Boeing 737 MAX
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Maximale Verunsicherung

Boeing 737 MAX 8
Boeing 737 MAX 8, © Safran

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SEATTLE - Der Absturz einer nagelneuen Boeing 737 Max 8 in Äthiopien hat weltweit Bestürzung, aber auch Verunsicherung bei Passagieren ausgelöst. In der Welt der Luftfahrt gibt es zudem besorgte Fragen: Denn die Branche tut sich bei Sicherheitsthemen traditionell schwer damit, an Zufälle zu glauben.

Wenn zwei fast neue Maschinen des gleichen Flugzeugtyps in kurzen Abständen in vergleichbarer Fluglage abstürzen, schrillen Alarmglocken.

Chinas Luftfahrtbehörde CAAC verhängte daher vorsorglich ein Startverbot für Flieger des Typs Boeing 737 Max 8 und begründete das mit Parallelen zum Absturz einer solchen Maschine der Lion Air im Oktober 2018 in Indonesien.

In kaum einer anderen Branche wird das Thema Sicherheit höher gewichtet als im Luftverkehr. "Safety first lautet der Grundgedanke der Luftfahrt", sagt Jan-Arwed Richter vom Hamburger Flugsicherheitsbüros Jacdec ("Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre").

Auch wenn so kurz nach dem Unglück eine Einschätzung nur spekulativ sein kann, meint der Unfallforscher: "Angesichts von 346 Toten innerhalb von vier Monaten mit dem gleichen Flugzeugtyp ist es aus meiner Sicht überfällig, jetzt schnellstens genaueste Erkenntnisse darüber zu bekommen, ob es an der Technik gelegen hat."

Das sehen die Luftfahrtbehörden in China und Indonesien ähnlich, sie erteilten dem Flugzeugtyp vorerst ein Flugverbot. Auch die Fluggesellschaften Ethiopian, Mongolian und Royal Air Maroc lassen ihre Max-Maschinen am Boden.

US-Fluglinien wie United und Southwest wollen ihre Jets hingegen weiter starten lassen - ebenso der norwegische Billigflieger Norwegian, der bisher größte Max-Betreiber in Europa. Entscheidungen der Behörden in den wichtigen Regionen USA und Europa stehen noch aus. An der Börse lösten die Nachrichten einen ganz anderen Absturz aus: Boeings Aktienkurs knickte kräftig ein.

Der US-Konzern erklärte am Montag, es gebe nach bisherigem Kenntnisstand keine Grundlage für neue Anweisungen an die Betreiber des Flugzeugtyps. "Sicherheit ist unsere oberste Priorität", teilte Boeing mit.

Die Vereinigung Cockpit hält die Flugverbote für übertrieben. Es gebe noch keinen Beleg, dass es ein ähnliches Problem wie beim Absturz der indonesischen Maschine gegeben haben könnte, sagt ein Sprecher der Pilotengewerkschaft. Der weltgrößte Reisekonzern Tui prüft noch, was zu tun ist. Zu seiner Flotte gehören bereits 15 Jets dieses Typs, die in Großbritannien und den Benelux-Staaten im Einsatz sind. Bei der deutschen Tochter Tuifly steht die Einführung Mitte April an.

Airlinechef Tewolde Gemremariam an der Absturzstelle
Airlinechef Tewolde Gemremariam an der Absturzstelle, © Ethiopian Airlines

Für den weltgrößten Flugzeugbauer Boeing ist die seit dem Jahr 2017 ausgelieferte 737-Max-Reihe der Verkaufsschlager schlechthin. Sie ist eine Weiterentwicklung des seit Mitte der 1960er Jahre gebauten Mittelstreckenjets 737, dem meistproduzierten Verkehrsflugzeug der Welt.

Die 737 gilt als extrem zuverlässig. Um gestiegenen Anforderungen des Luftverkehrs gerecht zu werden, wurde der zweistrahlige Jet immer wieder modernisiert. Auch unter dem Eindruck des Erfolgs des Konkurrenten Airbus versuchte Boeing, das vorhandene Grundmodell bis an die Grenzen des Machbaren anzupassen.

Bei den Max-Versionen wurden - analog zum Konkurrenten Airbus mit seinem Modell A320neo - vor allem sparsamere und größere Triebwerke unter den Tragflächen angebracht. Sie ragen bei Boeing aber weiter als bei anderen Versionen nach vorn und erschweren den Piloten in bestimmten Fluglagen die Kontrolle über die Maschine.

Daher wurde eine Steuerungssoftware angepasst - sie greift nun stärker in das Geschehen ein. Seit dem Lion-Air-Unglück steht sie in Verdacht, zumindest ein Teil der Unglückskette gewesen zu sein. Ob es auch diesmal so war, soll die Auswertung der gefundenen Blackbox ergeben.

Als verstörend wertet Experte Richter aber schon jetzt den Hinweis in Fachforen auf einen nach der Unglücksmaschine gestarteten Piloten, der die letzten Funksprüche aus der abgestürzten Boeing mitgehört haben soll. Richter sagt: "Der Unglückspilot meldete demnach Probleme mit der Fluggeschwindigkeit - was vom Muster her Parallelen aufdrängt zum Lion-Air-Flug."

Boeing hatte bis zuletzt Bestellungen für mehr als 5.000 Maschinen der 737-Max-Reihe vorliegen, die das Unternehmen in vier verschieden langen Versionen anbietet - von der Max 7 bis zur Max 10. Ende Januar waren davon 350 ausgeliefert. Ryanair hat 135 solcher Jets geordert, betreibt aber nur das Vorgängermodell 737 bisher.

Boeing droht weltweites Grounding

Großflächige Startverbote für den Verkaufshit könnten Boeing schwer treffen. China ist für die Flugzeughersteller ein wichtiger Markt: Mehr als jeder vierte Max-Jet fliegt schon jetzt für Airlines aus dem Reich der Mitte. Dabei hat Boeing dort schon wegen des Handelsstreits zwischen beiden Ländern hohe Strafzölle zu befürchten, die praktisch die gesamte 737-Reihe träfen.

Zudem dürften die Startverbote bei Boeing böse Erinnerungen ans Jahr 2013 wecken. Damals verhängten Luftfahrtbehörden auch in den USA einen Flugstopp für den nagelneuen Langstreckenjet Boeing 787 "Dreamliner" - weil sich Lithium-Ionen-Akkus des Hightech-Fliegers mehrfach entzündet hatten.

Drei Monate lang durfte weltweit kein "Dreamliner" abheben: Der Image-Schaden war perfekt. Und vor Boeings Werkshallen stauten sich Maschinen, weil der Hersteller in dieser Zeit auch neue Jets nicht vom Hof fliegen durfte.

Im Fall der Max würde ein solcher Rückstau um ein Vielfaches größer. Denn während Boeing in dem Jahr gerade mal 65 "Dreamliner" auslieferte, geht es bei der Max-Reihe bald um zehn Mal so viele Maschinen. Der Platz vor den Werken dürfte da schnell knapp werden.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Boeing | 11.03.2019 17:27

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Beitrag vom 13.03.2019 - 21:49 Uhr
Spätestens ab Beginn der Überlegungen für die MAX hätte Boeing in den Apfel der Neukonstruktion für die 737 beißen müssen. Die hätten dabei ein Kurz- und Mittelstreckenflugzeug hinwerfen können, wogegen der A 320 alt aussieht. Nein, sie fragen die Kunden. Das ist doch nur die halbe Wahrheit. Denn die Kunden wollen ein preiswertes Flugzeug, mehr nicht. Wie denkt der Mensch? Das vorhandene ist billiger aufzupeppen als etwas Neues zu entwickeln. Das ist aber m.E. auch in der Luftfahrt nicht so. Und um eine Neukonstruktion kommt Boeing jetzt nach diesem Desaster überhaupt nicht mehr herum. Man mag es drehen und wenden wie man will, aber Boeing hat hier Milliarden sinnlos verbrannt (vgl zB Aktienkurs), welche für eine Neuentwicklung sinnvoller ausgegeben worden wären.

Ich sehe das ganze auch kritisch bei Boeing, aber warum soll denn jetzt das „alte“ daran schuld sein. Es ist doch absolut kein Problem etwas altes zu verwenden, wenn es denn kombiniert mit dem neuen gut funktioniert. Nur weil etwas alt ist, kann man es nicht mehr verwenden?
Ja, vielleicht ist die Software das Problem. Ja, vielleicht sind es die großen Triebwerke. Aber warum ist dann das alte schuld und nicht das neue???
Und wie hat Boeing denn bitte schön Milliarden mit dem fallenden Aktienkurs verbrannt, was man in die Entwicklung hätte stecken sollen??? Sie wissen schon, was eine Aktie ist, oder? Oder hätte die Ingenieure statt mit Geld mit Aktien bezahlt werden sollen? Der Wert der Firma ist gefallen, ja, aber Geld wurde da nicht verbrannt.

Natürlich ist kein Geld in den Ofen gesteckt worden. Aber warum macht man eine AG mit Aktionären? Es ist die einfachste und sicherste Form einer Außenfinanzierung für ein Unternehmen. Man bekommt bei Kapitalerhöhungen Eigenkapital, welches für jedes Risiko eingesetzte werden kann. Keine Bank, kein Staat gibt das so umfänglich. Andererseits muß das Management für das Risiko-Eigenkapital berichten und haften. Nach den Vorfällen wird Boeing jetzt sicher kein Risikokapital für Neuentwicklungen über eine Kapitalerhöhung bekommen und auch keine Subventionen.

Dagegen wird man möglicherweise die Dividende erhöhen müssen um den Schaden bei den Aktionären zu begrenzen. Also hat es u.U. Auswirkungen auf die Innenfinanzierung. Daraus ergibt sich dann auch ein Einfluß auf die Liquidität (neudeutsch Cashflow). Also für mich ist da (im übertragenen Sinne) sehr viel Geld verbrannt worden und die Wettbewerbssituation von Boeing erheblich verschlechtert worden.

Jetzt kommt noch die Lachnummer des Boeing Chefs Muilenburg dazu, Trump anzurufen um kein Startverbot zu bekommen. Dümmer geht es nimmer und er kann eigentlich nur noch zurücktreten. Als Aktionär würde ich auf die nächste Hauptversammlung und dieses fordern. Das war so geschäftsschädigend, was will der Muilenburg noch? Trump hat richtig reagiert und ein Verbot veranlaßt.

Dagegen der Bericht amerikanischer Piloten im Internet

 https://www.documentcloud.org/documents/5766398-ASRS-Reports-for-737-max8.html#document/p10/a486269

Ein wirklich sehr guter Bericht wie ich ihn in der deutschen Presse seit vielen Jahren nicht mehr gelesen habe. Daraus kann man nur ein Grounding ableiten. Denn es stellt sich auch die Frage, weshalb konnten die Ethiopian Airlines Piloten, trotz Sonderschulung, nicht auch so handeln wie der US-Pilot?
Beitrag vom 13.03.2019 - 08:36 Uhr
Mein Beileid den Hinterbliebenen. Die Opfer sind noch nicht mal alle identifiziert, aber schon kommen die Boeing-Hater und die "Ich habe-es-schon-immer-gewusst"-Fraktion aus ihren Löchern und sprechen dem Hersteller die Fähigkeit ab, Flugzeuge zu bauen.

Wie wäre es, die Untersuchungen erst einmal abzuwarten? Peinlich, dieses deutsche Besserwissertum. Und abstossend.
Da geb ich Ihnen Recht. Wenn man sich allerdings AVH oder andere internationale Foren anschaut, dann wird klar, dass die "Ich habe-es-schon-immer-gewusst"-Fraktion" ziemlich global aufgestellt ist...


Wenn Sie aber die Absender dieser Nachrichten schon länger verfolgen werden auch Sie feststellen das die negativsten und oft schon überheblichen Texte aus Deutschland gesendet werden.

Was auch den anderen Usern auffällt die dann auch von Fan Boys aus Europa sprechen.

Ist natürlich umgekehrt genauso und deshalb habe ich ja zuvor geschrieben das es hier auch um politische ( nationalen Anschichten) geht.
Beitrag vom 12.03.2019 - 22:50 Uhr

Glauben Sie ernsthaft, Boeing hätte nicht längst fix und fertige Pläne für einen 737-Nachfolger in der Schublade? Ich denke man kann davon ausgehen, dass die schon seit 20+ Jahren an einem neuen 150-240 Sitzer tüfteln.

Doch, das Ergebnis heißt 737 Max XD


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