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'Himmlische Ruhe' über Europa

Eyjafjalla
Eyjafjalla , © dpa

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WIEN - Nach der Evakuierung von 800 Isländern hieß es, keine Gefahr für Leib und Seele. Fünf Tage später ist das Gebiet rund um den Vulkan Eyjafjalla weiträumig überschwemmt, die Straßen unpassierbar, die Häuser mit schmieriger Asche überzogen, der Himmel aschfahl, von Nordlicht keine Spur. Und doch geht vor Ort das Leben weiter, die Menschen leben mit den 'Launen' der Natur, seit Menschengedenken gehören die Vulkane vor der Haustür zu ihrem Alltag wie die Fische im Meer.

Dreitausend Kilometer weiter bricht indessen ausgerechnet am Himmel die Hölle los. Himmliche Ruhe ist offenbar das Letzte, was Europa braucht. Ein ganzer Kontinent übt sich in ziviler Panik, nicht aus Furcht vor der Asche, sondern als Folge von Ratlosigkeit: Wieviel Asche verträgt der Flugverkehr? Und mangels eigener Erfahrung vertraut die Bürokratie die Antwort (und Verantwortung) dann lieber ihren Computern an. Die 'wissen' zwar ganz gut um den Aufenthalt der Asche, aber reichlich wenig, wieviel davon noch übrig ist.

Zwar stand auch ihnen professionelle Hilfe zu, von den sechs Lasermessstationen in Deutschland waren leider fünf gerade in Wartung, und von der Sechsten (im bayerischen Hochpeißenberg) erfuhren sie auch nicht mehr, als dass tatsächlich Asche in der Luft war. Wieviel konnte auch das einzig verfügbare Messflugzeug der DLR nicht sagen, schon deshalb weil die dazu nötigen Geräte erst gar nicht mit an Bord waren. Und ganz ähnlich gings auch in Frankreich zu, in Großbrittanien und Skandinavien.

Erstaunlich auch das Schweigen der Militärs, die sonst so ziemlich alles wissen, was für gewöhnlich keiner wissen darf. Auch die Ähnlichkeit mit der weltweiten Vorsorge zur Schweinegrippe dürfte kein Zufall sein: Wenn die Experten nix wissen, fragt man halt die Computer.

Deren Job wird's auch sein, europaweit hunderttausende Fluggäste dort wieder einzufangen, wo sie gerade gestrandet sind. Und wo's noch möglich ist, sie möglichst sicher nach Haus zu bringen. Das freilich kann noch Tage dauern, wenn nicht Wochen, erst müssen nämlich die Flieger nach Haus, die wie ihre Passagiere in alle Welt verstreut auf ihre Rückkehr warten.

Kein Zweifel, Vulkanasche in der Luft ist gefährlich, nicht nur für die Flieger. Noch viel gefährlicher ist aber eine Strategie der 'Sicherheit', die nur drauf wartet bis jegliche Gefahr vorüber ist. Die nämlich ist nie vorüber, schon gar nicht, wenn man sie nicht mal kennt.
© Kommentar Bob Gedat, edition airside | Abb.: dpa, Vulkan Eyjafjalla | 19.04.2010 18:38

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Beitrag vom 23.04.2010 - 13:56 Uhr
Nachsatz: Damit da kein Mißverständnis aufkommt, ich möcht unserer Frau Verkehrsminister nicht die Schuld für die Luftraumsperre in die Schuhe schieben, schon weil das eine kollektive, transregionale Entscheidung war. Ihr 'Geschäft' macht aber deutlich, wie leicht es heute ist politisch ein Gefahrenpotential zu postulieren ohne es verifizieren zu müssen. Mit dem Postulat 'safety comes first' könnte man locker den gesamten öffentlichen Verkehr lahmlegen. Man braucht dazu nur die Wahrnehmung zu schärfen, wie gefährlich es ist sich morgens ins Auto zu setzen. Bis ich im Büro bin, hab ich im Schnitt 1000 lebensgefährliche 'nearby collisions' hinter mir. Was sonst ist Gegenverkehr auf unseren Straßen? Und wie die Statistik zeigt, ist diese Gefahr verifizierbar real. Selbst mit gesundem Hausverstand.

Die Logik von 'Safety comes first' verlangt, bleib im Bett, und nicht mal da ist man 100% sicher. Die Realität ist, Gefahren sind omnipresent. Entscheidend ist, wie geh ich damit um. Die Arbeit des sicher nützlichen Ash advisory Centers war, auf sich allein gestellt, so effektiv wie eine Rasterfahndung ohne Polizei und Gerichte.

Die Aschewolke wird dem Ruf nach einem Single European Sky jetzt wohl kräftig mehr Gehör verschaffen. Was nützen Messflüge bis zur Staatsgrenze, was multiple Batchwork-Messungen, wenn kein System da ist, das die Daten im gesamten Verteilungsraum zusammenfügen kann. Für die Wolke ist 'single sky' längst Realität! Sie wird die Konsoldierung der nationalen Instanzen beschleunigen, zweifellos, deren Kompetenz kann aber nur ein 'public service' sein. Die Entscheidung was zu tun ist, muss bei den Betroffenen bleiben und damit natürlich auch die Verantwortung . Statt pauschalen Verboten und 'verordneter Sicherheit' eine qualifizierte Warnung mit brauchbaren Entscheidungsdaten. Denk mal das war's was Malanik und Lauda beim sonntäglichen ORF-Treff zur Frau Minister rüberbringen wollten. Und da sieht das Drei-Zonen Modell schon mal recht brauchbar aus. Klar, aus meiner ganz persönlichen Sicht..

Dieser Beitrag wurde am 24.04.2010 11:25 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 23.04.2010 - 12:04 Uhr
Keine Bange, da hast Du nichts verharmlost. Mein Beitrag war eher ironisch gemeint.
Irgendwie ist es ja rührend, wie verantwortliche Minister am liebsten die Verantwortung dem Computer überlassen wollen. Nur, wozu brauchts dann eine Ministerin? Die könnten wir uns dann freilich glatt sparen, was uns billiger käme. Das ist ja fast zum Lachen, wenn's net bitterer Ernst wär.

Glaubt man einem Bericht der deutschen "Welt", dann wäre das FLugverbot sogar überhaupt nicht notwendig gewesen. Stimmt das, dann lassen die Schadenersatzansprüche der Airlines nicht lange warten. Und wer wird die wohl zahlen? Wir alle, als Steuerzahler.
Beitrag vom 22.04.2010 - 21:07 Uhr
Ooops. Hab ich da irgendwas verharmlost?

Mir gehts um die Fragwürdigkeit Verantwortung an 'computergestützte' Instanzen zu delegieren, anstatt sich die Mühe zu machen, das tatsächliche Gefahrenpotential erstmal seriös und effektiv zu evaluieren. Und DANN zu entscheiden. Hahnebüchern was sich da am runden ORF-Tisch gegenüber saß. Auf der einen Seite die personifizierte 'Verantwortung' (Bures), die in erster Linie keine 'Fehler' machen wollte, und auf der Anderen zwei betroffene Airliner (Lauda und Malanik), die die Ärmel hochkrempelten und auf eigenes Risiko mitten durch die Wolke flogen. DAS hat letztlich die weltweit gestrandeten Passagiere wieder nach Hause gebracht. Was hat den Megaschaden angerichtet? Nicht die Wolke, sondern wie politisch mit der Bedrohung umgegangen wurde. Und da trau ich Malanik und Lauda durchaus zu, dass ihnen die Sicherheit der Pasagiere zumindest genauso am Herzen liegt, wie der 'verantwortungsbewussten'' Frau Bures. Positiv war freilich, dass die sich letztlich zu einem Konsens gefunden haben.


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