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London-Heathrow, 16. Februar 2020: British Airways 466 nach Madrid rollt zur Startbahn. Cockpit und Kabine durchzieht ein beißender chemischer Geruch. Nach zwei Minuten hat die Luft geklärt. Erst im Flug registrieren die Piloten Konzentrationsprobleme, mehreren Flugbegleitern wird schwummrig.
BA466 ist bei Weitem kein Einzelfall. Zwischenfälle wie dieser beschäftigen die Branche seit Jahrzehnten. Die Spannbreite der Meldungen reicht von unangenehm muffigen Gerüchen ("alte Socken") bis hin zu stechender Kabinenluft und tränenden Augen.
Über die Ursache herrscht mittlerweile weitgehend Einigkeit: Schmierstoffe in Triebwerken können, beispielsweise bei Überfüllung der Behälter, Zapfluft verunreinigen. Besonders das Additiv TCP ist als Auslöser des "aerotoxischen Syndroms" verdächtig.
Der US-Kongress will Airlines und Hersteller jetzt per Gesetz zur Installation von Sensoren verpflichten, um die Qualität der Kabinenluft besser zu dokumentieren. Denn bisher herrscht Beweisnot.
Symptome klingen zumeist rasch ab, Blutwerte normalisieren sich teils binnen Stunden. Einige Betroffene führen anhaltende Gesundsheitsschäden auf TCP-Exposion zurück, tragen aber die volle Beweislast. In Deutschland ist eine Klage einer Flugbegleiterin 2019 an der Kausalkette gescheitert.
Es gibt Alternativen
Airlines, Hersteller und Aufsichtsbehörden haben dem Thema Kabinenluft umfangreiche Studien gewidmet, gegen eine - technisch mögliche - permanente Dokumention der Luftqualität an Bord sträubt sich die Branche aber.
"Für die Fluggesellschaften ist Unwissenheit Geld", sagte der Kongressabgeordnete John Garamendi. Der Demokrat ist der Architekt der US-Gesetzinitiative und spricht aus, was viele in der Branche fürchten: Wenn eine "toxische Belastung" rechtssicher aufgezeichnet wird, drohen nicht nur Schadensersatzklagen, sondern womöglich auch Rufe nach "grundlegenden Änderungen am Design der Flugzeuge".
Denn zur Luftentnahme über die Triebwerke bestehen Alternativen. Die Boeing 787 zieht etwa "RAM-Air" aus der normalen Umgebungsluft in die Kabine.
Für alle anderen Verkehrsflugzeuge werden "Sensoren dringend benötigt", findet die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit. "Die menschliche Nase ist bisher das einzige Instrument, um Fume Events zu erkennen."
© aero.de | Abb.: Airbus, Beispielbild | 15.03.2023 07:10
Kommentare (5) Zur Startseite
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Das ist der Normalzustand, also ohne aktive Fume Events. Quellen sind alle Sorten Kunststoffe, die innen verbaut sind.
Ohne diese Events sind auch Zapfluftanlagen ziemlich gesund. Das ist eigentlich unstrittig.
Interessant wird es ja, wenn die TCP Konzetrationen im Rahmen eines solchen Events für 1-2h durch die Decke gehen.
Das ist dann durchaus messbar.
Eine EASA Studie hat im Übrigen festgestellt, dass die von den anderen Kommentatoren angesprochene (Spuren-) Kontamination TCP auch in der Kabine der B787 messbar war und zwar sogar in höheren Konzentrationen verglichen mit den anderen untersuchten Flugzeugtypen.
Die stofflichen Eigenschaften und die sehr geringen Konzentrationen machen TCP keiner sinnvoll auf Flugzeugen einsetzbaren Sensorik zugänglich.
Was nutzt mir der Beweis, wenn ich dauerhafte gesundheitliche Probleme (was selten vorkommt, aber eben möglich ist) davontrage!?