Keine Entschädigung
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Flugausfälle: Tuifly plädiert auf höhere Gewalt

Tuifly Boeing 737-800
Tuifly Boeing 737-800, © Tuifly

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HANNOVER - Bei den Verspätungen und Ausfällen der Tuifly durch Crew-Engpässe beruft sich der Tui-Konzern auf höhere Gewalt.

"Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche der Kunden entstehen daraus nicht", teilte die Tui Deutschland der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Hannover mit.

Die Sprecherin betonte: "Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt." Aus diesem Grund hätten auch die betroffenen Reise- und Luftbeförderungsverträge gekündigt werden müssen.

Fluggastrechtler: Krankheitswelle keine höhere Gewalt

Die von den Verspätungen und Flugausfällen bei Tuifly und Air Berlin betroffenen Passagiere haben nach Ansicht eines Fluggastrechtlers Anspruch auf finanzielle Entschädigung.

"Wenn die Airlines sich bei krankheitsbedingten Personalausfällen auf höhere Gewalt berufen, ist das aus rechtlicher Perspektive schlichtweg falsch und ein Versuch, Entschädigungszahlungen nicht leisten zu müssen", sagte Philipp Kadelbach, Mitgründer und Geschäftsführer des Flugrechtsportals Flightright, am Donnerstag.

Nach Ansicht von Kadelbach zählen Krankheitswellen jedoch zu den "normalen Betriebsrisiken, die Airlines zu jeder Zeit einkalkulieren müssen". Dies gelte auch, wenn es Zweifel gebe, ob tatsächlich eine Krankheit vorliege. Er empfehle daher allen betroffenen Passagieren, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen.
© dpa | 06.10.2016 15:16

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Beitrag vom 08.10.2016 - 09:05 Uhr
@ AILERON

Beeindruckender Beitrag.

Vielleicht sollten wir aber an der Stelle einen Schritt weiter zu einer Root-Cause-Analyse gehen: Woher kommt der organisatorische, wirtschaftliche und letztlich menschliche Dauerstress, der auf das Gesamtsystem Luftfahrt einwirkt?

Ich denke, ein wesentlicher, wenn nicht sogar "der" Grund liegt im Mantra des freien Marktes, der angeblich alles steuert und der behördlichen de-Regulierung.
Diesem Mantra folgen nicht nur Firmen (wo es ja oft zutreffend ist) sondern auch die Politik der EU, der Bundesregierung, vieler weiterer Regierungen weltweit und es beeinflusst sogar die Handlungen der regulierenden Behörden selbst.

Selbst die Leitungen der EASA und der DFS steuern heute ihre Handlungen primär über ökonomische Faktoren. Die von den großen Wirtschaftsberatungen verbreiteten, rein betriebswirtschaftlichen Sichtweisen werden an keiner Stelle, weder in Firmen noch in Behörden noch in der Politik mehr wesentlich in Frage gestellt.

Dabei wäre eine politisch gewollte und behördlich sauber umgesetzte Regulierung der einzige Weg, die Luftfahrt aus diesem Teufelskreis des immer-weiter, immer-mehr, immer-billiger mit den entsprechenden Stressreaktionen der Menschen in diesem System zu vermeiden.

Dazu müsste mehr Menschen klar werden, dass der "freie Markt" lediglich ökonomische Steuerungsfunktion ausübt. Weder gesellschaftliche noch soziale Fragestellungen oder gar Sicherheitsfragen werden darüber adäquat beantwortet.
Eine rein ökonomische Sicht verstellt den Blick auf das Wesentliche in vielen Bereichen.
Beitrag vom 07.10.2016 - 21:38 Uhr
@ Gordon

Gerne gebe ich Antwort auf die Fragen. Aber bitte lese auch mein Kommentar in seinen Zusammenhängen. Natürlich überspitze ich etwas. Bedingt durch meine guten 27 Jahren beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen in der Luftfahrt . Die meisten davon übrigens im direkten Flugbetrieb am Flugzeug. Aber auch in der Funktion beim Hersteller und Zulieferer. Sowohl aus der Sicht als Führungskraft, aus der Sicht als QA-Inspektor und auch aus der Sicht als Schrauber.

Auch ein Auditor hat genug Möglichkeiten sich während seines Aufenthalts im Unternehmen ein gutes Bild von der Basis zu machen. Zudem kennt der Auditor zumeist das Unternehmen schon über einige Jahre und weiß mittlerweile wie das Unternehmen tickt. Der Tellerrand ist sicherlich nicht irgendwo beschrieben. Den muss man mit der eigenen „Nase“ erspüren.

Die alte JAR-66 als auch die EASA-145 umschreibt in ihren Limitationen, unter welchen Bedingungen ein freigabeberechtigtes Personal NICHT wirken darf.
Richtig, zusätzlich gibt es da noch die jährliche vorgeschrieben „Human Factor“ Schulung.

Hier weite ich das Ganze aus. Nicht nur im Flugbetrieb an einer Flightline und für freigabeberechtigtes Personal sollten solche klare Limitationen gelten. Ein möglicher Fehler durch „Stress“ entsteht schon weit vorher in der Kette. Viel weiter als man glaubt. Ich habe schon Situationen und Fehler erlebt, die man besser nicht in einem öffentlichen Forum beschreibt.

Generell noch mal zum Thema Stress und Flugsicherheit ...

Es ist nicht so weit hergeholt, wenn ich alle möglichen Funktionen in der gesamten Lieferkette heranziehe. Die theoretischen „Käsescheiben“ und deren Löchern welche NICHT übereinanderliegen, haben einen Faktor. Nämlich der Sorte von Käse von welche die einzelnen Scheiben abstammen.

Das sind die vielen Unternehmen und deren Abteilungen, welche wieder mit den eigenen QA-Systemen und deren Auslegung von „Qualität“ übereinander liegen.
Denk nicht, dass nur ein großer Flieger davon betroffen ist. Mittlerweile wird auch der kleine UL-Sportflieger aus vielen einzelnen „Käsesorten“ hergestellt.

Dabei findet sich schon das passende „Käseloch“, welches übereinander liegt. Nicht immer gleich ein akutes flugrelevantes Problem. Aber manchmal reicht auch schon die Summe um Flug relevant zu werden. Und manchmal sogar, reicht da auch eine einzelne falsche Partnumber, eine vergessene oder ungesicherte Schraube, ein schlechter Niet, eine kalte Lötstelle oder eine Klebenaht mit falsch abgemischten Klebstoff.
Ich habe auch schon einen einzelnen kleinen unscheinbaren gelben Blindstopfen erlebt, der am Ende einfach vergessen wurde …

Wie dem auch sei. Ich möchte einfach noch mal betonen, dass JEDER einzelne egal in welcher Funktion in der Lieferkette für die Flugsicherheit beiträgt.

Nun noch zum „Stress“ generell und der regulierenden Behörden in der Luftfahrt ...

Mittlerweile steht die gesamte Luftfahrt unter Dauerstress. Nicht nur die zwei großen Hersteller und ihre zigtausend Mitarbeiter. Auch die unzählbaren in der Zulieferkette. Sowie der vielen Airliner und deren zigtausend Mitarbeiter. Den Kollegen im ATC und so weiter …

Die Summe am Ende, lässt ein Flugzeug entstehen und sicher im Service fliegen.

Nun zu den regulierenden Behörden ...

Diese haben einen klaren Auftrag!
Nämlich die Flugsicherheit in der Gesamtheit zu überwachen und sicherzustellen.

Das „Stress“ mittlerweile der absolut ausschlaggebender Faktor ist, scheint wohl bekannt zu sein.
Aber anscheinend reicht er noch nicht aus, das man aus diesem Grund mal wirklich AKTIV tätig wird und auch aktive Gegenmaßnahmen einleitet.

Man verlässt sich eher passiv und glaubt das ein jährlicher "Refresher" hinsichtlich "Human Factor" ausreicht.

Naja, und überspitzt. Aber vielleicht müssen erst regelmäßig Flugzeuge aus persönlichen Stressgründen in Berge gerammt oder Luftfahrtunternehmen durch die Flucht in Krankheit außer Kraft gesetzt werden, bevor man erkennt aus welcher Richtung der Wind dreht.



Dieser Beitrag wurde am 07.10.2016 21:53 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 07.10.2016 - 08:14 Uhr
@Aileron
Ich habe noch nicht ganz verstanden, um was es Ihnen geht. Mir erscheint es so, als wenn privater und OPS bedingter Stress vermischt werden. Ich bin bei Ihnen, wir kommen in manchen Bereichen, nicht nur Luftfahrt, wir hatten hier auch schon die Paketfahrer erwähnt, auf ein Niveau wo wir die bisher erreichten Errungenschaften der Arbeiterbewegung aus dem Fenster werfen.
Aber was bedeutet das für den Flugbetrieb? Hier kann ich nicht mehr folgen, wie man das regeln will. Es gilt zu unterscheiden, hier schließe ich mich gordon an, zwischen dem privaten Stress und dem operationellem Stress. Den Privaten können Sie nicht auditieren und ich halte die Arbeitsplatzsicherheit eher für privaten Stress. Mit dem Operationellen können wir alle, soweit im Flugbetrieb unterwegs, ganz gut umgehen und werden darin auch geschult. Nicht hetzen lassen usw., Sie kennen das.
Ja, der Arbeitsplatz liegt vielleicht im Flugbetrieb, aber was es für mich bedeutet, mein Leben, meine Familie, meine Freunde usw. das ist und bleibt mein Problem. Ich kann doch nicht den AG dafür veranrwortlich machen, dass ich zB ein Haus gekauft habe und ins Risiko gegangen bin und sich jetzt die wirtschaftlich Lage ändert und ich Stress bekomme wie es weiter geht. Das ist ein bisschen viel verlangt, oder?

Aber da, wo es in den Flugbetrieb hineinstrahlt, habe ich ja, eigentlich recht unkompliziert und es wird in den Schulungen da auch immer wieder auf den verantwortungsvollen Umgang hingewiesen, die Möglichkeit mich Unfit to Fly zu melden. Zumindest als Crew, Maint. kann ich nicht sagen. Das scheint ja hier, unterstellen wir mal so, auch passiert zu sein.

In dem man in den jährlichen Audit´s, einfach mal über den Tellerrand schaut ...

Wie meinen Sie das?

Das Thema "Stress" war schon in der JAR-66 beschrieben. Heute im Part 145.A.30

Wo da genau? Ich finde nur was zum Thema Human Factors Schulung.

Das könnte man aber auch ausweiten.

Wie genau? Sie erwähnten einen Audit. Aber der prüft ja nur die Einhaltung von Vorgaben. Wie sollte so eine Vorgabe aussehen?

STRESS, betrifft nicht NUR das unterschriftsberechtigte und freigebende Personal.

Es betrifft JEDEN, der ein Flugzeug herstellt, wartet oder betreibt. Es betrifft JEDEN einzelnen Menschen der mit, für, oder an einem Flugzeug, oder auch nur an einem Teil-System am Flugzeug arbeitet.

Richtig. Aber es gibt ja hier in den genannten Bereichen bereits eine Menge Käsescheiben, die so liegen, dass die Löcher nicht übereinanderliegen. Auch so, dass der private Stress wenig Chencen hat durchzuschlüpfen.

Das kann der gestresste hochbezahlte Manager sein. Es kann aber auch der weniger gut bezahlte Mitarbeiter sein.

Aus meiner Sicht, hat jeder EINZELNE einen Einfluss auf die Flugsicherheit!

Ob jemand an einem Bildschirmarbeitsplatz (fern vom Flugzeug) NUR Zahlen und Daten beeinflusst, oder ein Pilot oder ein Flugbegleiter, oder ein Mensch in der Herstellung (sei es auch nur der einzelne Niet) tätig ist.

Jeder einzelne dieser Menschen, ist ein Zahnrad im gesamten Getriebe. Fehlt auch nur ein Zahn bedingt durch Stress, kann es dazu führen, das am Ende ein Flugzeug vom Himmel fällt!

Bisschen weit hergeholt, aber ok, ich verstehe den Ansatz. Wie gesagt, damit das nicht passiert gibt es ja bereits eine Menge Mechannismen und die scheinen ja zu funtionieren.

So einfach ist das ...

Sagt die VC auch ;-)

Dieser Beitrag wurde am 07.10.2016 08:20 Uhr bearbeitet.


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