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Was hinter dem Management-Umbau bei Lufthansa steckt

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Lufthansa, © Lufthansa

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FRANKFURT - So viel Umbau gab es noch nie im Lufthansa-Konzern: Gleich vier von sechs Vorstandmitgliedern sollen in den kommenden Monaten gehen, der Vorstand wird um einen Posten verkleinert, und nach einem neuen Finanzchef oder einer neuen Chefin wird erst noch gesucht.

Das klingt nach Mega-Krise bei Europas umsatzstärkster Airline-Gruppe, ist aber letztlich aus ökonomischen Umständen und persönlichen Entscheidungen erklärbar. Denn geschäftlich geht es dem Kranich-Konzern nach überwundener Corona-Krise so gut wie lange nicht.

Hohe Ticketpreise und ausgebuchte Flugzeuge haben dazu geführt, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr am 7. März erneut einer der höchsten Gewinne in der Unternehmensgeschichte präsentieren kann.

Der Aufsichtsrat unter Führung des einstigen Lufthansa-Finanzchefs Karl-Ludwig Kley hat beim Vorstandsumbau den klaren Schnitt gewählt, statt die vier scheidenden Manager im Monatstakt zu verabschieden. Überraschend kam vor allem der Abschied des erst vor drei Jahren aus der Schweiz angeheuerten und fachlich unangefochtenen Finanzchefs Remco Steenbergen, den es dem Vernehmen nach zu einem anderen, höher bezahlten Job zieht.

Turnusgemäß enden hingegen Ende Juni die Amtszeiten des Lufthansa-Urgesteins Harry Hohmeister, bislang zuständig für "Globale Märkte und Netzmanagement", und des früheren McKinsey-Beraters Detlef Kayser, Vorstand für "Flotte und Technologie".

Beide sind nah an der Altersgrenze von 60 Jahren, über der nach ungeschriebenen Konzern-Usancen eigentlich kein Vorstandsmitglied mehr tätig sein soll.

Dass mit Christina Foerster auch die einzige Frau des Gremiums "im beiderseitigen Einvernehmen" geht, dürfte mit den gehäuften Negativ-Erfahrungen der Kunden auf Lufthansa-Flügen zu tun haben. Die von ihr verantwortete "Customer Experience" wurde während und nach der Corona-Krise auf harte Belastungsproben gestellt - durch dauerbesetzte Hotlines, Flugausfälle, veraltete Kabinenausstattung und IT-Schwierigkeiten.

Foerster sei zwar nicht allein für das Service-Desaster verantwortlich, habe es aber auch nicht geschafft, entsprechende Kompetenzen an sich zu ziehen, sagen Lufthansa-Insider. In Sachen Nachhaltigkeit hat die Managerin mit den "Green Fares" hingegen die branchenweit beachteten Umwelttickets geliefert.

Bereits begonnen hat die Suche nach einem neuen Finanzchef, denn Steenbergen geht bereits zum 7. Mai. Kommissarisch übernimmt Personalvorstand Michael Niggemann die Finanzen, der als einziger neben Spohr im Konzern-Vorstand bleibt.

Bis dahin gehört es zu den vordringlichen Aufgaben des 49 Jahre alten Juristen, die zahlreichen Tarifkonflikte im Konzern und die damit verbundene Dauer-Streikgefahr abzuräumen. Am Donnerstag ist mit der eingeleiteten Urabstimmung der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo eine weitere Baustelle hinzugekommen.

Als neue Vorstandmitglieder mit viel internationaler Erfahrung benannte der Aufsichtsrat den Chef der Muster-Tochter Swiss, Dieter Vranckx, sowie die frühere Airbus-und Rolls-Royce-Managerin Grazia Vittadini. Die Luftfahrt-Ingenieurin gilt als Vertraute des aufstrebenden Lufthansa-Aufsichtsrats Tom Enders und soll als Technikchefin das Ressort "Technik und IT" übernehmen.

Ihre Aufgabe zur Harmonisierung der konzernweiten IT gilt wegen der zahlreichen unterschiedlichen Systeme als "Höllenjob", der mit der geplanten, aber bislang nicht von der EU genehmigten Übernahme der italienischen ITA noch ein Stückchen komplizierter werden dürfte.

Wink des Aufsichtsrats

Der Aufsichtsrat fordert für die Zukunft erstaunlich offen von seinem Spitzenpersonal mehr Zusammenarbeit und Harmonie ein: "Die Interaktion mit unseren Kunden, Investoren, Partnern, aber auch die Zusammenarbeit innerhalb der Lufthansa Gruppe verlangen mehr denn je ein ausgeprägtes Teamverständnis."

Das dürfte dann auch an die Adresse von Konzernchef Spohr gehen, der noch einen Vertrag bis 2028 hat und bis dahin einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aufbauen soll.
© dpa-AFX | Abb.: Lufthansa | 23.02.2024 14:29

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Beitrag vom 25.02.2024 - 20:22 Uhr
 https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/lufthansa-vorstandsumbau-eine-gelbe-karte-fuer-spohr/29672798.html

Verunsichert hat viele vor allem der Abschied von Finanzchef Steenbergen. Offiziell geht der Niederländer, weil er ein besseres Angebot erhalten hat. Doch einer, der ihn kennt, will neben dem vergleichsweise niedrigen Gehalt vor allem Zeichen der Frustration ausgemacht haben. Steenbergen wollte demnach eine Beteiligung von Investoren an der Wartungstochter Technik und war mehr oder weniger gegen einen Einstieg bei der kränkelnden italienischen Staatslinie Ita. „Doch obwohl er Investoren und Kley auf seiner Seite hatte, konnte er sich gegen Spohr nicht durchsetzen – und ging“, so ein Insider.

Das klingt doch schon anders. Aber er ist nicht der einzige, der sich an Spohr die Zähne ausgebissen hat.

Kaum weniger überraschend als die Neurungen war für viele die Art der Umsetzung. Denn den mit Abstand größten Führungsumbau der Lufthansa beschloss der Aufsichtsrat in einer kurzen außerordentlichen Online-Sitzung, statt wie angekündigt auf der nächsten regulären Sitzung Anfang März. Wie Teilnehmer berichten, lud Kley zum Termin mit kaum einem Tag Vorlauf ein. Die Aufseher bekamen aus ihrer Sicht vorab weder nennenswerte Details noch die üblichen Unterlagen. Und während der nicht einmal anderthalb Stunden gab es vor allem Vorträge von Kley statt einer Diskussion über Grund und Art des Umbaus, nicht zuletzt, weil Spohr offenbar baldmöglichst seine intern Top 200 genannten obersten Führungskräfte informieren wollte. „Die Aufseher konnten praktisch alles nur abnicken“, heißt es in Kreisen des Gremiums. Ein anderer Insider ätzt gar, manche Mitglieder fühlten sich „ein wenig wie auf dem Nationalen Volkskongress in China – nur ohne Teetassen“.

Ob das von Kley und Spohr gewählte Verfahren dies verhindert und die Veränderung der Lufthansa beschleunigt, bleibt jedoch offen. Denn zum einen sorgt der unerwartete Umbau allein von seinem Umfang her für Unruhe. Jeder im Konzern wisse, dass es Änderungen geben müsse, so ein Belegschaftsvertreter. „Doch was unserer Seite während und nach der Sitzung vorgestellt wurde, wirkte schwer verständlich und wo es einigermaßen klar war, nicht schlüssig.“

So zeigte Kley eine neue Verteilung der Verantwortung für die künftig – wahrscheinlich – fünf Vorstände. In dem Organigramm fanden sich unter jedem der Ämter bis zu einem Dutzend Bereiche, berichtet einer, der das Dokument kennt. Doch die Trennung ist nicht ganz klar. Offenbar sind weiterhin mindestens drei Vorstände für die Fluglinien zuständig. In der Aufgabenliste wirkten Servicequalität und die Bedürfnisse der Kunden eher wie Nebensachen, so der Insider. „Ein stringenter, intuitiv plausibler Aufgabenzuschnitt sieht anders aus“, ätzt ein Arbeitnehmervertreter.

Joa...das spricht irgendwie Bände. Der AR wurde von Kley und Spohr überrumpelt und hatte kaum eine andere Wahl bekommen. Überzeugend wirkt das auf mich alles nicht...

Dieser Beitrag wurde am 25.02.2024 20:30 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 23.02.2024 - 19:11 Uhr
Na, das klingt ja auf einmal alles ganz logisch... aber gut, dass wir hier so viele Experten haben mit den wildesten Theorien....

Nachdem das der allererste Beitrag dieses Threads war muß wohl einer seine Glaskugel aufpoliert haben.
Beitrag vom 23.02.2024 - 17:32 Uhr
Davon abgesehen, dass das nur kurzfristig so wäre, haben Manager in der Regel per Arbeitsvertrag Klauseln, dass sie nicht streiken dürfen (oder es ihnen nur unter sehr wenigen Ausnahmen zugestanden wird).


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