Vom Vier- zum Zweistrahler
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So stellt sich Russland die Iljuschin Il-96neo vor

Iljuschin Il-96-400M
Iljuschin Il-96-400M, © UAC

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ULJANOWSK - Mit vier Motoren war Russlands größter Airliner ein Flop - die Iljuschin Il-96 blieb stets eine Randerscheinung. Modernisiert zum Zweistrahler, sieht Staatskonzern Rostec dagegen eine neue Chance für die Il-96. Allerdings mit Einschränkung - denn der Absatzmarkt ist ziemlich begrenzt.

Der neueste Spross der kleinen Il-96-Familie ist noch immer nicht geflogen - und technisch dennoch schon veraltet. Denn die Iljuschin Il-96-400M, die im Juli, nach schier endlos langer Bauzeit, in Uljanowsk ihr Roll-out feierte, besitzt zwar (geringfügig) bessere Triebwerke als die Standardversion Il-96-300.

Doch noch immer sind es deren vier, und nicht zwei, wie heute für Großraum-Airliner üblich. Man mag diesen Anachronismus irgendwie sympathisch finden, besonders zukunftstauglich ist er nicht. Und das weiß man in Russland auch.

Gleichzeitig ist das Schicksal des mit China geplanten Twinjets CRAIC CR929 mehr als unklar, nachdem die Russen sich bei dem Projekt in die zweite Reihe zurückziehen und nur noch als Zulieferer fungieren möchten.

Immer wieder spekulierten deshalb diverse Vertreter aus Politik und Industrie in Russland über einen möglichen Umbau der Il-96 zum Zweistrahler. Ein passendes Triebwerk für eine solche "Il-96neo" wäre mit dem Awiadwigatel PD-35 gerade in Entwicklung. Dass die Serienreife des Groß-Turbofans nach aktuellem Stand frühestens 2029 erwartet wird, stört in dem Zusammenhang nicht besonders.

Schließlich ginge die Modifikation zum Twinjet auch bei der Il-96 wohl nicht ohne zeitintensive Eingriffe ins Design vonstatten. So müssten vermutlch die Tragflächen entsprechend umgestaltet werden, um die neuen Triebwerke aufzunehmen. Denkbar wären theoretisch sogar Flügel aus Kohlefaser, so wie sie bei der (deutlich kleineren) Jakowlew MS-21 zum Einsatz kommen.

In einem Gespräch mit der russischen Tageszeitung Iswestija, veröffentlicht am 12. Oktober, heizt Rostec-Generaldirektor Sergei Tschemesow die Spekulationen um eine zweistrahlige Il-96 erneut an. Das Thema stehe weiter "auf der Tagesordnung", unterstrich Tschemesow.

Allerdings plane man derzeit keinen Serienbau in großem Stil, sondern fasse eher kleinere Auflagen für die russische Regierungsfliegerei sowie für den Frachttransport ins Auge.

Ob es dabei primär um den Bau neuer Flugzeuge geht, oder eher um die Umrüstung gebrauchter Il-96, sagte der Rostec-Chef nicht. Allerdings betonte Chemesow gegenüber Iswestija, dass die vierstrahlige Il-96 im Betrieb auf Dauer "nicht effizient genug" sei - nicht einmal als Frachter.

Größer und stärker

Das speziell für die CRAIC CR929 entworfene Triebwerk PD-35 soll, wenn es einmal fertig ist, rund 340 Kilonewton Schub liefern. Das wäre mehr als das Doppelte dessen, was eines der PS-90A-Triebwerke leistet, die gegenwärtig bei der Il-96-300 zum Einsatz kommen. Das PS-90A bringt es auf maximal 160 kN Schub.

Die weiterentwickelte Version PS-90A1 für die Il-96-400M schafft mit 171 kN ein wenig mehr. Mit einem geplanten Fandurchmesser von über drei Metern wäre das PD-35 außerdem deutlich größer als das PS-90A, dessen Bläserdurchmesser bei lediglich 1,90 Metern liegt.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: UAC | 29.10.2023 06:33

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Beitrag vom 31.10.2023 - 23:44 Uhr
Wenn man den Text liest bekommt man den Eindruck, dass Russland versucht aus einem A340-200 mit CFM Triebwerken einen A330ceo mit Trent Triebwerken zu bauen.

Ja, so ein Bild hatte ich auch etwa im Kopf.
Bekommt dann dieses Modell aber nicht auch das Problem, dass die größeren Durchmesser der Triebwerke und deren höheres Einzelgewicht weitere Modifikationen, minimal am Fahrwerk und an der tragenden Struktur der Tragflächen und des Rumpfs nach sich ziehen?

Dazu aus dem Text:

"Schließlich ginge die Modifikation zum Twinjet auch bei der Il-96 wohl nicht ohne zeitintensive Eingriffe ins Design vonstatten. So müssten vermutlch die Tragflächen entsprechend umgestaltet werden, um die neuen Triebwerke aufzunehmen

Mein Einwand: Die Modifikationen betreffen nicht nur die Tragflächen sondern mindestens auch die anderen genannten Komponenten...

Dass also eh ein weitgehend neues Flugzeug aus so einer "Modifkation" rauskommen müsste?
Ist es dann überhaupt noch ein Vorteil, auf einem existierenden Modell, das mit ganz anderen Parametern und Rahmenbedingungen geplant wurde, aufzusetzen?

Es geht ja eher nicht um Vorteile, sondern um Ersatz. Das der - wenn denn überhaupt möglich - nicht mit heutigen Standards mithalten kann, dürfte klar sein.

Darum ging es mir bei der Diskussion um Modifikation/Neu nicht.
Laut der Meldung soll das vorhandene Modell modifiziert werden, was impliziert, dass man sich von einer Modifikation eines bestehenden Modells Vorteile verspricht.
Meine Frage war jetzt, ob es bei einer derartig grundlegenden Modifikation der Entwurf eines komplett neuen Modelles, ein clean sheet design, nicht einfacher wäre als den ganzen Design-Ballast seit den 80ern mitzschleppen.

Ich verstehe was Sie meinen.

Das wäre dann eher so eine Art "B737max" - nur in Groß... .

Die genannten Triebwerke sind ja mit einem Durchmesser von über 3 m schon etwas größer, als die jetzigen mit 1,90m. Allerdings, wenn man die IL96 von vorn (im Stand) betrachtet, dürfte noch genug Abstand zwischen Flügelunterkante und Boden sein. Die größeren Dinger dürften also drunter passen.
Allerdings, was die Statik betrifft, müsste der Flügel sicher verändert werden.

Naja, erstmal sind das ja alles nur Ankündigungen, ob die realisiert werden ist doch sehr ungewiss.

Beitrag vom 31.10.2023 - 15:16 Uhr
Wenn man den Text liest bekommt man den Eindruck, dass Russland versucht aus einem A340-200 mit CFM Triebwerken einen A330ceo mit Trent Triebwerken zu bauen.

Ja, so ein Bild hatte ich auch etwa im Kopf.
Bekommt dann dieses Modell aber nicht auch das Problem, dass die größeren Durchmesser der Triebwerke und deren höheres Einzelgewicht weitere Modifikationen, minimal am Fahrwerk und an der tragenden Struktur der Tragflächen und des Rumpfs nach sich ziehen?

Dazu aus dem Text:

"Schließlich ginge die Modifikation zum Twinjet auch bei der Il-96 wohl nicht ohne zeitintensive Eingriffe ins Design vonstatten. So müssten vermutlch die Tragflächen entsprechend umgestaltet werden, um die neuen Triebwerke aufzunehmen

Mein Einwand: Die Modifikationen betreffen nicht nur die Tragflächen sondern mindestens auch die anderen genannten Komponenten...

Dass also eh ein weitgehend neues Flugzeug aus so einer "Modifkation" rauskommen müsste?
Ist es dann überhaupt noch ein Vorteil, auf einem existierenden Modell, das mit ganz anderen Parametern und Rahmenbedingungen geplant wurde, aufzusetzen?

Es geht ja eher nicht um Vorteile, sondern um Ersatz. Das der - wenn denn überhaupt möglich - nicht mit heutigen Standards mithalten kann, dürfte klar sein.

Darum ging es mir bei der Diskussion um Modifikation/Neu nicht.
Laut der Meldung soll das vorhandene Modell modifiziert werden, was impliziert, dass man sich von einer Modifikation eines bestehenden Modells Vorteile verspricht.
Meine Frage war jetzt, ob es bei einer derartig grundlegenden Modifikation der Entwurf eines komplett neuen Modelles, ein clean sheet design, nicht einfacher wäre als den ganzen Design-Ballast seit den 80ern mitzschleppen.


Dieser Beitrag wurde am 31.10.2023 15:43 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 31.10.2023 - 02:42 Uhr
Das PD-35 dürfte erst einmal für die C929 gebraucht werden. Damit kann der russische Hersteller Geld verdienen welches er benötigt um sein weltweites Supportnetz aufzubauen. Vor 2028 dürfte es das Triebwerk nicht wirklich Serienreif geben. Um 2032 könnte ein An-124 Nachfolger in Russland anlaufen wofür sicherlich das PD-35 heran gezogen werden dürfte. Das hier eine IL-96 mit zwei PD-35 daher kommt können wir als weit weg betrachten. Dieses Flugzeug bekommt eher 4x das PD-14. Damit senkt es den Verbrauch und/oder die Reichweite steigt ohne große Änderungen vornehmen zu müssen. Zumal es auch eher militärisch weiter gebaut werden dürfte in geringer Anzahl. Die Umrüstung auf PD-14M dürfte ähnlich erfolgen wie bei IL-76 und TU-214.

Ein russisches MS31 Flugzeug in der A330Neo Klasse sollte auch ähnlich der MS21 neu aufgelegt werden. Irgendwann ab 2035. Schon alleine um diese Fähigkeit für seine jungen Nachwuchskräfte abbilden zu können.

Alles heute dient nur den Fähigkeitserhalt. Das was zuverlässig funktioniert wird gebaut. Das PS-90A wird mittlerweile um die 150 Mal, Tendenz steigend, neu gebaut in Russland pro Jahr. Vorwiegend für Gazprom. Genau hierfür dürfte auch Modifikationen für das PD-14/35 auch gewünscht sein. Auch der militärische Schiffbau möchte hier gerne zuverlässige eigene Triebwerke.

Was immer berichtet wird und was wirklich Russland will und macht sind zwei paar Schuhe. Es sind meist alles Staatliche oder teils Staatliche Unternehmen. Die kämpfen ganz normal um Budgets und damit um mehr Anteile am Haushalt für ihre Projekte. Daher solche Aussagen nicht immer gleich ernst nehmen und darüber lachen. Die wissen ganz genau was geht und was nicht.

Dieser Beitrag wurde am 31.10.2023 02:43 Uhr bearbeitet.


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