FAA hat noch Fragen
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Boeing erleidet neuen Rückschlag bei 787

Westjet Boeing 787-9
Westjet Boeing 787-9, © Westjet

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SEATTLE - In den vergangenen zwei Jahren hat Boeing kaum 787 ausgeliefert. Unter Aufsicht der FAA hat der Konzern in dieser Zeit eine lange Mängelliste abgearbeitet. Im zweiten Halbjahr will der Airbus-Konkurrent den Bann mit neuen Auslieferungen endlich brechen. Die FAA hat noch Klärungsbedarf.

Die Fehlerliste der 787 reicht von Montagefehlern bis zu Materialdefekten - im Juli 2021 hatte Boeing den Lieferstrom erneut unterbrochen.

Ein Termin zur Wiederaufnahme der Auslieferungen im zweiten Halbjahr wackelt erneut. Nach Informationen der Nachrichtenagentur "Reuters" ist die US-Luftfahrtaufsicht FAA mit einer Ende April von Boeing eingereichten Dokumentation nicht zufrieden. Laut Insidern sieht die FAA Lücken im Antrag.

Boeing-Chef Dave Calhoun hatte die Einreichung der Dokumentation am 27. April gegenüber Investoren als "sehr wichtigen Schritt" bezeichnet.

Boeing ringt bei der 787 mit massiven Qualitätsproblemen. Zuletzt war die FAA auf Pfusch bei Titankomponenten eines italienischen Zulieferes gestoßen.

Der "Seattle Times" fiel Ende 2021 zudem ein brisantes FAA-Memo in die Hände, das auf Kontaminationen an Faserverbund-Komponenten von Mitsubishi Heavy Industries hinweist. An verklebten CFK-Teilen soll die Verbindungsfestigkeit dadurch nicht uneingeschränkt gewährleistet sein.

Milliardendebakel

Noch ist laut den Insidern unklar, ob die Zurückweisung der Dokumentation den Zeitplan zur Wiederzulassung erneut verschiebt. Inzwischen warten Airlines auf mehr als 100 787. Auch Lufthansa ist betroffen. Der Lieferstopp hat Boeing bislang 5,5 Milliarden US-Dollar gekostet und zieht auch andere Programme in Mitleidenschaft.

Boeing hatte im April die Lieferstart der 777-9 ein weiteres Mal von Ende 2023 auf 2025 verlegt - Ingenieure und Zulassungsspezialisten haben derzeit noch mit der 787 alle Hände von zu tun.
© aero.de | Abb.: Boeing | 16.05.2022 07:46

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Beitrag vom 19.05.2022 - 08:52 Uhr
Ich denke man muss das vielschichtig betrachten.

Das ist richtig, aber am Ende ist doch entscheidend, was dabei rauskommt: und das war/ist Mist.

Es geht auch viel um Kultur, um die Beziehung mit der FAA, um Boeings Philosophie, Strategie und Situation.

Philosophie: Geld machen
Strategie: schnell und ohne Skrupel
Situation: ein Wettbewerber zieht davon

Denn man denkt immer das Produkt zu entwickeln sei das Thema, in Wahrheit ist es aber das Produkt in grosser Stückzahl, hoher Qualität und zu günstigen Kosten zu bauen.

Das mag die Ausgangsüberlegung gewesen sein.
Was ich aber ganz schlimm finde:
offensichtlich werden daraus keine wirklichen Konsequenzen gezogen (siehe meine Replik auf das Beispiel mit den 'Dampfer auf falschen Kurs'.

Die Weisheit aus der Medizin:
'nicht an den Wirkungen rumdoktern, sondern die Ursachen bekämpfen' scheint bei Boeing immer noch nicht angekommen zu sein, geschweige denn umgesetzt zu werden.
Beitrag vom 19.05.2022 - 04:08 Uhr
Ich denke man muss das vielschichtig betrachten.

Es geht auch viel um Kultur, um die Beziehung mit der FAA, um Boeings Philosophie, Strategie und Situation.

Die Ausagangssituation der B787 war, das Boeing technologisch einen Schritt zurück war.
B777, B767/757 und B737 NG waren erfolgreich, waren aber konservative Designs ohne grossen technologischen Schritt.

Dem gegenüber war Airbus technologisch einen Schritt voraus: Man hatte in der Avionik und Flugsteuerung klar die Nase vorne, FBW hat Airbus im zivilen durchgesetzt, bei Compoiste war Airbus besser.
Und Airbus attackierte mit dem A380 eine Boeing Domäne.
Boeing hatte eine Dekade kein neues Programm gebracht, und der A330 verkaufte die B767 durch die Wand.
Die letzten Versuche von Boeing, waren alle nichts geworden. Sonic Cruiser, B767x, B747x, etc.

In dem Zug dann die Entscheidung technologisch nicht nur aufzuholen, sondern zu überholen.
Die B777 hatte ja auch nicht die Stgellung die sie heute hat, die B77W kam 2004, dahzu die Etops Änderung.
Es war nicht klar, das die B77W den A340 mit leichitgkeit aus dem Geschäft wirft.

In dieser Situation sind strategisch viele Dinge gemacht worden - das Programm Accounting um die Kosten und Finanzen zu schonen. Die Beziehung mit der FAA, in der viel Politik mitspielte.
Die FAA ist ihrer Aufgabe als Regulator nicht nachgekommen.
Der Zeitdruck.

Die Idee bei der B787 nicht nur technologisch und in der Konstruktion 2 Schritte zu machen, sondern auch ein neues Level an outsorcing zu betreiben, auch bei der Entwicklung. Und bei der Produktion ebenso ein völlig neues Produktionssystem einzuführen.
Denn man denkt immer das Produkt zu entwickeln sei das Thema, in Wahrheit ist es aber das Produkt in grosser Stückzahl, hoher Qualität und zu günstigen Kosten zu bauen.

Dort sind viele Dinge nicht gut gelaufen, es wurden falsche Prioritäten gesetzt, und das konnte nie behoben werden.
Die B787 krankt daran, das sie schlussendlich zwar ein gutes Produkt für die Airlines ist, weil der Flieger günstig ist und die B789 wirklich viel kann.
Aber es ist nie ein technisch gutes FLugzeug geworden.
Alleine die Lösung mit der Fertigungsqualität der Li-Io Batterien. Die in einen Stahlcontainer packen, damit wenn sie durchgehen nichts passiert, und dann halt sagen: Die Fertigungsqualität der Zellen steigt, d.h. das Problem erledigt sich über die Zeit - naja, das ist halt technisch keine saubere Lösung. Es war halt ein quick & dirty fix.
Und diese Philosophie hat man scheinbar in vielen Dingen durchgezogen.

Boeing hatte auch nie den Need seine Kultur oder den Umgang mit Qualität zu ändern. Die FAA hat es ja immer durchgewunken, es gab Kosten & Zeitdruck, den Kunden war es scheinbar egal die haben die FLieger gekauft, und die Kriterien für den Erfolg der B787 waren ob der ganzen Probleme:
- Masse machen wg. accounting block, dafür muss man günstig sein
- für günstig sein muss man billigst produzieren
- billig produzieren heisst schnell und sparen an allem, v.a. beim QM, Zulieferne und den Arbeitern
- das führte zu Problemen noch und nöcher mit Gewerkschaften und Zulieferen
- und zu Zeitdruck, denn Zeit ist Geld

Boeings Weg bei der 87 war schon ein Drama für sich, sowohl das interne QM als auch die FAA und Kunden haben zugesehen.
Man denke an die Verspätungen, schlussendlich 3 Jahre
Man denke an die quasi Neuentwicklung bei der B789 / 10, die sich erheblich von der B788 unterscheiden
Man denke an die Batterien, pures Glück das es keinen Totalverlust gab
Man denke an die FOD
Man denke an Def. cost
Man denke an die Probleme jetzt mit dem Spacing
Und an alles andere. Die Tirebwerksprobleme lasse ich bewusst aus, das ist nicht Boeing spezifisch.

Das Grundproblem: Die B787 ist niergends ein gutes Flugzeug.
Die Ursachen liegen weniger beim Flugzeug selbst, als in der Art und Weise wie Boeing es entwickelt und produziert, und diese unterliegenden Dinge sind Boeing dann zum Verhängnis geworden.
Nicht mal bei der B787 oder B748.
Sondern erst bei der Max, und bei der B777x zahlt man jetzt dafür.

Aber alleine das man die Produktion jetzt in Charleston konzentriert hat, in dem Werk wo man die Qualitätsprobleme hat. Und dafür jetzt quasi wieder 2 Jahre keine Auslieferungen hat, mit erneuten Mrd. Abschreibungen von 5,5 mrd. $. Das zieht sich jetzt auch seit 2019.

Das Boeing mit der B787 Geld verdient, ist wohl ausgeschlossen. Die Entwicklungs- & sonstigen Kosten sind abgeschrieben, die Zahlen die man dazu findet sind 20-32 mrd. $.
Dazu kommen die def. Cost, die letzte Zahl die ich da gefunden habe waren 16 Mrd. in Q1 / 21.
Die beziehen sich auf die 1500, verkauft sind die fast alle, 1485 stehen in den Büchern.
Aber davon sind halt 1006 schon ausgeliefert, d.h. man muss über die 500 jetzt noch 16 Mrd. $ an Differenz wettmachen, ambitioniert aber nicht unmöglich.
Man hat ja vom Peak bei 32 Mrd. schon 16 wieder rein geholt.

Insgesamt wird man mit der 87 wohl keinen Gewinn machen.

Beitrag vom 18.05.2022 - 23:03 Uhr
Sehr interessante Diskussion, weil es hier um grundlegende, prinzipielle Fragen geht...

@EricM
Doch, das ist es. Es ist einfach nur ein Produkt.

Sehe ich auch so.
Jedes komplexere Produkt muss technischen und regulatorischen Vorgeben genügen und die Einhaltung dieser Vorgaben mmuss durch QA-Maßnahmen laufend überprüft werden.
Im Flugzeugbau sind die Vorgaben deutlich unfangreicher, aber das Prinzip ist dasselbe.

Das Aufteilung von Arbeit auf verschiedene Produktionsstätten verteilt wird und funktioniert wird ja auch weltweit vielfach gezeigt. Entscheidend ist, welche Kultur habe ich im Unternehmen und wie stark bin ich auf das Produkt fokussiert.

Da will ich widersprechen. Sobald eine Firma in wesentlichem Umfang Outsourcing und Entwicklung beim Lieferanten nutzt, ist der Kulturaspekt innerhalb der Firma alleine nicht mehr entscheidend.
Stattdessen werden SLAs mit dem Lieferanten und Outsourcing Partnern und die Übeprüfung dieser Parameter im laufenden Betrieb, also stärkere Fokussierung auf formalisierte QA, entscheidend.

Es gibt aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument pauschal gegen umfangreiches Outsourcing.

Das habe ich auch gar nicht versucht anzubringen.
Ich habe nur gesagt, der Kulturaspekt innerhalb der outsourcenden Firma ist nicht mehr alleine entscheidend, sondern muss durch starke formale QA Prozesse ergänzt werden.

Ganz grundsätzlich kann umfangreiches Outsourcing funktionieren und davon gibt es zig Belege, auch bei technisch komplexen Produkten.

Klar kann Outsourcing funktionieren, aber es funktioniert nicht automatisch und auch nicht bei ausschließlichem Fokus auf erzielbare Kostensenkungen.


[Großer Block dem ich zustimme gelöscht]

Ein solches technisches Niveau erreicht man nur, wenn das Verständnis für das Produkt bis hin zum CEO vorhanden ist, d.h. dass auf allen Ebenen verstanden wird, worauf es in Punkto Sicherheit ankommt. Von daher trifft @contrail55 aus meiner Sicht mit diesem Satz exakt den Punkt:
Entscheidend ist, welche Kultur habe ich im Unternehmen und wie stark bin ich auf das Produkt fokussiert.
Und dabei sollte nicht unter den Tisch fallen, dass auch Airbus firmenkulturelle Problem hatte, wenn man an die Verkabelungsthematik zwischen Toulouse und Hamburg denkt wg. verschiedener CATIA-Systeme. Aber das ganze war bei weitem nicht so fundamental wie die Problem bei 737MAX und 787.

Die Qualitätsverschechterung der letzten Jahre is Boeing nicht einfach so passiert, durch Entscheidungen, deren Tragweite sie nicht absehen konnten.
Sie haben die Konsequenzen gesehen, gemerkt dass sie Murks bauen und dann intern Mitarbeiter unter Druck gesetzt, damit sie diesen Murks verkaufen können statt ihn vorher reparieren zu müssen.


Genau, die konnten es "nicht absehen", bzw. die haben die Abhängigkeiten und Notwendigkeiten nicht verstanden, welche Faktoren für die Erreichung hoher Sicherheit eines Flugzeugs absolut unabdingbar sind.

Man könnte unterstellen, diese Faktoren wurden ignoriert, um Quartalsziele zu erreichen.

Und war bei Boeing leider seit James McNerney und alle folgenden CEOs der Fall: dabei sei angemerkt, das der letzte CEO Muilenburg ein Ingenieur gewesen ist und trotzdem nicht begonnen hat, das Schiff Boeing wieder auf den richtigen Kurs zu setzen.

Ja, und das wider besseren Wissens ...

Und in der Flugzeugindustrie hat das dann langfristige Konsequenzen: Bei Kleinprodukten kann man innerhalb von wenigen Monaten oder Jahren ein schlechtes Produkt "ausmerzen" durch den Ersatz gegen ein neues. In der Automobilindustrie Dauer das schon mindestens 5-7 Jahre (Produktzyklus). In der Flugzeugindustrie sprechen wir von > 30 Jahren, und dann kann dann durchaus auch existenzgewährend werden.

Und "verstehen" heisst: wie kann ich ein neues Produkt entwicklen bzw. weiterentwickeln und wie nicht? Und sowohl James McNerney noch James Albaugh (damaliger BCA-Chef) haben das damals richtig verstanden oder verstehen wollen, dass z.B. die 737NG technisch am Ende war. Weil Sie mit brachialer Gewalt bei der NarrowBody Ausschreibung 07/2011 von American Airlines Erfolg gegen die A320neo haben wollten (AA war bisher Bestandskunde), hat man sich zur 737MAX entschlossen, anstatt einer teureren, langer dauernden, aber zukunftweisenden Neuentwicklung. Hätte Boeing sich damals anders entschieden, hätte man den AA Auftrag zwar an Airbus verloren, aber man stände ganz allgemein heute wesentlich besser da als mit dieser alten Kiste - und man hättemit der richtigen Produktstrategie einen echten A321(X)LR-Alternative. Ergebnis war aber dann der extremer Zeitdruck, Einbau von "Workarounds" (MCAS ist nichts anderes als ein Workaround anstatt einer tragende Lösung in einem extrem sicherheitskritischen Bereich) und Ausnutzung der "Selbstzertifiziurngsmöglichkeiten" durch die Kumpanei mit der FAA. Und besagte Top-Manager haben sowohl das als auch die Outsourcing-Strategie der 787 zu verantworten.

Ja, trauriges Gesamtbild...

Statt aber QA im Laufe des Prozesses zu stärken, hat Boeing zumindest im MAX Programm nachweislich sogar Druck auf Mitarbeiter in der QA ausgeübt, das entstandenen Produkt trotz erkannter Mängel durchzuwinken.

ja, aber Quality Assurance alleine garantiert kein sicheres, gutes Produkt. Nur der Umkehrschluß ist richtig: Prozesse und QA sind notwenig, um die Grundlage für ein gutes Produkt zu legen, aber niemals hinreichend!

Ein sicheres schon, wenn auch vielleicht kein gutes :)


Lage Rede kurzer Sinn: das Thema Firmenkultur, Unternehmensstruktur und Produkt- sowie Marktkenntisse sind aus meiner Sicht elementar für richtige Prioritätensetzung und letztlich den daraus abzuleitenden Entscheidungen, auch bzgl. Outsourcing. Aber es gibt hier nicht pauschal die eine Philosophie, die für alle Branchen, Unternehmen und Produkte gleichermassen funktioniert. Hier muss braucht es schon eine Differenzierung.

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