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Allein MTU hat dafür rund eine Milliarde Euro zurückgelegt. Den Partner verklagen will MTU-Chef Lars Wagner jedoch nicht. Und im Tagesgeschäft bleibt der Münchner Konzern auch 2024 auf Rekordkurs.
Bei der Bilanzvorlage bezeichnete Wagner 2023 als "ein Jahr der Gegensätze für die MTU". Die Belastungen durch den Triebwerksrückruf rissen das Unternehmen zum ersten Mal in seiner 90-jährigen Geschichte in die roten Zahlen. Ohne die Sonderbelastung hätte der Vorstand Rekordwerte verkünden können, wie der Konzern am Donnerstag in München mitteilte.
An der Börse pendelte die Aktie bis zur Mittagszeit zwischen Gewinn- und Verlustzone. Anschließend legte sie jedoch um mehr als zwei Prozent zu und war damit einer der besten Werte im Dax. Im bisherigen Jahresverlauf gehört das Papier mit einem Plus von über 14 Prozent ebenfalls zu den Gewinnern im deutschen Leitindex. 2023 hatte es mit einem Abschlag von etwas mehr als vier Prozent zu den wenigen Verlierern im Dax gehört.
Vergangene Woche hatte die Aktie nach einer überraschenden Ankündigung einer Dividendenkürzung zwischenzeitlich merklich Federn gelassen - diese Delle ist inzwischen wieder ausgemerzt. Für 2023 sollen die Anteilseigner angesichts der hohen Sonderkosten eine Dividende von nur 2 Euro je Aktie erhalten.
Für 2022 hatte MTU noch 3,20 Euro ausgeschüttet. Finanzvorstand Peter Kameritsch erklärte die Kürzung mit einer Abwägung zwischen den Interessen der Anteilseigner und den Investitionen in neue Standorte und die Entwicklung von Techniken für Triebwerke der nächsten Generation.
Unter dem Strich stand bei MTU im vergangenen Jahr letztlich ein Fehlbetrag von 97 Millionen Euro, nachdem der Konzern im Vorjahr noch einen Gewinn von 333 Millionen erzielt hatte. Vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag das Minus bei 161 Millionen Euro. Rechnet man Sondereffekte und damit vor allem den Triebwerksrückruf heraus, hätte MTU vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) einen Gewinn von 818 Millionen Euro erzielt - und damit gut 60 Millionen mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019 kurz vor der Corona-Pandemie.
Die zusätzlichen Inspektionen und Reparaturen betreffen ausgerechnet den sogenannten Getriebefan-Antrieb, den Pratt & Whitney zusammen mit MTU und Japanese Aero Engines baut. Dieser treibt etwa jedes zweite Exemplar des Airbus-Verkaufsschlagers A320neo an. Die Modellfamilie einschließlich der Langversion A321neo ist die meistgefragte Flugzeugreihe der Welt.
Bisher waren die Triebwerkshersteller davon ausgegangen, dass wegen der Inspektionen im ersten Halbjahr 2024 weltweit bis zu 650 Airbus-Jets gleichzeitig am Boden bleiben müssen. Inzwischen hätten Fluggesellschaften jedoch Triebwerke mit kürzerer und längerer Restlaufzeit zwischen Flugzeugen getauscht, sagte Wagner. Deshalb müssten in der Spitze voraussichtlich nur 350 bis 400 Jets gleichzeitig außer Betrieb bleiben. Im Schnitt der Jahre 2024 bis 2026 sollen es jedoch weiterhin 350 Maschinen sein.
Der Mutterkonzern von Pratt & Whitney, der Luftfahrt- und Rüstungskonzern RTX, beziffert die gesamten Kosten des Rückrufs auf 6 bis 7 Milliarden US-Dollar. Den Löwenanteil trägt das US-Unternehmen selbst. Am teuersten schlagen die Entschädigungszahlungen an die Airlines zu Buche. Dafür seien mehr als 80 Prozent der Summen eingeplant, erklärte MTU-Manager Kameritsch.
MTU-Chef Wagner will auf dem Schaden nicht sitzen bleiben, denn das Münchner Unternehmen habe an dem Problem keine Schuld. Er verhandelt mit dem langjährigen Partner Pratt & Whitney deshalb über einen finanziellen Ausgleich. Eine Klage hält Wagner aus jetziger Sicht jedoch nicht für sinnvoll.
Tagesgeschäft im Aufwind
Unterdessen sieht der Manager sein Unternehmen im Tagesgeschäft weiter im Aufwind. Im laufenden Jahr soll der Umsatz auf 7,3 bis 7,5 Milliarden Euro wachsen. Das wäre mindestens rund eine Milliarde mehr als im vergangenen Jahr, wenn man die Umsatzbelastung durch den Triebwerksrückruf ausklammert.
Den stärksten Umsatzanstieg erwartet der Manager im Seriengeschäft mit neuen Triebwerken mit mindestens 20 Prozent. Aber auch im Ersatzteilgeschäft, in der Wartungssparte und im Militärgeschäft soll der Erlös um mehr als zehn Prozent steigen.
Vom Konzernerlös sollen im laufenden Jahr mehr als zwölf Prozent als operativer Gewinn vor Sondereffekten übrig bleiben. Das wären mindestens rund 880 Millionen Euro - und ein weiteres Rekordergebnis für MTU. Für 2025 rechnet Wagner weiterhin mit einem Umsatz von 8 Milliarden Euro. Der bereinigte operative Gewinn soll dann erstmals die Marke von 1 Milliarde Euro erreichen.
An Bestellungen fehlt es dem Konzern jedenfalls nicht: Der Auftragsbestand lag Ende 2023 bei 24,4 Milliarden Euro und damit gut 2 Milliarden höher als ein Jahr zuvor. "Rein rechnerisch entspricht das einer Auslastung von mehr als drei Jahren", sagte Wagner.
Der Manager erwartet auch nicht, beim A320neo wegen der jüngsten Mängel Marktanteile an das Konkurrenztriebwerk Leap von General Electric und Safran zu verlieren. Das fehlerhafte Metallpulver sei ein Problem der Vergangenheit - neue Triebwerke seien davon nicht betroffen. Wer heute einen Airbus A320neo bestelle, bekomme ihn ohnehin frühestens im Jahr 2030. Über den Triebwerkstyp müssten die Käufer daher erst in vier bis fünf Jahren entscheiden.
© dpa-AFX | Abb.: Airbus | 29.02.2024 08:17
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