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Günstigflug in den Konzernen, die zweite Generation

Eurowings Airbus A320
Eurowings Airbus A320, © Aleem Yousaf, CCBYSA

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WIEN - Anders als ihre US-Kollegen greifen Europas Airlinekonzerne im Wettbewerb mit Günstigfliegern zu Strategien, die nicht nur auf preissensible Kunden zielen, sondern auch auf den Umbau tradierter Geschäftsmodelle: Ausgelagerte Günstigbetriebe sollen Marktanteile zurückholen und Wachstum sichern.

Überschneidungen vermeiden Lufthansa & Co. durch eine Trennung ihrer Schlüsselmärkte: die Mainlines besorgen das Hubgeschäft, die Günstigtöchter den dezentralen Betrieb. Kaum überraschend die Reaktion der LCC: teure Hubairports werden damit für sie attraktiver.

Mit zweistelligen Zuwachsraten und den industrieweit besten Gewinnmargen zwangen die Lowcostcarrier die Konzerne zum Handeln. Ryanair, Easyjet, Norwegian, Vueling und Wizzair bilden eine völlig neue Generation von Airlines, geboren aus dem neuen Europa ohne Grenzen, die von Anfang an von der Deregulierung Gebrauch machten.

Frühe Versuche der Flaggcarrier mit eigenen Lowcost-Ablegern zeigten jedoch, dass das grenzenlose Europa strategische Grenzen birgt. So kostete etwa der Versuch "Buzz" British Airways viel Lehrgeld, ebenso wie die spätere Germanwings die Lufthansa. Günstigflug ist eben kein Geschäftsmodell, das sich nur durch weniger Service trägt.

Mehr Erfolg hatte der britisch-iberische IAG-Konzern mit der Akquisition einer eigenständigen Billigairline. Die von ehemaligen Jetblue-Managern und katalanischen Unternehmern gegründete Vueling war vom Start weg ein Senkrechtstarter, den IAG-Chef Willie Walsh vor drei Jahren ins Boot holte.

Der in Barcelona residente Carrier punktet mit einem innovativen Hybrid-Betrieb, der inzwischen auch die Konzernschwestern British Airways und Iberia europaweit mit preisgünstigen Zubringerdiensten versorgt - zusätzlich zu eigenen Netzverbindungen. Vueling ist heute der bestverdienende Wachstumsmotor des Konzerns.

Eher noch am Anfang stehen die Lufthansa-Gruppe mit ihrem Eurowings-Projekt und der Air France-KLM Konzern mit seiner neu adaptierten Lowcost-Tochter Transavia. Beiden gemein ist der Zugriff auf konzerneigene Betriebe mit deutlich günstigeren Produktionskosten - und der erbitterte Widerstand der Konzernmitarbeiter, vornehmlich des fliegenden Personals, die darin eine Unterwanderung ihrer Tarifverträge erkennen.

Ebenfalls gemein haben beide Projekte, dass die neuerwählten Töchter bisher in völlig anderen Märkten unterwegs waren und für ihre künftigen Aufgaben von Grund auf neu aufgestellt werden müssen. Transavia kommt aus der Touristik, Eurowings aus dem Regionalbetrieb.

Eurowings - Plattform für Günstigpartner


Neben dem eigenen Umbau muss Eurowings auch noch die Zusammenführung mehrerer, wenig homogener Konzerntöchter stemmen. Dazu soll die Marke mittelfristig auch als konzernoffene Plattform für weitere Netzpartner dienen. Weitgehend offen ist auch noch ihre strategische Ausrichtung.

Fest steht nur der Wille der Lufthansa, ihren Europamarkt nicht kampflos der Lowcost-Konkurrenz zu überlassen. Ihr Ziel ist ambitioniert: Eurowings soll im Europaverkehr hinter Ryanair und Easyjet bis 2020 die Nummer Drei werden. Trotz Verdoppelung ihrer Kapazität bleibt Eurowings noch viel Luft nach oben, im Februar lag ihre Auslastung 22 Punkte hinter Ryanair.

In der Mainline wollen Lufthansa, Austrian und Swiss mit servicerelevanten Tarifen für stabile Preise sorgen, vom eingecheckten Gepäck über die Sitzauswahl bis hin zum Wiener Schnitzel auf der Kurzstrecke. Das ist nicht neu, die Billigairlines sind gerade damit groß geworden - und hochprofitabel.

Dass sich inzwischen bei Austrian über die Hälfte ihrer Passagiere für das günstige Light-Angebot entscheidet und bei Lufthansa die Passagiere in ihrem neuen Airbus A320neo gerade soviel Platz haben wie bei Vueling oder Easyjet, zeigt einen Trend. Künftig werden nicht nur Preis und Leistung oder das Prädikat der Airline die Kunden an Bord holen, sondern vor allem die Relevanz des Angebots für den Passagier - Günstigflieger der zweiten Generation.
© Bob Gedat, aero.at | Abb.: Eurowings | 12.03.2016 17:49

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Beitrag vom 13.03.2016 - 14:16 Uhr
Ich denke dass sich eine "Günstig-Langstrecke" besser mit Umsteigen in einem Hub realisieren lässt als mit "echten" Langstreckenflügen. Einerseits kann man die Kosten tief halten (keine Crewwechsel nötig, Einheitsflotte mit A320-Reihe bzw. B737, tiefere Spritkosten dank kürzerer Legs), und andererseits ist es für die Passagiere ja auch nicht so toll, 10h in einem Flugzeug mit EasyJet-Komfortniveau zu verbringen, d.h. Umsteigen kann durchaus erwünscht sein. Auf Atlantikstrecken zeigt WOW Air schon jetzt wie das geht. Ab Osteuropa nach Osten setzt z.B. FlyDubai auf das gleiche Konzept.

Ich frage mich allerdings, ob es möglich ist, die maximale Länge von Flügen nach dem klassischen Billigfluglinien-Ansatz zu erhöhen. Im Moment dürfte sie bei ca. 4-5h pro Leg liegen (wegen der Crew-Arbeitszeiten). Könnte man z.B. in einen A321 ein Crew Rest Compartment einbauen, mehr Crew mitnehmen, und dann z.B. zwei 6h-Legs nacheinander ohne Crewwechsel fliegen?
Beitrag vom 13.03.2016 - 06:28 Uhr
ich bin gerne mit LH und BA usw. Unterwegs. Irgendwie immernoch ein erhebendes Gefühl weit weg von zu Hause in ein LH Flugzeug zu steigen, nur...

Wo genau ist der Unterschied zwischen eco LH und easy jet auf kurzstrecke? Das gute Essen? der nette Service?

Warum sollte das auf Langstrecke nicht funktionieren?

Ich "muss" Langstrecke eh Business fliegen, da sich der Tisch nicht wagerecht stellen lässt... Bin 1,98...;)
Beitrag vom 12.03.2016 - 20:44 Uhr
Richtig, ob das Low-Cost-Model auf Langstrecke funktioniert, ist noch offen.

Viele gängige Low-Cost-Zutaten funktionieren auf Langstrecke nicht. Man fliegt mal schnell für 2 tage nach London. Nur mit Handgepäck und ohne das man unterwegs etwas zu Essen oder zu trinken braucht. Man macht aber nicht mal eben spontan einen Langstreckenflug, braucht da in der Regel Gepäck und Verköstigung. Anders als bei Kurzstrecken lassen sich bei Langstrecken Crew-Übernachtungen am Zielort nicht vermeiden. Man kann bei Langstrecken nicht wie Ryanair heute jede billige Dorfpiste anfliegen. Die kurzen Umlaufzeiten lassen sich nicht realisieren, weil die Maschinen nach einem Langstreckenflug wie eine Müllhalde aussehen. usw. usf. Am Ende bleibt nur wenig übrig, wo LCC gegenüber Full-service-Carriern einen Kostenvorteil erzielen können.

Hinzu kommt: Auf Kurzstrecke wollen viele Passagiere nur billigstmöglich von A nach B. Komfort und Service sind unwichtig. Bei einem 10-Stunden-Flug sieht das schon etwas anders aus und der ein- oder andere Passagier ist bereit, 100 EUR mehr für etwas mehr Komfort zu zahlen und z.B. Emirates, Ezihad, Qatar statt Eurowings nach BKK zu fliegen.


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