Fachkräftemangel
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Luftfahrtindustrie will mehr Nachwuchs ausbilden

A320-Lackierung
A320-Lackierung, © Airbus

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HAMBURG - Die norddeutsche Luft- und Raumfahrtindustrie steuert nach schweren Corona-Jahren auf goldene Zeiten zu. Doch auch bei Airbus und wichtigen Zulieferern fehlen Fachkräfte. Die Unternehmen steuern mit mehr Ausbildung gegen - und sehen sich mit höheren Lohnforderungen konfrontiert.

"In Norddeutschland gehen die Betriebe im Durchschnitt davon aus, dass über 98 Prozent der Kapazitäten im nächsten Jahr ausgelastet werden", sagte Thorsten Ludwig von der Agentur für Struktur- und Personalentwicklung Bremen am Donnerstag bei der Präsentation einer Umfrage unter Betriebsräten im Auftrag der IG Metall.

Das habe es in der zehnjährigen Geschichte der Betriebsrätebefragung noch nie gegeben. Das sei ein historisch hoher Wert, betonte Ludwig. Im ersten Corona-Jahr 2020 habe die erwartete Auslastung noch bei etwas über 80 Prozent gelegen.

Entsprechend gehe die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter nach einem Personalabbau von mehr als zehn Prozent in Folge der Corona-Pandemie nun von einem deutlichen Personalzuwachs aus. Das Problem: Wie bei Bäckern oder Lkw-Fahrern fehlten in Norddeutschland Fachkräfte, sagte Ludwig. "60 Prozent der Betriebe sagen, sie haben Probleme bei der Stellenbesetzung."

Der Airbus-Konzernbetriebsratsvorsitzende Holger Junge bezifferte den Personalbedarf allein am Standort Hamburg auf 1.000 zusätzliche Leute, um ein weiteres Hochfahren der Produktion abzusichern.

Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, sieht die Ursache für die Personalprobleme auf der Arbeitgeberseite. Statt in der Krise noch stärker auf arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Kurzarbeit mit Qualifizierung oder Zeitkonten zu setzen, sei viel zu viel und viel zu schnell Personal abgebaut worden, klagte er. "Das rächt sich nun."

Mehr Ausbildung

Entsprechend erfreut zeigt sich Ludwig, dass etliche Betriebe ihre Ausbildungskapazitäten nun erhöhen wollten. Bislang liege die Ausbildungsquote im Norden bei 4,7 Prozent. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz von 26 im Jahr 2020 auf 15 im vergangenen Jahr gesunken sei. Ein Grund könnte eine mangelnde Attraktivität sein.

"Wenn es immer nur um Personalabbau, Restrukturierung und Krisenbewältigung geht, dann macht das eine Branche (...) nicht unbedingt sexy für junge Leute", sagte Ludwig. Hinzu komme, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie im Norden fast 55 Prozent der Neueinstellungen befriste, im Rest der Republik seien es dagegen nur rund 17 Prozent.

Airbus-Konzernbetriebsratschef Junge sagte, die Lage habe sich komplett gedreht. Das Geschäft mit dem Bau der Airbus-Flugzeuge A320 und A321 "brummt wie verrückt". Seien im vergangenen Jahr noch 43 Flugzeuge pro Monat gefertigt worden, sollen es im kommenden Jahr 67 oder sogar 75 Maschinen pro Monat werden. "Wir kriegen wirklich sehr, sehr viel mehr an Arbeit rein", sagte Junge.

Der Branche gehe es gut. Große Schwierigkeiten gebe es jedoch mit den Zulieferern, die sich teilweise während der ersten beiden Corona-Jahre notgedrungen anderen Geschäftsfeldern zugewandt hätten.

Tarifrunde im Zeichen der Inflation

Angesichts dieser Perspektiven will die IG Metall "sehr selbstbewusst" in die Tarifverhandlungen im Herbst gehen, wie Bezirksleiter Friedrich sagte. Die Kolleginnen und Kollegen erwarteten einen Tarifabschluss, "der ihnen hilft, diese horrende Inflation (...) zu kompensieren".

Konkrete Forderungen will die IG Metall Ende des Monats präsentieren. Die erste Verhandlungsrunde mit der Arbeitgeberseite sei für den 16. September geplant. Die Friedenspflicht, während der Streiks oder Aussperrungen unzulässig sind, ende am 28. Oktober.

Für die Umfrage hat die Agentur für Struktur- und Personalentwicklung nach Gewerkschaftsangaben bundesweit 67 Firmen mit mehr als 75.000 Beschäftigten befragt. Davon seien 24 Betriebe mit mehr als 30.000 Beschäftigten in Norddeutschland angesiedelt.
© dpa-AFX | Abb.: Airbus | 17.06.2022 07:32

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Beitrag vom 18.06.2022 - 13:12 Uhr
*von Firmen wie MTU oder Thales ganz zu schweigen

Die 20-30 bekannten, großen Zulieferer, die auch ganz gut zahlen könn(t)en sind nicht das Problem.
Um ein Flugzeug zu bauen, sind 100% der Zulieferer notwendig, 100% deren Zulieferer und wiederum 100% deren Zulieferer, etc.
Im Mittelbau der Lieferkette kommt man fix in den Bereich der Eigner-geführten Firmen mit Spezial-Know-How und unter 50 MA.
Wenige Teile, kleine Stückzahlen, kleines Team, kleiner Umsatz.
Aber ohne das dort gebaute Teil rollt erst mal kein A320 aus dem Hangar.
Auch nur einen einzigen Zulieferer auszutauschen ist in einem zertifizierten Produkt wie einem Flugzeug ein großer Aufwand, selbst auf Zuliefer-Ebene 2 oder 3.
Beitrag vom 18.06.2022 - 12:54 Uhr
*von Firmen wie MTU oder Thales ganz zu schweigen
Beitrag vom 18.06.2022 - 12:51 Uhr
Ein Grundschulfreund von mir hat bei BMW Zerspaner gelernt und muss unter der Brücke schlafen so wenig wie er verdient.

Gott sei Dank kann BMW als Toparbeitgeber der Region ihren Mitarbeitern aber eine eigene Brücke zur Verfügung stellen. Die ist wegen der Eisenbahn zwar recht laut aber dafür frisch renoviert und sehr komfortabel. Ohropax bekommt er auch von der Firma ...

weiß nicht wie das bei Airbus ausschaut.

Das mit den von @EricM angesprochenen Zulieferern kann man übrigens auch auf die Automobilindustrie übertragen. Fragen Sie mal die Zulieferer (z.B Bosch) der "Top Arbeitgeber", was die so ihren Mitarbeitern an Prämien auszahlen.

Das wird zumindest in den Medien immer behauptet.

Ich will nicht leugnen dass das bei irgendwelchen KMUs mit eher bodenständigem KowHow d.h. sehr austauschbaren Dienstleistungen wie z.B. die Produktion irgendwelcher Kunststoffteile, Kabelbäume, anderer Einzelteile vielleicht der Fall ist aber bei den großen Zulieferern (mit Systemkompetenz wie Bosch, Valeo, Knorr etc. d.h. z.B. Contis Reifen gehören da natürlich nicht dazu) ist die Bezahlung nicht schlechter als bei den OEMs. Die Zulagen sind sicher andere aber das ist oft auch der Struktur dieser Unternehmen welche oft keine AGs oder AGs vollständig in Familienbesitz sind geschuldet.

Ich glaub nicht dass sich das bei z.B. Premium Aerotech vs. Airbus anders verhällt. Selbst wenn doch dann ist die Bezahlung insgesamt gesehn immernoch überdurchschnittlich insb. im Vergleich zum Dienstleistungssektor.


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