Konzilianz und Distanz
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Air Berlin-Chef im Selbstinterview

Air Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer
Air Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer, © Daniel Biskup

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BERLIN - Wolfgang Prock-Schauer ist ein welterfahrener Airlinechef, der immer dann gerufen wird, wenn Sanierungsfälle turbulent werden. Prock-Schauer war Lufthansas Mann fürs Grobe bei der ungeliebten Tochter bmi. Seit Januar hat der ehemalige AUA-Manager und Jet Airways-Chef eine neue Aufgabe: er soll Air Berlin wieder auf einen zukunftsfähigen Kurs bringen. Doch was wird Prock-Schauer tatsächlich anders machen als sein Vorgänger Hartmut Mehdorn?

Diese Frage würden viele Journalisten Prock-Schauer gerne persönlich stellen. Doch mit ihnen spricht der Manager dieser Tage kaum. Er wolle den Dialog mit den Mitarbeitern nicht über die Medien führen, kündigte Prock-Schauer schon kurz nach seinem Amtsantritt in der Hauszeitschrift von Air Berlin an. Das klingt zunächst nach konzilianter Nähe zur Belegschaft in harten Zeiten.

Die deutsche Wirtschaftspresse beschränkte ihre Berichterstattung zum neuen Air Berlin-Mann seit Januar auf zumeist wohlwollende Porträts. Kritik an der Salamitaktik, mit der das Air Berlin Management in den vergangenen Wochen Einschnitte bei Personal und Flugbetrieb bekannt gab, las man selten.

Warum eigentlich nicht? Prock-Schauer heuerte immerhin bereits im vergangenen September für das Ressort Strategie und Planung bei Air Berlin an. Die übliche Schonfrist, in der sich ein neuer Manager in Ruhe in seine Aufgaben einfinden darf, hatte Prock-Schauer im Januar hinter sich.

Umso größer waren die Erwartungen der Belegschaft und der Presse an den gestrigen Mittwoch, als Prock-Schauer den Geschäftsbericht für 2012 vorlegte. Prock-Schauer enttäuschte sie. Es gab wieder nur wenig Neues zu erfahren. Der Weg zu nachhaltigen Gewinnen werde länger dauern als erwartet, dämpfte Prock-Schauer gleich zu Beginn die Erwartungen.

Konkrete Einzelheiten zum Sparprogramm "Turbine" und dem Stellenabbau in der Gruppe gab es am Mittwoch nicht. Dafür findet der Leser auf den ersten Seiten des Air Berlin Geschäftsberichts für 2012 etwas Rares - ein Interview mit Prock-Schauer. Geführt von... nun ja, das steht da nicht so genau.

Air Berlin sei, "wie viele andere Airlines auch, zu schnell gewachsen", konstatiert Prock-Schauer und lässt einen Schwall ebenso vager wie distanzierter Floskeln folgen, die inzwischem jedem Unternehmensberater die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Air Berlin müsse jetzt "die richtigen Dinge (...) tun" und intern "lean" und extern "smart" werden, ist da zu lesen.

Auch beim Thema Personalabbau - bei Air Berlin wird jede zehnte Stelle wegfallen - beschränken sich Prock-Schauers Ausführungen auf bereits Bekanntes. "Wir haben ca. 900 Arbeitsplätze identifiziert, die einerseits durch die Produktionskürzungen aber auch durch effizientere Prozessabläufe wegfallen", lässt sich der Airlinechef zitieren.

180 "Vollzeitequivalente" (= Arbeitsplätze) habe Air Berlin im ersten Quartal bereits abgebaut, informierte das Management bei der Vorlage des Zahlenwerks für 2012. Es werde mit den Gewerkschaften über weitere Kürzungen verhandelt.

Natürlich fällt in diesem Zusammenhang auch die Worthülse "schmerzhaft aber unvermeidlich". Statt wärmender Worte hätten viele Air Berliner am Mittwoch wohl lieber endlich präzise Auskunft über das wer, wann, wie und wo des seit Monaten vorbereiten Personalabbaus von ihrem Chef erhalten.

Völlig daneben sind die kunstvoll inszenierten Schwarz-Weiß-Bilder von Prock-Schauer, mit denen Air Berlin das Interview spickt. Sie zeichnen das verklärte Bild eines Machers mit "Tablet-PC" und "aufgeräumtem Schreibtisch".

Sogar einen Vergleich mit US-Präsident Barack Obama bemüht der spätestens an dieser Stelle ins Absurde abdriftende Vorspann zum Geschäftsbericht: "Herr Prock-Schauer ist Linkshänder, wie viele führende Persönlichkeiten - Barack Obama ist der Bekannteste." Unklar, was Air Berlin ihren Aktionären mit dieser Information sagen will. Aber eine Nummer kleiner hätte es in jedem Fall auch getan.

Immerhin - der aktuelle Geschäftsbericht zeigt an späterer Stelle, auf den Seiten 56 bis 69, auch detailliert die "Risiken und Unwägbarkeiten" für die weitere Geschäftsentwicklung auf, mit denen sich das Management derzeit befassen muss.

Wirklich traurig ist, dass es Prock-Schauer eigentlich gar nicht nötig hätte, zwar die Ziele, aber nur wenig Details seiner Strategie für Air Berlin preis zu geben.

Sein Vorgänger Hartmut Mehdorn hielt die Fluggesellschaft in höchster Not mit geschickten Transaktionen in der Luft. Dem von ihm ins Boot geholten Großaktionär Etihad Airways rang Mehdorn innerhalb eines Jahres fast eine halbe Milliarde Euro ab. Dass Air Berlin für 2012 seit Jahren wieder einen kleinen Gewinn von 6,8 Millionen Euro ausweisen konnte, ist Mehdorns Verdienst.

Dennoch taten die Berliner gut daran, Prock-Schauer an die Spitze ihres Unternehmens zu setzen. Er verfügt von seinen Stationen bei Jet Airways und bmi nicht nur über praktische Sanierungserfahrung, sondern ist - im Gegensatz zu Mehdorn - auch ein originärer Airlineexperte. Prock-Schauer wird es durchaus zugetraut, die Herkulesaufgabe Air Berlin zu stemmen.

Beim Umbau der bmi konnte sich Prock-Schauer darauf verlassen, von Lufthansa aus dem Rampenlicht gehalten zu werden. Als Chef der Air Berlin darf er Belegschaft und Öffentlichkeit gerade in Krisenzeiten aber nicht länger ausweichen.
© aero.de - Dennis Dahlenburg | Abb.: Air Berlin | 21.03.2013 13:35

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Beitrag vom 24.03.2013 - 16:50 Uhr
@skytrain: Kann ich nur mit unterschreiben, entscheidend ist heute der Kundennutzen, darin steckt auch der Gewinn.
Zu Innovation von außen. Gab's da nicht mal einen Formel-1 Champion, der aus seiner Passion für die Fliegerei ..........
Beitrag vom 24.03.2013 - 16:34 Uhr
Ich provoziere jetzt einmal bewusst. Zitat aus dem Artikel: "Er verfügt von seinen Stationen bei Jet Airways und bmi nicht nur über praktische Sanierungserfahrung, sondern ist - im Gegensatz zu Mehdorn - auch ein originärer Airlineexperte."

Und vielleicht ist genau das ein Kern des Problems. Hartmut Mehdorn war (wie auch Rüdiger Grube) kein Experte für Eisenbahnen, als er zur Deutschen Bahn ging (beide waren vorher u.a. in der Luftfahrtindustrie tätig...). Er hat es trotzdem geschafft, die DB AG zu einem wirtschaftlich profitablen Unternehmen zu machen. Er hat nämlich im Gegensatz zu den "alten Eisenbahnern" erkannt, dass man kein Geld mehr damit verdienen kann, Reise- und Güterzüge in Deutschland von A nach B fahren zu lassen, sondern dass die Wirtschaft heutzutage globale Transport- und Logistikkonzepte aus einer Hand benötigt. Damit macht die DB aktuell bereits 50% ihres Umsatzes, Tendenz steigend. "Eisenbahn" ist ein Teil dieser Strategie, aber eben nur ein Teil. Es macht heutzutage keinen Sinn mehr, auf einen einzigen Verkehrsträger zu setzen und nur damit Geld verdienen zu wollen - heute sind komplette Lösungen über die gesamte Transport- und Logistikkette gefragt. "Transport" allein ist zu primitiv, denn das können inzwischen viele und die Margen sind weltweit gering, wenn man den Kunden keine weiteren Leistungen anbieten kann.

Vielleicht tut der Luftfahrt auch ein kritischer, unbefangener Blick von außen immer wieder gut. Die Branche hat grundlegende Probleme - hat sie auch die Strategien, sie selbst zu lösen? Im Moment scheint dies - zumindest in Deutschland - nicht der Fall zu sein. Wenn eine Branche nur im eigenen Saft schmort, kommt nicht unbedingt etwas Innovatives dabei heraus. Ein anderer Blickwinkel hat noch nie geschadet. Warum also sollten nicht auch Manager aus anderen Bereichen ein reelle Chance haben, in der Luftfahrt etwas Positives zu bewegen?
Beitrag vom 24.03.2013 - 15:11 Uhr
Wie kann man auf die merkwürdige Idee kommen ein Selbstgespräch in Form eines Selbstinterviews auch noch zu veröffentlichen?


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