Tarifkonflikt mit der Kabine
Älter als 7 Tage

Lufthansa: "Schwerere Situation als in den Streiks zuvor"

FRANKFURT - Der für Freitag angekündigte Streik der Flugbegleiter bei der Lufthansa ist kaum noch zu verhindern. Bei ihrem letzten Versuch, doch noch mit der Gewerkschaft Ufo ins Gespräch zu kommen, will Lufthansa inhaltlich nichts nachlegen. Erste Kunden kehren Lufthansa unterdessen den Rücken.

Am Mittwoch erläuterte der Konzern lediglich den bereits bekannten Vorschlag zu den Betriebs- und Übergangsrenten mit neuen Beispielrechnungen und Alternativen. Es handele sich nicht um ein neues Angebot, betonte die Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens.

Entsprechend bezeichnete Ufo-Chef Nicoley Baublies die Ankündigung in einer ersten Reaktion als "PR-Gag und Provokation". "Es ist absolut damit zu rechnen, dass am Freitag die Streiks stattfinden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Lufthansa in München
Lufthansa in München, © Lufthansa

Ufo hat die noch nicht näher definierten Streiks von diesem Freitag bis Freitag kommender Woche (6. bis 13. November) angedroht, falls der Konzern nicht bis Donnerstag, 17.00 Uhr, auf die Gewerkschaftsforderungen eingeht.

Lufthansa bereitet sich auf massive Flugausfälle vor, kann aber bislang keine alternativen Flugpläne ausarbeiten. "Wir wissen schlicht nicht, wann, wie und wo gestreikt wird. Für unsere Kunden ist das eine deutlich schwerere Situation als in den Streiks zuvor", sagte ein Sprecher.

Nach Informationen aus Gewerkschaftskreisen könnten die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg zu Beginn der Streiks verschont werden, weil dort noch Schulferien seien.

Vermehrt Umbuchungen und Stornierungen

Seit Bekanntgabe der Streikpläne seien verstärkt Stornierungen und Umbuchungen eingegangen, teilte Lufthansa mit. Der Schaden für die Fluglinie sei bereits mit der Ankündigung eingetreten. Im laufenden Tarifkonflikt haben die Flugbegleiter bislang nicht gestreikt, sehr wohl aber die Piloten, die bislang auf 13 Streikrunden kommen.

Die zuletzt am Montag konkretisierte Ufo-Forderung zu den Renten würde nach Berechnungen der Lufthansa zu einer Erhöhung der derzeitigen Versorgungskosten um 25 Prozent führen. Das sei trotz der aktuell guten Gewinnsituation des Unternehmens nicht möglich, betonte Volkens. "Das Angebot ist unsere Grenze. Wir können es uns nicht leisten, dass die Versorgung auf lange Sicht teurer wird."

Lufthansa betonte erneut den Vorteil für Beschäftigte, die länger arbeiten statt in den ab 55 Jahren möglichen Vorruhestand zu gehen. Anders als bislang könnten künftig nicht genutzte Übergangsrenten voll in die Betriebsrente einfließen.

Bei ihren Beispielrechnungen geht die Lufthansa von einer Kapitalrendite von 5,5 Prozent aus, was sich anhand des eigenen Rentenfonds historisch eindeutig untermauern lasse. Unter dieser Voraussetzung könnten Flugbegleiter, die bis zum offiziellen Renteneintritt arbeiten, anschließend mit einer Rente von 98 Prozent ihres letzten Grundgehalts rechnen.

Ufo hält die Renditeannahme für zu hoch und stattdessen 4,9 Prozent Verzinsung für realistisch. Die Gewerkschaft stört sich außerdem daran, dass die Regeln zur Übergangsversorgung für Neueingestellte nur für die kommenden zehn Jahre gelten sollen. Ufo verlangt eine Gleichbehandlung und höhere Arbeitgeberzahlungen.

Auch am Boden droht Ärger

Ebenfalls am Donnerstag steht die nächste Verhandlungsrunde mit Verdi zu den Gehältern und Renten von rund 33.000 Bodenbeschäftigten an. "Während die Lufthansa das Zinsrisiko auf die Beschäftigten verlagern will, fordert Verdi eine Beibehaltung des jetzigen Versorgungsniveaus", erklärte Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle am Mittwoch.

Die Versorgung müsse auch für Neueingestellte zugänglich sein. Eine Umstellung auf feste Beiträge des Unternehmens anstelle der bislang in der absoluten Höhe garantierten Betriebsrenten werde Verdi nicht mitmachen, hatte Behle angekündigt.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Lufthansa | 04.11.2015 15:49

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Beitrag vom 05.11.2015 - 18:19 Uhr
Also so als Aussenstehender würde ich sagen Muck hat die besseren Argumente.
Und was den niedrigen Wert der Marktkapitalisation angeht würde ich das mal sehr stark auf die ganze Streiks in letzter (schon sehr langer) Zeit schieben. Denn operativ ist LH seit Jahren absolut stabil und erwirtschaftet 600 bis 1000 Mio. Überschuss. Auch das ganze geweine vom hohen Ölpreis hat zumindest nach deren Bilanz so gut wie keinen Einfluss (im Verhältnis zum Umsatz).
Aber auf der anderen Seite kann man auch die Unternehmensführung verstehen, da man sich durch so hohe relative Personalaufwendungen jetzt schon sehr viel Flexibilität für die _Zukunft_ nimmt. Und diejenigen die jetzt für die hohen Altersbezüge kämpfen werden in dieser Zukunft dem Unternehmen aber nicht mehr helfen können (durch effizient o.ä.) denn sie kassieren dann nur noch. Also die typische Übertragung des Risikos auf die nächste Generation. Nicht sehr sozial (und es geht hier immernoch um ÜBERdurchschnittliche Zahlen/Summen).
Beitrag vom 05.11.2015 - 14:35 Uhr
@Guido3: Danke für die Antwort.

Sie schreiben: "weil Lufthansa wegen der höheren Kosten weitaus schlechter performt, gab es im letzten Jahr nichts zu verteilen, keine Dividende, nix."

Aber dieses Jahr gibt es, trotz sogar gestiegener Personalkosten einen Rekordgewinn.

Das Lufthansa ein Ziel für "feindliche Übernahmen" sein könnte sehe ich so nicht, denn die LH muss ja zu über 50% in deutschen Händen sein um wertvolle Strecken behalten zu können.

Außerdem schreiben Sie: "Wenn es einem MOL oder sonstwem irgendwann einfällt, Lufthansa aufzukaufen und zu zerschlagen, dann kann er das locker stemmen."

Ja, aber was schlimmer ist: Herr Spohr will jetzt schon die LH zerschlagen! Würde er das in finanzieller Not machen um die LH am Leben zu erhalten, stünden die Flugbegleiter, das Bodenpersonal und auch das Cockpit hinter ihm. Aber er will den Gewinn auf Kosten der Mitarbeiter steigern. Das ist Management-Stil der untersten Schublade, in meinen Augen. Sein Vor-Vor-Vorgänger hatte mal gesagt, ein CEO muss es schaffen drei gegensätzliche Parteien zufrieden zu stellen: Die Kunden (damit man nicht pleite geht), die Aktionäre (als Eigentümer die eine Rendite auf ihr eingesetztes Kapital benötigen) UND die Mitarbeiter (weil sie die Firma "sind").

Sie erwähnen: "Bei den Altersvorsorgungen hat Lufthansa in der Vergangenheit Renditen versprochen, die sehr hoch aber auch jahrezehntelang erreichbar waren. Das ist angesichts völlig veränderter Marktgegebenheiten nicht mehr zu finanzieren."

Da gebe ich Ihnen vollkommen recht und ich denke, auch UFO, Verdi und die VC haben soviel wirtschaftlichen Sachverstand um das einzusehen. Aber was nicht einzusehen ist, ist das eine wirtschaftlich erfolgreiche Lufthansa ihre Mitarbeiter zu einem Billigfliegergehalt in einer Tochtergesellschaft einstellen möchte. Und das droht der UFO und VC, wie man an den Bodenmitarbeiterplätzen in der Vergangenheit sehr schön beobachten konnte.

Sie haben vollkommen recht, wenn sie schreiben: "Wenn man ohnehin in guten Jahren nur 1-3% Umsatzrendite erreicht, dann kann man sich Kostensteigerungen bei der Altersvorsorge nicht leisten." und ich denke, die Gewerkschaften werden diese Einschnitte tragen wenn der Vorstand im Gegenzug den Mitarbeitern weiter eine Zukunftsperspektive bei der Lufthansa Passage aufzeigt.
Beitrag vom 05.11.2015 - 10:16 Uhr
Ich halte Ihre Aussage für Unsinn, denn schon jetzt kämpft die LH gegen die "Ryanairs und Golfairlines, ... Turkish, die unzähligen China-Carrier, die US-Airlines" und andere.

Richtig und weil Lufthansa wegen der höheren Kosten weitaus schlechter performt, gab es im letzten Jahr nichts zu verteilen, keine Dividende, nix. Man mag die Fixierung auf Aktionäre kritisch sehen, nur muss man einfach die Realitäten am Markt zur Kenntnis nehmen. Lufthansa ist nun mal börsennotiert. Billigflieger wie Ryanair haben eine 3 mal so hohe Markkapitalisierung wie Lufthansa, d.h. die sind 3 mal so viel wert wie der gesamte Lufthansa-Konzern inkl. Lufthansa Technik, Austrian, Swiss, Germanwings, Eurowings, den Anteilen an Brusssels und Sunexpress, LSG Sky Chefs, Lufthansa Cargo etc. pp.

Es gibt noch unzählige andere Gefahren, die ich hier nicht alle aufbröseln will. Eine davon: Die Lufthansa ist heute der zweitschwächste Wert im DAX und fliegt demnächst eventuell aus dem DAX. Im kleineren MDAX sind heute schon 15 Unternehmen schwerer als der DAX-Wert Lufthansa. Fliegt Lufthansa aus dem DAX, dann müssen unzählige DAX-Indexfonds Lufthansa-Aktien verkaufen. Lufthansa wäre in der Folge noch schwächer bewertet und ein noch leichteres Ziel für feindliche Übernahmen u.ä.

Wenn es einem MOL oder sonstwem irgendwann einfällt, Lufthansa aufzukaufen und zu zerschlagen, dann kann er das locker stemmen. Der ganz Lufthansa-Konzern ist so wenig wert und so billig, MOL muss sich nicht mal verschulden dafür. 2 Jahresgewinne von Ryanair plus Cash-Reserven reichen dafür. Das ist die Ausgangslage am Markt. Lufthansa ist ein wirtschaftliches Fliegengewicht geworden.

Bei den Altersvorsorgungen hat Lufthansa in der Vergangenheit Renditen versprochen, die sehr hoch aber auch jahrezehntelang erreichbar waren. Das ist angesichts völlig veränderter Marktgegebenheiten nicht mehr zu finanzieren. Daran sind die Arbeitnehmer nicht schuld, aber Lufthansa ist auch nicht schuld. Die Zahl der zu versorgenden Ex-Luthansa-Mitarbeiter wächst beständig und Lufthansa muss für deren betriebliche Altersversorgung immer höhere Beträge abdrücken. Das sind rückwärtsgewandte Ausgaben. Das Produkt wird dadurch kein Stück besser oder wettbewerbsfähiger. Wenn man ohnehin in guten Jahren nur 1-3% Umsatzrendite erreicht, dann kann man sich Kostensteigerungen bei der Altersvorsorge nicht leisten. Die Lufthansa hat gegenüber den Ryanairs, Golfairlines oder auch China-Airlines schon genug andere Standortnachteile.

Das Angebot mit 5,5% ist angesichts des Marktumfeldes überaus großzügig und besser als in den meisten anderen Firmen. Die Gewerkschaften sollen das akzeptieren und meinetwegen eine Klausel verlangen, die die Rendite zukünftig an den Marktzins koppelt (z.B. 5% über EZB-Repo-Zinssatz). Viel tiefer wird der nicht fallen und falls er mal wieder steigt, profitieren automatisch auch die Mitarbeiter von höheren Renditen.


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