Southwest in der Krise
Älter als 7 Tage

"Das ist ein Gary-Kelly-Problem"

Southwest-Manager Kelly und Jordan
Southwest-Manager Kelly und Jordan, © Southwest Airlines

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DALLAS - Wintereinbruch und IT-Systeme aus den 1990ern: Southwest Airlines ist an den Feiertagen die Kontrolle über ihren Flugplan völlig entglitten. Eine Stornolawine riss 16.700 Flüge - und wohl den kompletten Jahresgewinn - mit. Die Piloten rechnen in einem Brandbrief mit dem Southwest-Management ab.

Extreme Minusgrade und Schneestürme - Väterchen Frost hat weite Teile der USA am Weihnachtswochenende mit einer Eisschicht überzogen. An vielen Flughäfen fror auch der Flugbetrieb ein.

Während sich die Flugpläne bei den meisten Airlines rasch wieder normalisierten, stürzte Southwest Airlines ins Chaos. Der größte Billigflieger der Vereinigten Staaten sagte in den letzten zehn Dezember-Tagen 16.700 Flüge ab.

Laut Vorstandschef Bob Jordan ist das Punkt-zu-Punkt-Modell Schuld - kippt ein Flug, fallen wie in einer Dominokette automatisch weitere. Diese Erklärung bringt die Southwest-Pilotengewerkschaft SWAPA zum Schäumen. Denn das Feiertags-Debakel ist kein Einzelfall.

"Systemweite Zusammenbrüche bei Southwest Airlines haben in den vergangenen 15 Jahren an Häufigkeit und Schwere zugenommen", heißt es in einem Brandbrief des SWAPA-Vorstands. Southwest Airlines habe sich 2014, 2016 und 2021 bereits mit folgenschweren Systemausfällen konfrontiert gesehen.

Wegen veralteter IT-Systeme hatte das Flight Operations Center jetzt laut Insidern phasenweise erneut den Überblick über Flugzeuge und Crews verloren.

Der IT-Whiteout wird für Southwest Airlines teuer. Die Airline schätzt die Kosten der Feiertagsausfälle auf 725 bis 825 Millionen US-Dollar - in etwa so viel, wie die Airline in den ersten neun Monaten an Gewinnen erzielt hatte.

Zu Umsatzausfällen in Höhe von 400 bis 425 Millionen US-Dollar addieren sich Kosten für die Entschädigung von Passagieren. Dabei hatte Jordan Aktionären noch im Oktober "hohe Gewinne" im Schlussquartal in Aussicht gestellt, jetzt rechnet man in der Southwest-Zentrale mit einer tiefroten Drei-Monats-Bilanz.

Die Piloten nennen einen Schuldigen. Der frühere Vorstandschef Gary Kelly sei ein "fantasischer Buchhalter (...) mit einem Mangel an strategischem Weitblick" gewesen, rechnet der SWAPA-Vorstand in dem Brandbrief mit dem langjährigen CEO ab. "Seine DNA ist über den gesamten Tatort verteilt."

Kelly herrschte zwischen 2004 und 2022 als CEO über Southwest Airlines und ist heute Vorsitzender des Boards. Statt notwendiger Investitionen in die IT habe ein von Kelly errichtetes "Netzwerk aus Vertrauten" und "Ja-Sagern" über die Jahre lieber Aktionäre mit hohen Dividenden bei Laune gehalten, machen die Piloten ihrem Ärger Luft.

Satte Dividenden, verschleppte Investitionen

Der Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Southwest Airlines hat nach Berechnungen der "Seattle Times" allein in den letzten fünf Jahren vor der Pandemie knapp zehn Milliarden US-Dollar für Dividenden und Aktienrückkäufe verwendet.

Parallel hatten die Piloten - nach eigenen Angaben wiederholt - auf die Anfälligkeit der Southwest-Systeme hingewiesen.

"Ich befürchte, dass wir nur ein Gewitter, einen ATC-Ausfall oder einen Router-Brownout von einem vollständigen Kollaps entfernt sind", hatte SWAPA-Präsident Casey Murray erst im November gewarnt. "Ganz gleich, ob dieser Fall nun an Thanksgiving, Weihnachten oder Neujahr eintritt - wir stecken in einer prekären Lage."

Jetzt sieht man sich bei der SWAPA bestätigt. "Dies ist kein noch nie dagewesenes Wetterproblem", heißt es in dem Schreiben. "Das ist ein Gary-Kelly-Problem."
© aero.de | Abb.: Southwest Airlines | 10.01.2023 10:26

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Beitrag vom 15.01.2023 - 09:10 Uhr
Das gibt es in manchen unternehmen, erstaunlicher Weise sogar in relativ vielen.

Software wird als commodity gesehen, nicht als integraler bestandteil der Unternehmensinfrastruktur.
Sobald das nur Kostenpunkt ist, wird es bitter.
Denn dann wird rationalisiert, die Software veraltet, und irgendwannn, wenn die Manager mit jeweiligen Bonis lange weg sind, kommt der grosse Knall.

Das ist ein typisches Problem mit allen Investitionen, jetzt sparen was sich in 10 oder 15 Jahren negativ auswirken wird, interessiert einfach keinen.
Das ist halt nicht nachhaltig und fällt einem irgendwann auf die Füsse.
Beitrag vom 10.01.2023 - 23:17 Uhr
Es sollte niemals ein Buchhalter an der Spitze eines Konzerns stehen. Ausser bei Ryanair, da ist ein Buchhalter/Stratege/Erbsenzähler/Bauer an der Spitze der Gruppe... ;-P
Beitrag vom 10.01.2023 - 12:49 Uhr
Das war damals bei der Swissair genauso: Ein Buchhhalter, „überwacht“ von einem schwachen VR, reitet mit seiner Hunterstrategie ein einst tolles Unternehmen in den Abgrund.


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