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"CO2-Entnahmen sind eine Notwendigkeit"

DACCS-Anlage
DACCS-Anlage, © Carbon Engineering

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TOULOUSE - Viel zu viel CO2 gelangt Jahr für Jahr in die Atmosphäre. Kein Weg führt daran vorbei, Teile davon wieder herauszuholen. Forscher haben eine Bestandsaufnahme zu geeigneten Methoden gemacht - und stellen enorme Lücken fest. Die Technologie birgt nach Einschätzung von Airbus viel Potenzial.

Unentwegt pustet die Menschheit klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre - und heizt damit den Planeten auf. Dass die Emissionen zur Eindämmung der Klimakrise sinken müssen, ist weitgehend Konsens.

Doch lässt sich das schädliche Klimagas auch effektiv wieder aus der Atmosphäre holen? Ein aktueller Bericht bescheinigt der Staatengemeinschaft enormen Aufholbedarf.

"CO2-Entnahmen sind eine Notwendigkeit. Sie werden nicht vom Himmel fallen, wir müssen uns darum kümmern", sagte Jan Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), einer der Studienautoren, in einem Online-Briefing vor Journalisten.

Gemeinsam mit anderen Klimaforschern aus Deutschland, Großbritannien und den USA veröffentlichte Minx am Donnerstag eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme dazu, inwieweit Methoden der Entnahme von klimaschädlichem CO2 aus der Atmosphäre bereits angewendet werden und wie sie genutzt werden müssten, um die internationalen Klimaziele zu erreichen.

Der Bericht ist nach Angaben des Teams der erste umfassende seiner Art und soll der Auftakt einer Serie sein.

Das zentrale Fazit: Obwohl die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre unabdingbar für die Einhaltung der Pariser Ziele ist, sehen Staaten in ihren Klimaschutzplänen die Weiterentwicklung neuartiger Formen kaum bis gar nicht vor. Zwar werde auch heute schon CO2 aus der Atmosphäre entnommen, allerdings fast ausschließlich durch konventionelle Methoden wie Aufforstung.

Davon unterscheiden die Wissenschaftler neuartige Methoden wie direkte CO2-Entnahme aus der Luft mit anschließender Speicherung (DACCS) oder Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS). Dabei wird - ganz grob gesagt - Energie aus Pflanzen gewonnen und das dabei entstehende CO2 anschließend gespeichert.

Da die Pflanzen immer wieder nachwachsen, können sie auf diese Weise der Atmosphäre CO2 entziehen. Ohne diese neuartigen Methoden gehe es nicht, so die Einschätzung der Autoren des Berichts.

Aktuell werden mit den neuartigen Methoden dem Bericht zufolge gerade einmal 0,002 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 pro Jahr gebunden. Zur Erreichung der Klimaziele müsste - über verschiedene Szenarien gemittelt - bis 2030 30 Mal so viel entnommen werden, bis Mitte des Jahrhunderts sogar 1.300 Mal so viel.

"Da stehen wir wirklich noch total am Anfang, wir stehen fast noch bei Null", so Experte Minx. Zum Vergleich: Schätzungen zufolge betrug der globale CO2-Ausstoß im Jahr 2022 40,6 Gigatonnen.

Airbus investiert in DACCS-Spezialisten

Das Thema CO2-Entnahme hat auch die Luftfahrt auf dem Radar. Airbus hat sich im November 2022 am kanadischen DACCS-Spezialisten Carbon Engineering beteiligt. Die Firma zieht im texanischen Permian-Becken mit ihrem US-Lizenznehmer 1Point5 bis 2024 eine industrielle CO2-Entnahmeanlage hoch.

Die Technologie ist schnell erklärt. Ein überdimensionaler Ventilator saugt Umgebungsluft ein. Die Luft strömt über dünne Kunststoffflächen, über die eine ungiftige Kaliumhydroxidlösung fließt, um die CO2-Moleküle als Karbonatsalz zu binden.

Durch Erhitzen der Pallets wird das CO2 später als reines Gas freigesetzt - und in tiefe saline Formationen rund einen Kilometer unter dem Erdboden gepresst. Dort kann das CO2 sicher eingelagert und für eine industrielle Verwendung, etwa zur Herstellung alternative Kraftstoffe, wieder kontrolliert entnommen werden.

Die Anlage in den USA wird nach diesem Prinzip laut Airbus bei vollem Betrieb pro Jahr immerhin eine Million Tonnen CO2 aus der Luft lösen und einspeichern - das entspricht der Aufnahmekapazität von rund 40 Millionen Bäumen.

Die Wissenschaftler warnen davor allerdings, die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre als Alternative zu ambitioniertem Klimaschutz zu sehen. Eine rasche und tiefgreifende Verringerung der Emissionen sei dringend notwendig. "Es geht nicht um Entweder-oder. Wir brauchen beides", sagte Mitautor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

In allen realistischen Szenarien, die zur Erreichung der Pariser Klimaziele vorlägen, sei die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre eingeplant. Hier klaffe jedoch eine große Lücke zwischen dem Ziel und dem aktuellen Stand dessen, was die Länder umsetzen oder konkret planen.

Die Weltgemeinschaft hatte in Paris vereinbart, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau deutlich unter zwei Grad zu halten, möglichst aber bereits bei 1,5 Grad zu stoppen. Damit sollen die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte mit unumkehrbaren Konsequenzen vermieden und die katastrophalsten Folgen des Klimawandels abgewendet werden. Dafür sind die bislang geplanten Maßnahmen der Staaten jedoch längst nicht ambitioniert genug.

Kein Land lege mit seinen nationalen Klimazielen einen Plan vor, wie neuartige Entnahmemethoden bis 2030 skaliert werden sollen, heißt es im Bericht. Selbst bei den langfristigeren Klimazielen bis 2050 werde dies bislang kaum eingeplant.

Staaten haben Entnahmen bereits eingepreist

Gleichzeitig weisen die Forscher darauf hin, dass jedes Land oder Unternehmen, dass sich ein Netto-Null-Emissionsziel - allgemeinhin als Klimaneutralität bezeichnet - gesetzt habe, die Entnahme von CO2 bereits mit eingepreist habe. Denn es werde immer Rest-Emissionen geben, die ausgeglichen werden müssten.

Politik und Wissenschaft müssten daher klären, welche Methoden sie zur CO2-Entnahme einsetzen wollten, in welchem Ausmaß diese genutzt werden und wer das bezahlen solle. "Wer darauf keine Antwort hat, dessen Netto-Null-Ziel kann man eigentlich nicht richtig ernst nehmen", so Experte Geden.

Die kommenden Jahre sind laut den Autoren entscheidend dafür, neuartige Methoden zur CO2-Entnahme weiterzuentwickeln und politische Rahmenbedingungen für ihre Skalierung zu schaffen. Nur wenn dies geschehe, sei es realistisch, dass sie wie benötigt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in großem Maßstab zum Einsatz kämen.

Ob dies geschehe, hänge auch von der öffentlichen Wahrnehmung des Themas ab, betonte Christine Merk vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, die den Bericht begutachtet hat. Ausschlaggebend dafür sei auch, wer wie über das Thema diskutiere, etwa in der Politik. "Bislang wird das so wenig diskutiert, dass es in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist und nicht differenziert betrachtet wird."

Tendenziell sei die Zustimmung zu konventionellen, natürlichen Methoden wie der Aufforstung höher als zu unbekannteren Entnahme-Methoden. Doch die konventionellen Maßnahmen haben ihre Grenzen: So könnten steigende Temperaturen auch Bäumen zusetzen, das mache sie als verlässliche CO2-Speicher anfälliger, merkte Experte Geden an.
© dpa-AFX | Abb.: Carbon Engineering | 21.01.2023 08:48

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Beitrag vom 24.01.2023 - 00:46 Uhr
Klimawandel hat es schon mal gegeben.
Neu ist nur die Geschwindigkeit, mit der der Klimawandel vonstatten geht. Wenn die Vegetation sich nicht entsprechend anpassen kann, dann wird es noch schwieriger für die Menschheit, sich an die neue Gegebenheit anpassen.
Die Fichten in den Mittelgebirgen sterben in 4 oder 5 Jahren. Es wird aber mehr als 5 Jahre dauern bis sich ein stabiler Ersatz etabliert hast.
Beitrag vom 23.01.2023 - 23:17 Uhr
Ok, solche "Witze" sollte man ausserhalb bestimmter Telegrammgruppen schon entsprechend kennzeichnen.
Ist Ihrer eigenen Gehinrwäsche eventuell entgangen, dass die Würm-Eiszeit erst vor etwa 10.000 Jahren endete?
Der Permafrost-Bereich ging damals runter bis Norditalien.
Natürlich war Nordafrika auch vor 8000 Jahren noch feuchter als heute, einfach weil es noch deutlich kälter war, da sich natürlicher Klimawandel im Laufe von mehreren tausend Jahren abspielt - und nicht innerhalb von 150 Jahren.

Aber mal zum Vergleich:
Die Temperatur in der Kernzeit des Pleistozäns lag im Schnitt 4,5°C unter der von 1850.
Das reichte für eine Vergletscherung der Nordhalbkugel bis an die Alpen und - wie Sie selbst bemerkt haben - für ein grünes Nordafrika.
Und jetzt überlegen wir mal kurz, was dann 4° über den den Temperaturen von heute bewirken werden...

Dieser Beitrag wurde am 24.01.2023 00:00 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 23.01.2023 - 21:03 Uhr
Leider haben Sie nicht aufmerksam gelesen, so wie der Mensch vor 9000 Jahren die grüne Sahara in eine Wüste verwandelt hat, kann er es wieder regnen lassen.

Nicht nur in grüner Gehirnwäsche leben, der Klimawandel vor 9000 Jahren kam nicht wegen eines fehlenden Tempolimits auf den nordafrikanischen Autobahnen, sondern wie immer durch natürliche Zyklen.


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