TK1951
Älter als 7 Tage

Ermittler veröffentlichen neuen Zwischenbericht

AMSTERDAM - Die niederländische Behörde für Flugunfall- untersuchungen hat einen neuen Zwischenbericht zum Absturz einer Boeing 737-800 (Reg. TC-JGE) der Turkish Airlines veröffentlicht. Flug TK1951 aus Istanbul war am Vormittag des 25. Februar im Anflug auf Amsterdam-Schiphol mit 128 Passagieren und sieben Besatzungsmitgliedern an Bord verunglückt. Bei dem Vorfall kamen neun Menschen ums Leben, 86 weitere wurden verletzt.



Die 737 war zu einem ILS-Anflug auf Landebahn 18R freigegeben. Die Crew führte den Anflug mit einem der zwei Autopiloten und Autothrottle durch. Der Standardanflug auf 18R sieht einen Einflug in den Gleitweg in mindestens 8 NM Abstand zur Landebahn und einer Höhe von 2.000 Fuss vor. Die Flugsicherung kann den Eintritt aber auch zwischen 5 und 8 NM freigeben.

TK1951 sollte den Anflug auf 18R in 6 NM Abstand bei einer Flughöhe von 2.000 Fuss einleiten. Das Flugzeug sank auf die vorgegebene Höhe und richtete sich auf den Localiser aus. Das Fahrwerk wurde ausgefahren. Die automatische Triebwerksteuerung bezog Höheninformationen aus dem linken Radio Altimeter.

Der Flugschreiber registrierte für nahezu den gesamten Flug ein Verbleiben des linken Radio Altimeter auf der vom System maximal erfassten Höhe von 8.191 Fuss. Dieser Wert wird jedoch nicht im Cockpit angezeigt. Erst ab einer Höhe von 2.500 Fuss übermittelt das Radio Altimeter Werte an die Piloten. Auch als die Boeing im Sinkflug eine Höhe von 8.191 Fuss unterschritt, verblieb das Radio Altimeter auf diesem Wert.

Bei einer Flughöhe von 1.950 Fuss sprang das System um und meldete jetzt eine Flughöhe von -8 Fuss. Der Wert wurde an die automatische Triebwerksteuerung übermittelt.

Nach Aufzeichnungen des Voice Recorders gaben die Bordsysteme bereits im Luftraum über Flandern mehrere akustische Warnungen ab, aus denen auf eine Fehlfunktion hätte geschlossen werden können. Die Reaktionen der Crew auf diese Warnungen werden noch untersucht. Das rechte Radio Altimeter funktionierte den gesamten Anflug über fehlerfrei.

Flugzeug verlor weiter an Geschwindigkeit

Mit Anpeilung des Localiser wählten die Piloten eine Sinkrate von 1.400 Fuss pro Minute. Der korrekte Gleitweg zum Anflug auf 18R wurde in einer Höhe von 1.330 Fuss abgefangen. Auf einer Resthöhe von 770 Fuss setzten die Piloten die Fluggeschwindigkeit auf 144 Knoten zurück. Die automatische Triebwerksteuerung hätte diese Geschwindigkeit beibehalten sollen.

In Folge der fehlerhaften Informationen des linken Radio Altimeter setzte das Autothrottle den Schub aber auf Leerlauf, so dass die Maschine weiter an Geschwindigkeit verlor. Weil der Autopilot den Gleitweg beibehalten wollte, zog er den Bug des Flugzeugs nach oben. Bei einer Höhe von 460 Fuss warnte der Stick Shaker die Piloten vor einem zu steilen Anstellwinkel.

Die Boeing flog jetzt mit nur noch 110 Knoten Restgeschwindigkeit und in einem Anstellwinkel von rund 20 Grad. Auf einer Höhe von 420 Fuss schalteten die Piloten den Autopiloten ab. Auf 310 Fuss gaben die Flugzeugführer vollen Schub und versuchten, wieder eine stabile Fluglage herzustellen. Um 10.26 Uhr schlug die 737 1,5 Kilometer nördlich vor der Landebahn auf einem Feld auf.

Die Ermittler untersuchen auch auf dem Flugschreiber gespeicherte Daten von acht vorhergehenden Flügen. Nach den Procedures für die Boeing 737 dürfen Autopiloten und automatische Triebwerksteuerung bei einer Fehlfunktion des Radio Altimeter nicht für Anflüge und Landungen verwendet werden. Die Ermittler regen an, dieses Procedure auf alle Flugphasen zu erweitern.


Zwischenbericht zu Flug TK1951


© aero.de | Abb.: OVV | 29.04.2009 10:30

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Beitrag vom 03.05.2009 - 10:08 Uhr
[quote]War und ist es bei einer großen deutschen Airline nicht auch mal üblich sich nicht über laufende Ermittlungen zu äußern?[/quote]
Ja. Und?
Beitrag vom 01.05.2009 - 10:37 Uhr
Nun ja "zu wenig zu tun" ist vielleicht etwas hart geurteilt, sagen wir einfach, dass es sich vom aktiven Fliegen zum Überwachen verschiebt (was manchmal deutlich anspruchsvoller sein kann, als die rein mechanische Betätigung am Ruder). :wink:

Um eine Orientierung zu schaffen: unterhalb 10.000ft gilt das "sterile Cockpit", d.h. dass keine überflüssigen Aktivitäten und Unterhaltungen stattfinden sollen, die nicht unmittelbar die Flugdurchführung betreffen. Diese Phase wird als Initial Approach bezeichnet. Die meisten Anflüge (also auf dem jeweiligen Anflugsystem ILS, Localizer, NDB,usw.) werden dann meist aus Flughöhen von 5000-2000ft begonnen. Dieser wird dann als Final Approach bezeichnet. Die Sinkraten auf dem "Final" werden dann meist zwischen 600-1000ft pro Minute liegen, hieran kann man also ablesen, dass selbst 1000 verbleibende Fuss wenig Zeit lassen, um Unstimmigkeiten zu erklären. Da jedoch im Zweifel immer zur sicheren Seite entschieden wird, ist in dieser Höhe ein Durchstartmanöver (Go-Around) noch bequem und unspektakulär durchführbar.
Beitrag vom 01.05.2009 - 02:18 Uhr
[quote]Bei einer großen deutschen Airline setzt man seit längerem auf den Grundsatz, das der Anflug spätestens in 1000ft AGL stabilisiert sein muss (established on ILS, volle Konfiguration, Speed eingenommen, im besten Fall auch schon Final Checklist gelesen), ansonsten wird der Anflug abgebrochen. Dieser zusätzliche Puffer (ursprünglich war dieses "Gate" bei 500ft definiert) hat sich als sehr hilfreich erwiesen Ruhe in die Mehrheit der Anflüge zu bekommen, und Luft zu schaffen für Eventualitäten, wie sie bei den Kollegen der Turkish Airlines aufgetreten sind. [/quote]

Für mich als Laien ist dieser Hinweis sehr plausibel; so sollte es überall sein. Die Piloten haben doch während des Fluges i.d.R. zu wenig zu tun und somit wird der Stress am Ende entzerrt.


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