre.
Natürlich kann man Kabel, Schrauben und Lacke normen aber das wars auch schon bzw. wird schon so gemacht.
Siehe: E-Auto/ Verbrenner oder auch das MG34 was ja sowohl Flugzeugen als Abwerbewaffnung als auch Infantristen zum Stürmen von Gebäuden dienen sollte.
Ganz am Anfang hat das aufgrund der allgemein krassen technischen Überlegenheit der Wehrmacht gut funktioniert aber später musste auch die Wehrmacht einsehn dass ein Flugzeug aus Metall halt nicht dasselbe ist wie ein Mensch aus Wasser und Haut.
Der todgesagte Pilot hat nämlich genau wie die auch einst todgesagte Bordkanone den Vorteil dass man ihn nicht durch Eloka Maßnahmen stören kann.
Dieser eine Vorteil (der bei einem Flugzeug vom Kaliber FCAS auch garnicht mal so viel mehr kostet) ist im Zweifelsfall viel wichtiger als die paar mehr G die der Flieger ziehn kann, er war ja schon bei der Bordkanone viel wichtiger als die paar Kilo Extragewicht.
Damals war die begrenzte Zahl an Raketen zwar das ausschlaggebende Element zur Wiedereinfühung aber der Grundgedanke dahinter war die Flexibilität, eben wie auch beim Piloten.