Irkut MS-21
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Russlands neuer Airliner schreibt Verluste bis 2035

Irkut MS-21
Irkut MS-21, © Irkut

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MOSKAU - Die Irkut MS-21 soll Russlands Standard-Passagierjet der Zukunft werden. Fieberhaft arbeiten Ingenieure im ganzen Land derzeit an der "Russifizierung" - im Jet steckt viel Technik aus dem Westen. Viel Geld wird das Programm aber vorerst nicht in die Kassen der Industrie spülen. Im Gegenteil.

Russlands Flugzeugbauer krempeln die MS-21 komplett auf links. Das im Ursprung sehr international angelegte Programm mit vielen Zulieferern aus dem Westen muss angesichts der neuen Weltlage möglichst russisch werden - und das möglichst sofort.

Der Austausch vielfältiger Komponenten, von Triebwerken und Avionik bis zur Isolierung der Kabine, ist eine Mammutaufgabe - müssen funktionsfähige, "russifizierte" Lieferketten doch vielfach erst aus dem Boden gestampft werden.

Dass dieses Riesenprojekt Unmengen an Geld verschlingt, liegt auf der Hand. Zumal die Zeit drängt, denn laut Plan sollen die letzten westlichen Elemente bis Ende 2024 aus der MS-21 verschwunden und durch einheimische Analoga ersetzt sein – was gelinde gesagt ziemlich ehrgeizig ist.

Andrej Klepach, Ökonom bei der russischen Bank für Außenwirtschaft (Wneschekonombank, WEB), beleuchtete kürzlich in einem Vortrag beim Eurasian Aerospace Congress in Moskau die finanzielle Seite des Projekts. Und die sieht - zumindest aus der nüchternen Sicht eines Controllers - ziemlich düster aus.

Klepach rechnete vor, die MS-21 werde "zum derzeit angegebenen Preis für dieses Flugzeug bis 2035 unrentabel sein". Alle Schätzungen zeigten, dass es für die Luftfahrtindustrie keine nennenswerten Einnahmen gebe, führte Klepach aus.

Airlines erhalten hohe Rabatte

Dies sei selbst dann der Fall, "wenn wir die Kosten um 30 Prozent reduzieren". Der ganze Luftfahrtsektor in Russland sei insgesamt gesehen "eine unwirtschaftliche Wirtschaft".

Unklar ist, mit welchem Stückpreis für die MS-21 Klepach bei seiner Rechnung kalkulierte. Den offiziellen Listenpreis für den Passagierjet gab Juri Sljusar, Chef der Flugzeugbau-Holding UAC, Ende 2021 mit 97 Millionen US-Dollar an. Das wären nach heutigem Umrechnungskurs knapp 88 Millionen Euro.

Diesen Preis dürfte aber kaum ein Abnehmer auch nur annähernd bezahlen. Die russische Nachrichtenagentur Tass schrieb im April dieses Jahres unter Berufung auf Insider, dass Kunden für eine MS-21 in der Praxis wohl nur drei Milliarden Rubel überweisen müssten - gegenwärtig etwas mehr als 30 Millionen Euro.

Dass der russische Staat das Airliner-Programm auf unterschiedlichen Ebenen massiv subventioniert, ist angesichts des Stellenwertes, den die MS-21 für Russland besitzt, keine Überraschung.

Viele Alternativen dazu gibt es schlichtweg nicht, angesichts der Tatsache, dass man in kurzer Zeit aufholen möchte, was man hinsichtlich der heimischen Luftfahrtindustrie in den drei Jahrzehnten, die seit dem Zusammenbruch der UdSSR ins Land zogen, verloren hat.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: UAC | 29.07.2023 07:04

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Beitrag vom 31.07.2023 - 16:28 Uhr
Die Russen haben sich schon einmal "totgerüstet". Damals mussten sie viele Waffen und Waffensysteme neu entwickeln und hestellen. Es gab jedoch keine grösseren kriegerische Auseinandersetzungen.

Historisch korrekt ist:
wurden in eine Rüstungsspirale getrieben (R.Reagan's Weltraumkriegspläne + entsprechende Aufrüstung dazu) und daran sind die SU und ihre Vasallen letztendlich zugrunde gegangen.

Jetzt haben die Russen weniger Kapazitäten. Zusätzlich ist auch der zivile Sektor betroffen.

Da wäre ich nicht so sicher. Die haben immer noch enorme Ressourcen, insbesondere auf dem Rohstoffsektor, damit lässt sich Geld machen und mit Geld finden sich immer Wege.
Siehe Nordkorea: eigentlich bettelarm aber mir einer der modernsten Raketentechnik, die es in sich hat.


Wenn man schon früher nicht auf Wirtschaftlichkeit achtete, wird es nun nur noch kritischer.

In einer "Planwirtschaft" spielt das keine Rolle.

Die MA sind zwar kostengünstig, aber nicht in genügender Zahl verfügbar.

Das wissen Sie woher?


Wie ich schon schrieb:
es wäre m.E. ein großer Fehler, die Russen zu unterschätzen.
Beitrag vom 31.07.2023 - 11:15 Uhr
Die Russen haben sich schon einmal "totgerüstet". Damals mussten sie viele Waffen und Waffensysteme neu entwickeln und hestellen. Es gab jedoch keine grösseren kriegerische Auseinandersetzungen.

Jetzt haben die Russen weniger Kapazitäten. Zusätzlich ist auch der zivile Sektor betroffen.
Wenn man schon früher nicht auf Wirtschaftlichkeit achtete, wird es nun nur noch kritischer.
Die MA sind zwar kostengünstig, aber nicht in genügender Zahl verfügbar.




Dieser Beitrag wurde am 31.07.2023 11:19 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 31.07.2023 - 09:45 Uhr
Hey Kollegen,

die russische Luftfahrtindustrie hat ja selbst in den letzten friedlichen Jahrzehnten, in denen westliches KnowHow zur Verfügung stand, kein nennenswert international konkurrenzfähiges Flugzeug in ausreichender Stückzahl, pünktlich, zuverlässig im Betrieb und mit ausreichend Support in der Welt für die Fluggesellschaften in die Luft bekommen.
Ich sehe schon von daher, den Zeitplan der „Russifizierung“
als nicht haltbar an. Und Gewinn schreiben ist jetzt vielleicht für den Augenblick nicht das Wichtigste, aber längerfristig braucht man schon irgendwie einen Überschuss, um weitere Themen zu finanzieren. Support, hochfahren der Produktion, Erstzteilvorräte anlegen, Engineering Unterstützung für die Betreiber usw.. Ein weiteres Thema dürfte die Zulassung mit soviel neuen Komponenten sein, im eigenen Land vielleicht einfacher machbar. Aber bestimmt will man ja auch ausländische Flughäfen ansteuern. Da bin ich nicht so informiert, aber evtl. benötige ich ja dann auch von der jeweiligen Behörde eine Zulassung.
VG


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