Privatisierung an Mitarbeiter
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"Das wäre der Totenschein für Aerolineas Argentinas"

Aerolineas Argentinas A330-200
Aerolineas Argentinas A330-200, © Airbus S.A.S.

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BUENOS AIRES - "Es gibt kein Geld": Argentiniens neuer Präsident Milei verordnet dem von Krisen gebeutelten Land zum Amtsantritt eine Schocktherapie. Die Airline Aerolineas Argentinas soll an die Mitarbeiter übergeben werden. Die lehnen Pläne für eine Genossenschaft kategorisch ab.

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise hat der ultraliberale Ökonom Javier Milei sein Amt als argentinischer Präsident angetreten. Der 53-Jährige wurde am Sonntag vor dem Parlament in Buenos Aires vereidigt.

"Heute fängt eine neue Ära an. Heute beginnt der Wiederaufbau Argentiniens", sagte Milei in seiner Antrittsrede auf den Stufen des Kongresses. "Es gibt keine Alternative zum Sparprogramm, es gibt keine Alternative zur Schocktherapie. Ich sage es wieder: Wir haben kein Geld."

Ein Kernpunkt in Mileis Regierungsprogramm: Die Privatisierung - oft defizitärer - Staatsunternehmen. Zu denen zählt seit 2008 auch Aerolineas Argentinas. Milei will die Airline in die Verantwortung der Beschäftigten übergeben - der Plan sieht die Gründung einer Genossenschaft vor, die nur im ersten Jahr noch vom Staat Geld erhalten soll.

Hiergegen regt sich intern heftiger Widerstand. "Es wäre der Belegschaft unmöglich, die Airline ohne die Beiträge des Staates aufrechtzuerhalten", sagte der Generalsekretär der argentinischen Luftfahrtgewerkschaft APA, Edgardo Llano. "Die Übergabe des Unternehmens an die Arbeitnehmer wäre der Totenschein für Aerolineas Argentinas."

Denn neben einer Privatisierung von Aerolineas Argentinas an die Mitarbeiter schlage Milei zudem eine weitgehende Liberalisierung des argentinischen Luftverkehrs für mehr Wettbewerb vor. "Es ist offensichtlich, dass dieses Unternehmen ohne die Subventionen des Staates nicht funktionieren kann", sagte Llano "Radio 10".

In Nachbarstaaten sind Genossenschaftskonstrukte im Luftfahrtsektor - Alas in Uruguay und Varig in Brasilien - krachend gescheitert.

Aerolineas erwartet 2023 Mini-Gewinn

Im Vorfeld der Amtseinführung des neuen Präsidenten sah sich die Aerolineas zu einer Stellungnahme über ihre aktuelle Finanzsituation veranlasst. Hinter Aerolineas Argentinas liegen Verlustjahre in Serie: 2019 erreichte das Minus mit 667 Millionen US-Dollar den bisherigen Tiefpunkt. Seither läuft es etwas besser.

"In den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 lag der Fehlbetrag bei 654 beziehungsweise bei 439 Millionen US-Dollar, 2022 wurde er auf 246 Millionen US-Dollar gesenkt", teilte Aerolineas Argentinas vergangene Woche mit. Für 2023 werde zum ersten Mal seit der Verstaatlichung 2008 mit einem Plus von 32 Millionen US-Dollar ein "finanzielles Gleichgewicht" erwartet.

"Aerolineas hat in sehr kurzer Zeit bewiesen, dass mit einem seriösen und verantwortungsvollen Geschäftsplan Nachhaltigkeit möglich ist", sagte Airlinechef Pablo Ceriani. "Und wir haben es geschafft, ohne das vom Staat zugewiesene Budget anzutasten - mit Rekordpassagierzahlen, mehr Flugzeugen, mehr Zielen und mehr Strecken."

Nach Schätzungen hat Argentinien Aerolineas Argentinas in den vergangenen 15 Jahren mit rund acht Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse am Laufen gehalten. Die Airline ist für Investitionen weiter auf staatliche Töpfe angewiesen. Bis Ende 2024 soll die Flotte von 84 auf 90 Flugzeuge erweitert werden, unter anderem erwartet Aerolineas Argentinas neue Embraer E195-E2 und Airbus A330-900.

Milei hatte die Wahl in Argentinien mit teils exzentrischem Gebaren und radikalen Forderungen nach einer wirtschaftlichen und politischen Kehrtwende gewonnen. Er kündigte an, den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einzuführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abzuschaffen und die Sozialausgaben drastisch zu kürzen.

Mittlerweile hat er sich im Ton deutlich gemäßigt und viele seiner ursprünglichen Pläne aufgeschoben oder abgeschwächt. Zudem holte er eine Reihe erfahrener Politiker in sein Kabinett, die er zuvor als Mitglieder der von ihm verachteten "Kaste" geschmäht hatte. Da er im Parlament über keine Mehrheit verfügt, muss Milei ohnehin Allianzen bilden.

Gleich nach Amtsantritt will Milei ein umfangreiches Gesetzespaket ins Parlament einbringen, das den argentinischen Staat grundlegend umbauen soll. Dazu gehören eine deutliche Reduzierung von Ministerien und Behörden, die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und ein starker Bürokratieabbau zu Erleichterung von Investitionen.

"Ich weiß nicht, wie viele Gesetze wir aufheben werden, aber es werden sehr viele sein", sagte die neue Außenministerin Diana Mondino.

Schwere Wirtschaftskrise

Der neue Präsident übernimmt Argentinien in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Aerolineas Argentinas | 11.12.2023 08:45

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Beitrag vom 12.12.2023 - 21:39 Uhr
Oder schlichtweg daran, dass mit der Übergabe aus der "Staatsfürsorge" eine Liberalisierung stattfnden soll und das Modell von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist.
Beitrag vom 12.12.2023 - 10:18 Uhr
Wenn die Mitarbeiter das Angebot nicht annehmen liegt es wohl daran dass sie es sich selbst nicht zutrauen effektiv zu arbeiten.


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