Luftverkehr und Klimaschutz
Älter als 7 Tage

Konflikt um ETS - Ringen um einheitlichen Luftraum

ATLANTA - Die amerikanische Luftfahrtaufsicht FAA und der Airlineverband Air Transport Association (ATA) haben ihren Widerstand gegen die geplante Einbeziehung US amerikanischer Fluggesellschaften in den europäischen Handel mit Emissionszertifikaten angekündigt. Die Pläne stellten einen Verstoß gegen das Chicagoer Abkommen von 1944 dar und würden im Zweifel der Welthandelsorganisation und ICAO zur Prüfung vorgelegt.



Nach einem vorläufigen Kompromiss zwischen Europäischem Parlament und der EU-Ratspräsidentschaft vom Sommer sollen ab dem Jahr 2012 alle Flüge in das Emissionshandelssystem ETS einbezogen werden, die über Flughäfen des Gemeinschaftsraums abgewickelt werden. Fluggesellschaften erhalten freie Zertifikate für 97 Prozent der in den Jahren 2004 bis 2006 ausgestoßenen Treibhausgase. Für den Zeitraum 2013 bis 2020 wird die Zuteilung auf 95 Prozent gesenkt. Verursacht eine Fluggesellschaft zusätzliche Emissionen, muss sie diese über weitere in Auktionen oder am Markt erworbene Verschmutzungsrechte abdecken.

"Unter dem Argument des Umweltschutzes wird leichtfertig das Wachstum unserer Branche aufs Spiel gesetzt", sagte ATA-Präsident James May vergangenen Monat in Brüssel. "Das System unterläuft unsere eigenen Anstrengungen, Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß zu senken. Die Kosten für Passagiere werden steigen, wodurch Anreize geschaffenen werden, mit weniger umweltfreundlichen Verkehrsmitteln als dem Flugzeug zu reisen."

May rechnet mit zusätzlichen Belastungen in Höhe mehrerer Milliarden US Dollar jährlich. Die amerikanische Luftfahrtbranche habe in den vergangenen 20 Jahren die Treibstoffeffizienz im Flugverkehr bereits um 110 Prozent gesteigert und damit den höchsten Beitrag im Transportsektor geleistet.

ICAO-Beschluss gegen ETS

"Das Problem liegt aber auch darin, dass die Europäische Union gegen internationales Recht verstößt", ergänzte Carl Burleson vom Umwelt- und Energieausschuss der FAA. Bereits Ende der 1990er Jahre seien unilaterale Pläne der EU zur zwangsweisen Einführung von Schalldämpfern an älteren Turbofantriebwerken erfolgreich vor der ICAO angefochten worden. Der einzige Unterschied zu heute liege darin, dass der Widerstand gegen die Absichten Brüssels noch breiter aufgestellt ist.

Im September 2007 verabschiedete die Generalversammlung der ICAO bereits eine Resolution, nach der jeder Staat, der die Einbeziehung von Fluggesellschaften in Handelssysteme zu Zwecken des Klimaschutzes beabsichtigt, zunächst verpflicht ist, die Zustimmung aller betroffenen Marktteilnehmer einzuholen. Die Europäische Union hat gegen den Beschluss formellen Widerspruch eingelegt und fühlt sich an die Resolution nicht gebunden.


Doch auch innerhalb der europäischen Luftfahrtbranche regen sich Bedenken. Eine im Oktober veröffentlichte Studie der Association of European Airlines (AEA) errechnet durch die Einbeziehung der Luftfahrt in das ETS in aktueller Form jährliche Belastungen von 6,7 Milliarden US Dollar. Dieses Geld stehe den Airlines dann nicht mehr für Investitionen in umweltfreundliche Flotten zur Verfügung.

Zwar sprach sich mit Air France-Vorstandschef Jean-Cyril Spinetta zuletzt ein prominenter Vertreter des Airlinesektors für eine Umsetzung des Zertifikatehandels im Luftverkehr als "marktorientiertes und effizientes Mittel des Klimaschutzes" aus, doch seien Kernfragen weiterhin ungeklärt. "Der Luftverkehr ist von einer einzigen Energiequelle - dem Kerosin - abhängig und wird es noch lange bleiben", so Spinetta.

Da die Luftfahrt weiter wachsen werde, sei die Ausgestaltung des Zertifikatehandels in einem abgeschlossenen System eine unter dem Strich ungeeignete Option. Auch sei der für die Zuteilung der Zertifikate zu Grunde gelegte Bezugszeitraum zu eng gewählt, so dass durch Wachstumseffekte insbesondere in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts die Belastungen mit zusätzlicher Dynamik ansteigen würden.

Einheitlicher Luftraum seit 1960 im Gespräch

Der Internationale Branchenverband IATA lehnt den Emissionshandel ab und fordert von Brüssel zunächst die Einführung eines einheitlichen europäischen Luftraummanagements. "Durch diese Maßnahme allein könnten 12 Prozent der Emissionen eingespart werden", sagte IATA-Präsident Giovanni Bisignani.

Ähnlich äußerte sich auch Lufthansa Vorstandschef Wolfgang Mayrhuber. "Seit 1960, also seit 48 Jahren, wird in Europa vom Single European Sky gesprochen. SES wäre das größte Effizienzprogramm und das größte unmittelbar wirkende Umweltprogramm der Luftfahrt. Europa könnte hier Zeichen setzen. Es bedarf des politischen Willens, es bedarf keiner Investitionen aus öffentlichen Kassen; es brächte sofort 6 Prozent mehr Effizienz pro Flug und es würde die CO2-Emmissionen um 10 bis 12 Prozent reduzieren", sagte Mayrhuber im April.

Doch gleiche die Umsetzung einer Wanderdüne. "Der zurzeit letztgültige Umsetzungstermin soll in 2015 sein – 55 Jahre nach der ursprünglichen Zielsetzung – unglaublich! Die Politik läuft meines Erachtens auf ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem zu, wenn dieser SES in der Schublade bleibt, während enorme Anstrengungen unternommen werden, ein bürokratisches, ökologisch untaugliches und wirtschaftlich gefährliches
und diskriminierendes System des Emissionshandels der Luftfahrt in Europa
überzustülpen" so Mayrhuber. "Das alles garniert mit Drohungen über andere Steuern, die man erwirken könnte, wohlwissend, dass unsere globale Branche aus gutem Grund auf ein Gebührensystem festgelegt wurde. Fees and Charges oder Steuern – aber nicht beides!"

"Die europäischen Fluggesellschaften dürften mit der 2012 geplante Einbeziehung in den Handel mit Zertifikaten für den Kohlendioxid-Ausstoß nicht benachteiligt werden", ergänzte Mayrhuber am Dienstag in Berlin.

Auf dem Weg zu einem einheitlichen Luftraum über Europa soll beim Europäischen Luftverkehrs-Gipfel vom 18.-19. November 2008 in Bordeaux ein wichtiger Schritt gemacht werden. In einer Absichtserklärung wollen die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande und Schweiz übereinkommen, ihre Lufträume in einem so genannten Functional Airspace Block Europe Central (FABEC) zusammenzufassen. Damit würden die Weichen dafür gestellt, dass im Herzen Europas ein einziger Luftraum für sechs Länder entstehen kann. Ein Staatsvertrag soll dies bis 2011 fixieren.

„Jetzt ist die Gelegenheit für die Bundesregierung gekommen, einen wichtigen Schritt für mehr Klimaschutz im Luftverkehr zu tun“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), Michael Engel in Berlin. „Die Fakten sind seit langem bekannt. Mit kürzeren Flugrouten, weniger Umwegen und weniger Warteschleifen können die CO2-Emissionen des Luftverkehrs um bis zu 12 Prozent reduziert werden“, so Engel weiter.

© aero.de | Abb.: Scandinavian | 11.11.2008 11:05

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Beitrag vom 11.11.2008 - 19:22 Uhr
wie ich diese lobbyisten aussagen liebe =)


[quote] Die amerikanische Luftfahrtbranche habe in den vergangenen 20 Jahren die Treibstoffeffizienz im Flugverkehr bereits um 110 Prozent gesteigert [/quote]

Dachte erst 110% abgebaut den Spritverbrauch, geht doch gar nicht, dann ist mir klar geworden, dass gemeint wurde, man hätte den Spritverbrauch angeblich etwas mehr als halbiert (ah klingt schon einfacher ^^)

[quote]"Das System unterläuft unsere eigenen Anstrengungen, Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß zu senken. Die Kosten für Passagiere werden steigen, wodurch Anreize geschaffenen werden, mit weniger umweltfreundlichen Verkehrsmitteln als dem Flugzeug zu reisen."[/quote]

tjaja, gibt auch so viele Verkehrsmittel, die umweltschädlicher als Linienflugzeuge sind, zB Hubschrauber oder Privatflieger oder Yachten oder ein kleiner Anteil der Autos (die meisten SUVs sind Umweltfreundlicher)
Das entspricht leider nun mal den Tatsachen, auch wenn ich es als Luftfahrt begeisterter lieber anders herum hätte, aber Bahn/Auto ist meistens halt umweltfreundlicher. Denn CO2 in der atmosphäre ausgestoßen ist ca. 4mal so schädlich, wie am Boden. Daher hat selbst, ein Flugzeug, dass 3l Kerosin /100km/Passengier verbraucht den Effekt von 12l /100km/ Fahrgast zB im Auto, wenn man nicht gerade in nem Porsche Cayenne ALLEINE fährt, sollte man weniger verbrauchen...
Ich weiß zB das nen VW Tuareg V6 Fernstrecke (da konkurriert er mit dem Flugzeug) 12,6l /100km verbraucht... Also weniger als die meisten Flugzeuge und das wenn man alleine unterwegs ist.

Daher fände ich Anreize zum Klimaschutz schon wichtig für die Airlineindustrie, aber bürokratische Maßnahmen (wie der einheitliche Luftraum), die "kostenlos" kommen, sollten als erstes umgesetzt werden.
Des Weiteren sollte man als Bemessungsgrundlage den Spritverbrauch pro Sitzkilometer nehmen, um wachsende Airlines nicht zu benachteiligen....

grüße


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