Nachhaltigkeit
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Flugzeugentwickler im Voltrausch

Airbus A380 ZEROe Demonstrator
Airbus A380 ZEROe Demonstrator, © Airbus

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TOUOUSE - Synthetischer Treibstoff (SAF), Strom und Wasserstoff sollen den Luftverkehr nachhaltiger machen. Weltweit arbeiten Forscher und Hersteller daran, die Vision vom grünen Luftverkehr praktisch umzusetzen - und Hürden zu überspringen. Das ist der aktuelle Stand der Projekte.

Mit einem niedrigen Überflug des Airbus-Werks in Saint-Nazaire und mit feierlichem Flügelwackeln verabschiedete sich der Airbus A380-Prototyp MSN001 am 20. Mai in die Umbaupause in Toulouse.

Gleich nach dem Abschluss seiner jüngsten Zulassungskampagne für synthetische "SAF"-Treibstoffe wird der bisherige Vierstrahler bis Ende 2023 oder Anfang 2024 zum Fünfstrahler umgebaut.

Die A380 erhält am hinteren, linken Oberdeck eine zusätzliche Aufhängung für ein fünftes Testtriebwerk, das mit flüssigem Wasserstoff betrieben wird. Gespeist wird es aus vier 100-Kilogramm-Wasserstoff-Kryotanks, die zusätzlich im hinteren Hauptdeck eingebaut werden.

Das CFM-Wasserstofftriebwerk, ein umgebautes Passport von GE aus dem oberen Business-Jet-Bereich, kann an seiner seitlichen Rumpfposition durch die Fenster des hinteren Oberdecks im Flug beobachtet und vermessen werden. Mit Flugtestcomputern, darunter zur Triebwerksüberwachung, ist MSN001 ohnehin ausgestattet.

Neben den üblichen Leistungsmessungen sowie Anlass- und Abschalttests steht vor allem die Bildung von Wasserstoff-Kondensstreifen hinter dem Triebwerk und deren Klimaauswirkungen sowie etwaiger Eisniederschlag am Höhenleitwerk im Mittelpunkt des Interesses.

Mit dem Wasserstofftestträger will Airbus den Weg ebnen, um über die praktische Anwendbarkeit dieser Antriebsart Ende der Dekade eine Entscheidung treffen zu können, damit 2035 bei Airbus das erste "Null-Emissions-Flugzeug" serienreif und zugelassen ist und ausgeliefert werden kann.

"Es wird nicht den einen Antrieb geben, der alles kann", blickte BDLI-Präsident Dr. Michael Schöllhorn bei einer Veranstaltung seines Verbandes gegenüber der FLUG REVUE voraus. Wasserstoff hält er besonders für Mittelstrecken geeignet. Für Langstrecken sagt Schöllhorn aber: "Es wird ohne SAF nicht gehen, sonst werden die Tanks zu groß."

Neues SAF-Tanklager in Frankfurt
Neues SAF-Tanklager in Frankfurt, © A. Mohl
 
DLR-Chefin Professorin Anke Kaysser-Pyzalla attestierte dem Wasserstoff auf der gleichen Veranstaltung "langfristig ganz hohes Potenzial für Langstrecke und Mittelstrecke. Wir sehen batterieelektrisch im Wesentlichen auf Kurzstrecken", unterscheidet auch die Forscherin die ideale Antriebsart nach der benötigten Streckenlänge.

Elektroantriebe bringen neue Herausforderungen

Am weitesten fortgeschritten unter den Antriebsarten scheinen derzeit die batterieelektrischen Antriebe zu sein. So bereitet sich Eviation in Arlington, nördlich von Seattle, mit Rolltests auf den Erstflug des elektrischen Neunsitzers Alice vor. Das schlanke, zweimotorige Regionalflugzeug mit dreieckigem Rumpfquerschnitt bringt die Akkumulatoren in seinen "Backen" unter.

Wie Intarsien nahtlos in der Außenhaut eingebettete Metallplatten sorgen für die Kühlung der Batterien, die vor allem bei Startleistung heiß werden. Laden und Entladen, Ladesoftware und "Batteriegesundheit" sind für den Elektroflug wichtige neue Themenfelder.

Eviation Alice
Eviation Alice, © Eviation
 
Mit 1.133 Kilogramm Nutzlast soll der von zwei magni650-Elektromotoren mit je 640 kW angetriebene Twin eine Reichweite von 815 Kilometern schaffen. Die Reisegeschwindigkeit soll bei bis zu 250 Knoten (463 km/h) liegen. Aber die hohe, maximale Startmasse von 7.484 Kilogramm verrät, wie schwer die Batterien trotz CFK-Leichtbaus von Zelle und Flügel anteilig noch immer sind.

Und anders als ein leerer Kerosintank wiegt eine leere Batterie bei der Landung fast das Gleiche wie eine volle, mit der entsprechenden hohen Dauerbelastung von Struktur und Fahrwerk. Aber auch damit kann man fertigwerden, wie die Flugschule Westflug in Aachen beweist, die - neben klassischen Schulflugzeugen mit Verbrennungsmotor - im Rahmen eines NRW-Pilotprojekts testweise bereits zwei elektrische Velis-Elektro-Leichtflugzeuge im harten Schulungsbetrieb einsetzt.

Entscheidender Vorteil: Die Zweisitzer sind lokal emissionsfrei und schonen die Nerven der Anwohner durch ihre geringe Geräuschentwicklung beim Platzrundenfliegen.

Skandinavien mit "grünem" Strom im E-Rausch

Ausschließlich elektrisch will Norwegen ab 2040 alle Strecken bis 1,5 Stunden Flugdauer bedienen. Schon 2026 wird Skandinaviens größte Regionafluggesellschaft Widerøe dafür elektrisch angetriebene Flugzeuge beschaffen. Für diesen Markt und Zeitpunkt rüstet sich Schweden mit der ES-19, einem viermotorigen 19-Sitzer von Heart Aerospace.

Das Unternehmen vom Säve Airport in Göteborg verspricht 400 Kilometer Reichweite und 40 Minuten Ladedauer für seinen elektrischen Schulterdecker. Sogar US-Branchenriese United hat bereits eine dreistellige Zahl von Vorbestellungen verkündet.

Heart Aerospace ES-19
Heart Aerospace ES-19, © Heart Aerospace
 
Die Nordeuropäer haben in Sachen Elektroantrieb gut lachen, denn sie verfügen mit Strom aus Wasserkraft über erneuerbare, wirkliche "grüne" Energie, um die Flugzeug-Akkus zu laden. Ansonsten ist die Verfügbarkeit von "grünem" Strom eines der Kernprobleme der elektrischen Luftfahrt.
Insbesondere die große Zukunftshoffnung Wasserstoff braucht sogar noch mehr Strom zur Herstellung. Muss man den nicht unumstrittenen Atomstrom nun als "grün" definieren, um die benötigten Energiemengen erzeugen zu können?

Während die Ingenieure fieberhaft elektrische Flugzeuge entwickeln, verkünden die Hersteller ehrgeizig frühe Liefertermine. Einen Dämpfer bekam die Euphorie jüngst durch die US-Luftfahrtbehörde FAA. Diese deutete im Mai an, dass sie neuartige Senkrechtstarter mit Elektroantrieb, die sogenannten eVTOLs, nicht einfach nur nach Standardregeln zulassen will, sondern in einer neuen Sonderkategorie.

Damit könnten die erhofften schnellen Zulassungsverfahren durch eine längere Prüfung ersetzt werden. Unter Hochdruck erdenken Zulassungsbehörden - darunter auch die EASA - Regeln, nach denen man die futuristischen Luftfahrzeuge sicher unter Alltagsbedingungen betreiben kann. US-Hersteller Joby hatte bislang für seinen sechsmotorigen Viersitzer-Senkrechtstarter (plus Pilot) auf eine Zulassung 2023 gehofft, um 2024 den Passagierbetrieb aufnehmen und 2026 bereits 34.000 Flüge pro Jahr anbieten zu können.

Schnellere Ergebnisse durch Umrüstung

Ein anderer Ansatz, um aufs Tempo zu drücken, ist die Umrüstung vorhandener Flugzeuge mit Verbrennungstriebwerken auf elektrische Antriebe. So will US-Branchenriese United 50 vorhandene CRJ-Regionaljets mithilfe der britischen Firma ZeroAvia auf ZA2000-Wasserstoffantriebe umrüsten.

Schon ab 2024 soll eine Do 228 von ZeroAvia mit dem gleichen Triebwerk Testflüge zwischen England und den Niederlanden aufnehmen.

Auch für ATR- und Q400-Turboprops gibt es bereits Umrüstpläne. Letztere sollen bei Alaska Airlines mit Wasserstoffantrieb 76 Passagiere über Entfernungen bis zu 925 Kilometer (500 NM) befördern. Die Triebwerksfamilie ZA2000 könnte einmal den Leistungsbereich zwischen 2.000 und 5.000 kW elektrisch abdecken.

Nicht nur der Antrieb kann den Verbrauch senken

Während die neuen Elektroantriebe heranreifen, macht aber auch der restliche Flugzeugbau Fortschritte. Vielleicht lauert gerade hier, abseits der Antriebsfrage, das größte Verbesserungspotenzial für weniger Verbrauch und viel Umweltnutzen.

So lassen sich dank neuer Werkstoffe, wie Kohlefaser, Flügel weiter strecken, was im Unterschallbereich den induzierten Widerstand und damit den Verbrauch verringert

Boeing und die NASA liefern mit dem verstrebten Schulterdeckerkonzept "Truss-Braced Wing" ein aktuelles Beispiel. Neben Strahltriebwerken, auch mit großem Durchmesser und Nebenstromverhältnis, ließe sich der Entwurf auch mit Propfans oder Elektroantrieben kombinieren.

Auch Nurflügler und Blended Wing Bodies, die zweistellige Verbrauchssenkungen ermöglichten, kehren in die Konzeptabteilungen zurück. Zudem könnte auch das Gesamtsystem Luftfahrt optimiert werden: mit Flugrouten in optimaler Höhe, live nach der Höhenwindlage ausgerichtet, langen, gleichmäßigen Sinkanflügen, fast im Leerlauf, und Verzicht auf Sperrgebiete, Umleitungen und Warteschleifen.
© FLUG REVUE - SST | Abb.: Eviation | 21.08.2022 08:07

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Beitrag vom 21.08.2022 - 21:10 Uhr
Man hat den Eindruck die E-Flugzeugentwickler befinden sich nicht im Voltrausch sondern Vollrausch.

Mit 1.133 Kilogramm Nutzlast soll der neunsitzer Alice von zwei magni650-Elektromotoren mit je 640 kW angetriebene Twin eine Reichweite von 815 Kilometern schaffen, bei einer Startmasse 7.484 Kilo. Diese Performance Daten sind sehr zu bezweifeln, es ist auch bemerkenswert, daß nicht das FuelEmpty Weight angegeben wird und somit die Batteriemasse nicht nachvollziehbar ist. Auch bei Leichtbauweise dürfte der Flieger dieser Größe mit Motoren bestimmt 2500 Kg wiegen, es blieben also für die Batterien 7.484-1.133-2.500 = 3.851 kg. Das entspricht einem Energieinhalt von 3.581 x 0,3 KWh = 1074 KWh, soviel wie in 90 L JetA1 enhalten. Den 50% Wirkungsgrad bei konventionellem Antrieb eingerechnet, wäre das Energieäquivalent 180 L JetA1. Damit kann man unmöglich kommerziell 815 Km weit fliegen.


Beitrag vom 21.08.2022 - 10:06 Uhr
Vielleicht sollte man auch einfach mal über das Wettbewerbsrecht nachdenken. Es ist zwar sicherlich schön, wenn sich unsereiner für unter 100 € einen Flug hin und zurück irgendwohin leisten können kann. Wenn wir jetzt aber alle mal von unserem "Egoismus" runter kommen, werden wir sicherlich einssehen müssen, dass dieses Lebensgefühl angewendet auf die komplette Menschheit schlicht nicht funktionieren kann.

Man darf nie vergessen, dass der Strom zwar aus der Steckdose kommt, aber auch irgendwo produziert werden muss. Und auch die sog. regenerativen Energien sind ja nicht 100% regenerativ. Auch diese haben alle Effekte, die sich negativ auf das Klima auswirken. Und jetzt nur die Effizienz zu steigern ist eine Milchmädchenrechnung.

Ich habe zugegeben auch keine wirklich gute Idee, denn auch alle Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Am ehesten wäre noch ein Auftraggeber-System analog zum ÖPNV inkl. festgeschriebener qualitativer Mindeststandards eine Option, aber wenn man das durchspinnt bis zum bitteren Ende, kommt es einer Planwirtschaft immer näher und die Risiken dieser kennen wir hierzulande auch.

Wer die perfekte Idee hat, kann sich ja melden. An Preisen und Ehrungen wird es dann auch nicht scheitern...


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