Deutscher Verkehrspilotentag
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Piloten: Sozialvorschriften gegen Ich-AGs im Cockpit

FRANKFURT - Erik Fengler hat die schöne neue Welt der Verkehrsfliegerei am eigenen Leib kennengelernt. Eineinhalb Jahre ist der Co-Pilot auf einer Boeing 737 für die irische Ryanair durch ganz Europa geflogen, seine Heimatstationen waren unter anderem im rheinischen Weeze und im italienischen Bergamo.

Geld hat Fengler nur erhalten, wenn er tatsächlich geflogen ist: Krankheiten oder Urlaub waren nicht vorgesehen, denn offiziell war der Co-Pilot sein eigener Chef, zusammen mit einigen anderen Piloten Geschäftsführer einer irischen Limited-Gesellschaft, die über eine Zwischenfirma ihre Dienstleistungen an den erfolgreichen Billigflieger verkauft.

Auch wenn der junge Erste Offizier noch nicht einmal wusste, wo er genau seine Steuern zahlen sollte, war rechtlich alles legal. Es gibt noch weitere Modelle wie die klassische Leiharbeit oder sogenannte Nullstunden-Arbeitsverträge für Piloten, die dann keinerlei Grundgehalt erwarten dürfen.

In einer Studie der Universität Gent, zu der im vergangenen Jahr 6.633 europäische Piloten befragt wurden, schilderten bereits 16 Prozent, dass sie in atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten.

Besonders häufig komme das in den Cockpits der Gesellschaften Ryanair, Norwegian und Wizz Air vor, so die Studie. Die Gesellschaft Wizz Air wies die Vorwürfe zurück. Man arbeite nicht mit Nullstunden-Verträgen und "Pay-To-Fly"-Regelungen. Die Studie basiere bezogen auf Wizz auf falschen Angaben. Fengler hat in guten Monaten 5.000 Euro verdient.

Wizzair Airbus A320 mit Sharklets
Wizzair Airbus A320 mit Sharklets, © Airbus S.A.S.

Die Billigflieger sind die wichtigsten Treiber im "unfairen Wettbewerb von innen", wie Dirk Polloczek vom europäischen Pilotenverband ECA das nennt. Es sei klar, dass junge Piloten ihre Jobs künftig fast ausschließlich bei Billigflug-Airlines und zu ungesicherten Bedingungen finden würden, sagte er am Donnerstag auf dem Verkehrspilotentag in Frankfurt.

Die Erosion der sozialen Standards in der Branche sei auch bei Flugbegleitern und Bodenpersonal bislang nicht aufzuhalten gewesen, die Politik greife aber nicht ein. Dabei brauche es dringend einheitliche Sozialvorschriften für den Luftverkehr in ganz Europa.

Besonders erfindungsreich beim sozialen und steuerrechtlichen Optimieren zeige sich der Billiganbieter Norwegian, kritisiert auch der Verdi-Luftverkehrsexperte Robert Hengster. Für ihre geplanten USA-Flüge haben die Norweger eine Fluggesellschaft in Irland gegründet, die ihre 787-Dreamliner-Jets an die Muttergesellschaft verleast und das Personal in Asien zu dortigen Bedingungen rekrutiere.

Die irische Zulassung ist derzeit nur vorläufig und bei den Amerikanern gibt es Bedenken, der Norwegian auf dieser Grundlage Landerechte einzuräumen.

Verbände: Scheinselbständigkeit ist ein Sicherheitsrisiko

Die prekären Beschäftigungsverhältnisse bergen auch Sicherheitsrisiken, warnen die Pilotenverbände. Schließlich müssten scheinselbstständige Piloten um ihre Aufträge und damit um ihre Existenz fürchten, wenn sie kostenträchtige Entscheidungen für mehr Sicherheit träfen. Das beginne damit, wie viel Sprit für eine bestimmte Strecke an Bord genommen werden muss oder wie zuverlässig die eingeteilte Crew unmittelbar vor dem Abflug eingeschätzt wird.

"Die Entscheidungen fallen in den Büros der Fluggesellschaften, nicht mehr in den Cockpits", sagt VC-Vorstandsmitglied Jim Phillips, selbst Kapitän. Eigentlich sollten in Sicherheitsfragen die Piloten das letzte Wort haben, doch fast die Hälfte schilderte in der Genter Umfrage, dass sie in diesen Fragen die Airline-Vorgaben nicht abändern könnten.

Phillips erzählt von einem Piloten, der sich seine Papiere abholen konnte, nachdem er die Fracht in seinem Laderaum kontrollieren wollte. Als ihm das von der Spedition verweigert wurde, ließ er die Kisten ausladen und verlor in der Folge seinen Job.

Der nächste Schritt könnte nach dem Vorbild der Schifffahrt das "Ausflaggen" der einzelnen Flugbetriebe in Länder mit besonders niedrigen Sozialstandards sein, sagt Polloczek und erinnert an die 1994 gesunkene Ostseefähre "Estonia" - vor dem Unglück mit 852 Todesopfern nach Estland ausgeflaggt. "Wir haben Beispiele, dass es richtig in die Hose gehen kann."
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Airbus | 23.04.2015 16:25

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Beitrag vom 27.04.2015 - 15:40 Uhr
Man bewirbt sich doch nicht bei FR. Das Recruiting uebernimmt wiederum CAE, ein anderer Dienstleister, der filtert und screent. Steht auf auf der FR HP bei Careers, wie das geht.
De facto ist das eine Scheinselbststaendigkeit, stimmt zu 100%. Weil es gibt die Klausel, dass man ohne die Erlaubnis von FR sonst nirgends ein CS25 Flieger fliegen darf.
Beitrag vom 27.04.2015 - 14:45 Uhr
Das ist aber dann bis zum Anschlag verlogen: Nicht Rayanir bietet Arbeitsplätze sondern Brookfield etc., die sie dann an Rayanair als Diensleistung verkaufen.
Raynair spricht aber von Karrieren bei Rayanair und nicht bei sich selbst (Ich AG) bzw.
Brookfield.
Weshalb schreibt Raynair nicht ehrlich: Für Piloten: Sie wollen in einem Raynair-Cockpit sitzen? Bewerben Sie sich bitte bei unseren Dienstleistungspartner XX,yy ...., die Sie bzw. ihre Dienstleistungen, die Sie in einer z. B. von Ihnen gegründeten Gesellschaft erbringen können, dann an uns vermittelt!
Das Dumme ist nur, dass es sich doch am Ende um eine geforderte Scheinselbstständigkeitr geht. Der Pilot muss auf Abruf bereit stehen... und kann nicht woanders fliegen(?).

P.S.: Hab ich doch glatt vergessen: Diese Struktur ist nur zum Wohle der ...nehhh (sind doch nicht Angestellte) Personen, die z. B. im Raynair-Cockpit sitzen!


Dieser Beitrag wurde am 27.04.2015 14:58 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 27.04.2015 - 14:13 Uhr
Genau das ist der Fall. Die Bruttos sind gleich, das ist sehr unkompliziert fuer FR. Die Nettos aber interessieren FR nicht. Sie variieren nach Land und nach Geschicklichkeit der Ich-AG bei der Steuererklaerung. In Skandinavien und D z.B. ist man ganz arm dran, waehrend andere Laender es einem etwas mehr goennen.
Die Agencies Brookfield/Storm/McGinley/Crewlink braucht man, damit diese ganze Personalgeschichte und der ganze damit verbundene Aufwand schoen ausgelagert bleibt und nicht zum Problem der Airline wird. Die tausenden Ich-AGs haben einen Vertrag mit den Agencies ueber Dienstleistungen beim "Kunden" FR.
Den Geschaeftsfuehrer von D gibt es m. Wissens nach nicht. Nur jede Basis hat ihren Supervisor. Und auch der ist ein armes Wuerschen mit einem atypischen Vertrag.


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