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Minsk, 23. Mai 2021: Ryanair 4978 hat den Anflug auf Vilnius begonnen. Nur noch wenige Meilen trennen die 737-800 von der EU-Luftraumgrenze zu Litauen als die belarussische Flugsicherung den Flug nach Minsk umleitet.
"Sie haben eine Bombe an Bord", drängt der Lotse die Piloten. Die reagieren zunächst mit Skepsis - immerhin liegt der Zielflughafen Vilnius sehr viel näher als Minsk. Eine aufgestiegene MiG-29 verschafft der Aufforderung in der Luft Nachdruck - 30 Kilometer vor der Grenze dreht FR4978 nach Minsk ab.
Am Flughafen wird schnell klar, was der belarussische Geheimdienst mit dem Manöver eigentlich bezweckt: Sicherheitskräfte nehmen nach der erzwungenen Landung in Minsk den regimekritischen Blogger Raman Protassewitsch in Haft, der sich an Bord des Flugs aus Athen befand.
Drei Jahre später erhebt Polen Ankklage gegen drei Belarussen. Die Ermittler werfen ihnen die Übernahme der Kontrolle über ein Flugzeug, erzwungene Landung und Freiheitsberaubung vor, wie die Staatsanwaltschaft in Warschau mitteilte. Internationale Haftbefehle für die drei Männer, die sich nicht in Polen aufhalten, würden demnächst beantragt.
Protassewitsch ist Mitgründer des regimekritischen Telegram-Kanals Nexta, der die Opposition gegen Machthaber Alexander Lukaschenko unterstützt.
An Bord waren Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega. Beide wurden nach der Landung verhaftet und später zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Protassewitsch kam 2023 überraschend frei, Sapega wurde begnadigt.
Polens Ermittler werteten Flugdaten aus
Da das Flugzeug in Polen registriert ist, nahm die polnische Staatsanwaltschaft Ermittlungen in dem Fall auf. "Im Laufe der Ermittlungen wurden Aufzeichnungen von Gesprächen aus dem Cockpit des Flugzeugs, einschließlich des Gesprächaufzeichnungsgeräts, und technische Daten des Flugs aus der sogenannten "Black Box" sichergestellt", teilte die Behörde mit. Darüber hinaus habe man Berichte von Besatzungsmitgliedern über den Verlauf des Flugs eingeholt.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den Tatverdächtigen um den früheren Direktor der belarussischen Flugsicherungsbehörde, den Leiter der Flugleitzentrale in Minsk sowie den Chef des Geheimdienstes KGB.
Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Tatverdächtigen bei der Übernahme der Kontrolle über das Flugzeug falsche Angaben über eine angebliche Sprengladung an Bord gemacht hätten und dann die Piloten zu einer Notlandung gezwungen hätten, hieß es weiter. In der Folge seien 132 Flugzeuginsassen ihrer Freiheit beraubt worden. Das eigentliche Ziel sei aber gewesen, Protassewitsch festzunehmen.
© dpa, aero.de | Abb.: Ryanair | 06.09.2024 15:58
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Dieser Beitrag wurde am 07.09.2024 07:21 Uhr bearbeitet.