Afghanistan
Älter als 7 Tage

Kam Air arrangiert sich mit den Taliban

Kam Air Airbus A340-300
Kam Air Airbus A340-300, © Kam Air

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KABUL - Unkontrollierter Luftraum, Überflüge auf eigene Gefahr - und am Boden schwer bewaffnete Taliban: Afghanistan ist für Airlines Hochrisikogebiet. Die meisten Fluggesellschaften umfliegen das Land. Aber längst nicht alle: Kam Air hat sich mit den neuen Machthabern in Kabul schnell arrangiert.

Afghanistan steht unter Kontrolle der Taliban. Die instabile Lage nach dem Umsturz birgt akute Gefahren für die Zivilluftfahrt.

Die Europäische Flugsicherheitsbehörde EASA zählt nur einige der Risiken auf: "Derzeit steht keine Luftraumkontrolle zur Verfügung, Taliban-Einheiten haben möglicherweise Zugang zu Flugzeugen und Waffensystemen, die von Truppen auf dem Rückzug zurückgelassen wurden. Die Sicherheitsinfrastruktur auf den Flughäfen ist extrem schlecht - oder überhaupt nicht vorhanden."

Die EASA-Warnung ist daher eindeutig: zivile Flüge sollen den OAKX/Kabul FIR "bis auf Weiteres" unbedingt meiden. Neben Militär- und Evakuierungsflügen operieren trotzdem auch zivile Airlines nach wie vor in Afghanistan.

Besonders aktiv ist Kam Air. Der afghanischen Airline, 2003 vom Geschäftsmann Zmarai Kamgar gegründet, haftet ohnehin eine gewisse Wild-West-Mentalität an. Die US-Regierung entzog Kam Air 2013 lukrative Transportaufträge - die Airline stand in Verdacht, sich aktiv am Opium-Umschlag beteiligt zu haben. Bewiesen wurde das nie, Kamgar gelang sogar eine Imagewende.

Erst im November 2020 trat Kam Air dem globalen Linienluftfahrt-Verband IATA bei. Die Airline verfügt über sieben Boeing 737 und hat sich zwischen 2017 und 2019 zudem vier Airbus A340-300 - frühere Flugzeuge von Iberia und Philippine Airlines - in die Flotte geholt, um mehr Langstrecken anzubieten.

Die Widebodies konnte sich Kamgar offenbar locker leisten. Nach einem Bericht der "WirtschaftsWoche" kam Kam Air nach eigenen Angaben in guten Jahren auf "bis zu 1,5 Millionen Passagiere" und hat "in der Spitze" bei 200 Millionen Euro Umsatz "eine Rendite von gut 20 Prozent" erzielt.

Die Erfolgsstory machten unter anderem Flüge für die internationalen Truppen und Hilfsorganisationen möglich. Noch am Montag flog Kam Air - als letzte Airline - Landsleute in die Türkei aus - die letzten Sitze verkaufte die Airline mit deutlichem Preiszuschlag. Umso schneller will sich Kam Air nun mit den Taliban arrangieren.

"Die jüngsten politischen Entwicklungen in Afghanistan haben den Flugbetrieb vorübergehend gestört", leitete Kam Air den Kotau am Mittwoch ein. In Absprache mit "Beamten der Transport- und Luftfahrtkommission des Islamischen Emirats und der afghanischen Zivilluftfahrtbehörde" arbeite die Airline "an der Wiederaufnahme der nationalen und internationalen Flugverbindungen." Kam Air stellt ihr Fähnchen in den Wind.

Über Mazar-e-Sharif will Kam Air zeitnah Inlandslinien starten, dankt den Taliban in einer Mitteilung, die aero.de vorliegt, ausdrücklich für "Öffnung und Vorbereitung des Flughafens" - und fordert "umfassende Maßnahmen zur Wiederaktivierung des afghanischen Luftfahrtsektors (...) insbesondere am Flughafen Kabul".

Kam Air blitzt in Kabul ab

Um das Verbot ziviler Flüge in Kabul schert sich Kam Air längst nicht mehr: "Flightradar24" zeichnete am Mittwochmorgen einen Iran-Umlauf von Kam Air mit einer Boeing 737-300 auf - die YA-KMJ, eine frühere Maschine von Southwest Airlines, brach von Kabul nach Maschhad im iranischen Nordosten auf und kehrte nur Stunden später als Flug RQ7702 nach Kabul zurück.

Kam Air fliegt zwischen Kabul und Maschhad, © Flightradar24

Maschhad gilt als religiöses Zentrum - und diente Taliban als Exil und grenznaher Rückzugsort. Laut Radardaten blieb RQ7702 eine Landung in Kabul versagt - noch steht der Flughafen unter militärischer Kontrolle. Die 737-300 drehte nach mehreren Schleifen unverrichteter Dinge wieder Richtung Maschhad ab. Danach verliert sich die Spur.

Am Nachmittag registrierte "Flightradar24" weitere zivile Flüge mit Kurs Kabul: UTAir schickte die Boeing 767-200ER VP-BAG aus Moskau los nach Afghanistan. Pakistan International Airlines flog mit der Boeing 777-200ER AP-BGJ von Islamabad nach Kabul - auf der Linie reicht der Airline gewöhnlich ein Airbus A320.
© aero.de | Abb.: Kam Air | 18.08.2021 17:20


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