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Gerade einmal 27 Minuten dauerte der Flug von Yeti Airlines 691 von Kathmandu nach Pokhara - dann stürzte die ATR 72 im kurzen Endanflug auf den wenige Tage zuvor eröffneten internationalen Flughafen ab. Letzten Berichten zufolge sind alle 72 Personen an Bord als Todesopfer bestätigt.
Die Unfalluntersuchung ist angelaufen, auch Flugdatenrekorder und Cockpit-Stimmenrekorder wurden geborgen. Sie sollen Aufklärung darüber geben, warum die Turboprop-Twin nicht einmal eine Meile vor dem Aufsetzen offensichtlich einen Strömungsabriss erlitten hat.
Der Crash der ATR ist für die 1998 gegründete Yeti Airlines bereits der dritte mit tödlichem Ausgang. 2008 stürzte eine de Havilland Twin Otter im Endanflug auf Lukla ab, 2006 misslang in Jumla ein Durchstartmanöver mit demselben Muster.
Darüber hinaus ist der aktuelle Unfall das schlimmste Flugunglück Nepals der letzten 30 Jahre und mit 72 Opfern der drittschwerste Crash. Nur bei den Abstürzen zweier Airbusse 1992 am Hauptstadtflughafen Kathmandu waren mit 167 und 113 Toten mehr Opfer zu beklagen. Insgesamt starben seit 1955 bei 96 Flugunfällen in Nepal knapp 900 Menschen.
Seit 2013 stehen nepalesische Airlines auf der Flugverbotsliste der Europäischen Union. Dem Bann ging eine Serie von Unfällen voraus. So ereigneten sich zwischen 2008 und 2012 durchschnittlich zwei Abstürze jährlich, oftmals mit tödlichem Ausgang.
Da schon hatte die Europäische Union ein Flugverbot erwogen, nach dem Crash einer Dornier 228 der Inlandsfluglinie Sita Air wurde es dann endgültig verhängt. In der Praxis waren die Auswirkungen gering: Unter sämtlichen Fluggesellschaften des Landes bediente lediglich Nepal Airlines Strecken nach Europa, darunter London, Paris, Frankfurt, Amsterdam und Wien.
Flugverbot in der EU
2020 erwog die EU in einer Pressemitteilung, den Bann der nepalesischen Airlines aufzuheben. "Die Kommission sieht die Bemühungen, die das Land unternommen hat, allen voran in Bezug auf einen Gesetzesentwurf zu einem neuen Luftrecht, der derzeit dem Parlament vorliegt".
Die Bemühungen werden auch durch die Ergebnisse des Sicherheitsaudits bestätigt, das die Internationale Zivilluftorganisation ICAO durchführt. Demnach rangiert Nepal lediglich in den Bereichen Organisation und Flugunfalluntersuchung unter dem weltweiten Durchschnitt.
In den Bereichen Gesetzgebung und Lufttüchtigkeit hat das Land die Vorgaben der Organisation beinahe ebensogut umgesetzt wie Deutschland. Dennoch weist die Luftfahrt des Landes nach wie vor eine unterdurchschnittliche Sicherheitsbilanz auf.
Schwierige Bedingungen
Es sind eine Reihe von Faktoren, die das Fliegen in Nepal so gefährlich machen: In einer Sicherheitsstudie stuft die nepalesische Luftfahrtbehörde das Wetter und die Topografie des Landes als die wesentlichen Herausforderungen ein, die für ein erhöhtes Risiko sorgen. Die Geländehöhen Nepals reichen von 200 bis über 29.000 Fuß über dem Meeresspiegel.
Acht der 14 höchsten Berge der Welt befinden sich in dieser Region. Die Mehrheit aller Unfälle ereignen sich, weil die Piloten – oft mangels ausreichender Sicht – mit dem bergigen Gelände kollidieren. CFIT (controlled flight into terrain), der kontrollierte Flug in Gelände, ist Grund für drei Viertel aller Unfälle in Nepal. Denn besonders auf kleineren, abgelegenen Plätzen beinhaltet der Anflug längere Segmente, bei denen Sichtflugbedingungen herrschen müssen.
Bestes Beispiel: Der Tenzing-Hillary-Flugplatz von Lukla. Auf 9337 Fuß gelegen, ist der Platz nur in eine Richtung und im reinen Sichtflug anfliegbar. Die Entscheidung zur Landung muss dabei früh fallen, denn ein Durchstarten ist auf der mit zwölf Prozent Steigung am Berg gelegenen und lediglich 527 Meter langen Runway unmöglich. In der Unfallstatistik hält der Airport den zweifelhaften Titel des gefährlichsten Airports des Landes.
Diesmal war das Wetter gut
"Die Vielfalt der Wetterbedingungen und die unwirtliche Topographie sind die größten Herausforderungen für den Flugbetrieb in Nepal, weshalb die Zahl der Unfälle mit kleinen Flugzeugen mit bis zu 19 Sitzplätzen und STOL-Flugplätzen vergleichsweise höher ist", begründet Nepals Zivilluftfahrtbehörde die erhöhten Unfallzahlen in ihrem Land. Für den Absturz der Yeti Airlines kommen diese Faktoren allerdings nicht in Frage. Videoaufnahmen belegen, dass zum Unfallzeitpunkt bestes Wetter herrschte.
Als weitere Gründe für die hohen Unfallzahlen in Nepal führen Experten immer wieder das niedrige Trainingsniveau dortiger Piloten und mangelnde Wartungsstandards an. Inwiefern diese Umstände beim jüngsten Absturz eine Rolle gespielt haben, oder was sonst die Ursachen für den Yeti Airlines-Crash waren, wird die Unfalluntersuchung ergeben. Auch Flugzeughersteller ATR hat inzwischen ein eigenes Expertenteam nach Nepal entsendet.
© FLUG REVUE - Christof Brenner | Abb.: Französische Botschaft in Nepal | 22.01.2023 07:49
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