PARIS - Ein Airbus A320 steuert Paris CDG viel zu tief an. In letzter Sekunde starten die Piloten durch: 176 Insassen entgehen einem Aufschlag um 1,80 Meter. Ein neues Airbus-Feature soll solche Situationen künftig vermeiden: ALT-SM gleicht Barometer- und GPS-Höhendaten ab - und schlägt bei Abweichungen Alarm.
Paris, 23. Mai 2022: Norwegian Air hat Airhub Airlines mit Flug 4311 auf der Linie Stockholm - Paris beauftragt. Im Anflug auf CDG unterläuft dem Anfluglotsen ein folgenschwerer Versprecher: "Red Nose 4311, sinken Sie auf 5.000 Fuß, 1011, Anflug auf 27R."
1011 Hektopaskal - dieser Bodendruckwert ist falsch. Der korrekte Wert: 1001. Der Fehler hat fatale Auswirkungen: der Airbus zieht 260 Fuß tiefer durch den Anflugkorridor als vorgesehen - und kommt dem Boden so viel zu schnell viel zu nahe.
In der Anflugkontrolle löst die Höhenwarnung aus. Der Fluglotse fragt nach: "Red Nose 4311, wir haben einen Höhenalarm, alles in Ordnung bei Ihnen?"
CDG versteckt sich unter tiefen Wolken, langsam aber sollten die Landebahnlichter doch in Sicht sein? Die Piloten starten durch.
Angezeigter Höhenwert: 679 Fuß, tatsächliche Flughöhe 1,3 Kilometer vor der Pistenschwelle: 405 Fuß. Bevor die Triebwerke den Airbus wieder in eine sichere Höhe stemmen, sinkt das Flugzeug bis auf 6 Fuß ab - 1,80 Meter über Boden.
"Die Landung endete knapp in einem kontrollierten Flug ins Gelände (Controlled Flight into Terrain) bei einer Minimalhöhe von 6 Fuß", wird die französiche Flugunfallbehörde BEA später in ihrem Bericht festhalten.
Flug 4311, © Airbus Auch beim zweiten Anflug steuert die 9H-EMU mit falschem Bodendruck die Landebahn zunächst deutlich zu tief an. Nach Sichtung der zwischenzeitlich aktivierten Anflugbefeuerung korrigiert die Crew den Kurs und bringt den Airbus manuell zur Landung.
Neben der falschen Angabe des Bodendrucks rüffelt das BEA die Kommunikation - statt "alles in Ordnung?" hätte der Fluglotse die Crew laut Handbuch zu einem Check der Flughöhe anleiten und den korrekten Druckwert mitliefern müssen, in etwa so: "Terrain alert, check your altitude immediately, QNH 1001."
ALT-SMAirbus hat den Zwischenfall von Paris im Nachgang ebenfalls intensiv aufgearbeitet. Ein neues System könnte menschliche Kommunikations- und Übertragungsfehler in Zukunft glattbügeln.
ALT-SM erkennt "große (mehr als 4hPa) Diskrepanzen zwischen der QNH/QFE-Höhe und der GPS-Höhe", sagte Airbus-Sicherheitsmanager Nicolas Bardou aero.de. "Wenn der Schwellenwert überschritten wird, ertönt ein akustisches Warnsignal."
Das System ist seit 2019 zugelassen, 2024 erwartet Airbus die Zulassung einer erweiterten Version. Dann wird ALT-SM Piloten auch mit einem "gelb blinkenden QNH" visuell vor Abweichungen warnen.
© aero.de | Abb.: Airbus | 16.05.2023 05:31
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Beitrag vom 17.05.2023 - 12:00 Uhr
Wie verlässlich sind die GPS/Gallileo/..-Höhenangaben?
Oder war hier differential GPS gemeint? Gallileo sollte entsprechend genau sein.
Haben sich nicht nach derartigen Fehlern die Sprachgruppen geändert?
FIS in Frankreich hatte ich nur mit gutem Englisch erlebt. Der permanente Sprachwechsel in Paris mag
für die Lotsen eine zusätzliche - vielleicht unterschätzte - Belastung darstellen.
Beitrag vom 17.05.2023 - 10:05 Uhr
@Sven
Zumindest am FAF hätte die Madame per Radar sehen können, dass 9H die 274ft unter den 5000 war. Dazu wäre noch zu bemerken, dass 9H vermutlich den ganzen missed app ständig diese Unterschreitung hatte, welches Paris nicht übersehen konnte. Bei IFR gilt i.A. +-100ft als Toleranz, darüber hinaus gibt es eine Rüge, eine Gelegenheit QNH nochmal zu checken. Scheinbar kontrolliert keiner in Paris die präzise Einhaltung von Freigaben bzw. der published procedures. Was sagt der Bericht dazu ?
Dieser Beitrag wurde am 17.05.2023 10:07 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 17.05.2023 - 09:55 Uhr
Hallo allerseits!
Mein erster Beitrag mit dem ich mich hier kurz einklinken will:
Vive l‘aerospace francais sehe ich zwar auch so (sprich es sollten sich einige Dinge grundlegend ändern, unter Anderem dass nur auf Englisch gefunkt wird-man wird ja noch träumen dürfen…), aber hier der altbekannte Hinweis auf ICAO nach der sie auf französisch funken dürfen bis der Eifelturm Kopf steht.
Persönlich finde ich das Funken in der Nationalsprache in anderen Ländern viel gefährlicher, weil es zumeist gepaart ist mit großer (subjektiv empfundener) Unprofessionalität. Ein paar Beispiele:
Spanien, genauer Madrid und Barcelona (bei Gewitterlagen teilweise untragbar da auf spanisch ohne Punkt und Komma ausgiebig diskutiert wird, man kommt kaum in die Frequenz)
México, speziell México City, wie in Spanien nur noch gefährlicher, da immer Gewitterlage vorherrscht und die Berge doch recht hoch sind…
China
Russland
…
Soll kein whataboutism sein, ich möchte das Frankreich bashing nur etwas differenzieren. Ja es gibt dort Probleme; ich persönlich sehe aber in anderen Ländern ein sehr viel größeres Potential für Sicherheitsgewinn wenn konsequent englisch gesprochen werden würde.
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Oder war hier differential GPS gemeint? Gallileo sollte entsprechend genau sein.
Haben sich nicht nach derartigen Fehlern die Sprachgruppen geändert?
FIS in Frankreich hatte ich nur mit gutem Englisch erlebt. Der permanente Sprachwechsel in Paris mag
für die Lotsen eine zusätzliche - vielleicht unterschätzte - Belastung darstellen.
Zumindest am FAF hätte die Madame per Radar sehen können, dass 9H die 274ft unter den 5000 war. Dazu wäre noch zu bemerken, dass 9H vermutlich den ganzen missed app ständig diese Unterschreitung hatte, welches Paris nicht übersehen konnte. Bei IFR gilt i.A. +-100ft als Toleranz, darüber hinaus gibt es eine Rüge, eine Gelegenheit QNH nochmal zu checken. Scheinbar kontrolliert keiner in Paris die präzise Einhaltung von Freigaben bzw. der published procedures. Was sagt der Bericht dazu ?
Dieser Beitrag wurde am 17.05.2023 10:07 Uhr bearbeitet.
Mein erster Beitrag mit dem ich mich hier kurz einklinken will:
Vive l‘aerospace francais sehe ich zwar auch so (sprich es sollten sich einige Dinge grundlegend ändern, unter Anderem dass nur auf Englisch gefunkt wird-man wird ja noch träumen dürfen…), aber hier der altbekannte Hinweis auf ICAO nach der sie auf französisch funken dürfen bis der Eifelturm Kopf steht.
Persönlich finde ich das Funken in der Nationalsprache in anderen Ländern viel gefährlicher, weil es zumeist gepaart ist mit großer (subjektiv empfundener) Unprofessionalität. Ein paar Beispiele:
Spanien, genauer Madrid und Barcelona (bei Gewitterlagen teilweise untragbar da auf spanisch ohne Punkt und Komma ausgiebig diskutiert wird, man kommt kaum in die Frequenz)
México, speziell México City, wie in Spanien nur noch gefährlicher, da immer Gewitterlage vorherrscht und die Berge doch recht hoch sind…
China
Russland
…
Soll kein whataboutism sein, ich möchte das Frankreich bashing nur etwas differenzieren. Ja es gibt dort Probleme; ich persönlich sehe aber in anderen Ländern ein sehr viel größeres Potential für Sicherheitsgewinn wenn konsequent englisch gesprochen werden würde.