Flug NSZ4311
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BEA schließt zu Fallakte zu Beinaheunfall vor Paris CDG

Flughafen Paris Charles de Gaulle (CDG)
Flughafen Paris Charles de Gaulle (CDG), © Air France

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PARIS - Hauchdünne 1,80 Meter Flughöhe trennen einen Airbus A320 vom Aufschlag ins Gelände vor Paris Charles de Gaulle. Die französische Flugunfallbehörde BEA und Airbus haben sich intensiv mit Flug 4311 auseinandergesetzt - der Abschlussbericht geht hart mit der Flugsicherung ins Gericht.

Paris, 23. Mai 2022: Norwegian Air hat den maltesischen Wetlease-Partner Airhub mit Flug 4311 auf der Linie Stockholm - Paris beauftragt. Im Anflug auf CDG unterläuft dem Anfluglotsen ein folgenschwerer Versprecher: "Red Nose 4 3 1 1 descend ... descend … 6,000 feet, 1 0 1 1.”

1011 Hektopaskal - dieser Bodendruck ist nicht richtig. Der korrekte QNH-Wert: 1001. Der Fehler hat gravierende Auswirkungen: der Airbus A320 zieht 260 Fuß  - 85 Meter - zu tief durch den Anflugkorridor - und kommt dem Boden so viel zu schnell viel zu nahe.

"Bei geringer Höhe wird im Kontrollturm ein Bodenannäherungsalarm ausgelöst", hält die französische Flugunfallbehörde BEA in ihrem jetzt vorgelegten Abschlussbericht fest.

Der Tower fragt "mehrere Sekunden später" nach: "Red Nose 4311, ich hatte gerade einen Ground Proximity-Alarm, alles in Ordnung bei Ihnen, haben Sie die Landebahn in Sicht?"

Der Funkspruch geht im Cockpit unter - Paris CDG versteckt sich an diesem Montagvormittag im Mai unter tiefhängenden Wolken. Die Piloten kämpfen mit Regenschauern und "stark eingeschränkter Sicht".

"Gesteuerter Flug ins Gelände"

Die 9H-EMU hat die tatsächliche Entscheidungshöhe längst unterschritten als die Landebahn immer noch nicht in Sicht ist. Abbruch! Die Piloten starten durch - und wenden im letztmöglichen Moment einen "gesteuerten Flug ins Gelände" doch noch ab.

Flug 4311
Flug 4311, © BEA
 
"Während des Manövers betrug die aufgezeichnete und bereinigte Mindesthöhe des Funkhöhenmessers 6 Fuß - knapp 2,0 Meter", heißt es in dem Bericht. Der Airbus befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch 1,6 Kilometer vor der Pistenschwelle und "außerhalb der Umzäunung des Flughafens Paris Charles de Gaulle".

Das bordeigene Bodenkollisionswarnsystem schälgt laut BEA bei dem Zwischenfall "auslegungsbedingt" nicht an. Bei einer Befragung geben die Piloten später zu Protokoll, sich über die tatsächliche Bodennähe zu keinem Zeitpunkt im Klaren gewesen zu sein.

Für den zweiten Anflug auf CDG positionieren die Piloten den Airbus wieder mit fehlerhaftem QNH-Druck. Dieses Mal hat der Pilot Flying die Landebahn aber in Sicht - und korrigiert den Anflug bis zu einer sicheren Landung.

Der Abschlussbericht kreist die Angabe des fehlerhaften QNH-Drucks als Ausgangspunkt der Ereigniskette ein. Derartiges "menschliches Versagen" könne aber "nie ganz vermieden werden".

Schwerer wiegt laut BEA, dass Betriebsverfahren für Piloten und Fluglotsen und vorhandene Bord- und Bodensysteme "der Gefahrensituation nicht effektiv entgegenwirkten".

Die "missverständliche und fehlerhafte" Nachfrage der Flugsicherung stößt den Ermittlern besonders auf. Statt "alles in Ordnung?" hätte der Tower die Crew laut Handbuch zu einem Sofortcheck der Flughöhe anleiten und den QNH-Wert erneut angeben müssen. In etwa so: "Terrain alert, check your altitude immediately, QNH 1 0 0 1."

Der Bericht kritisiert zudem, dass der Flughafen die Landebahnbefeuerung trotz widriger Sichtverhältnisse nicht eingeschaltet hatte.

Neues Airbus-Feature

Airbus hat den Zwischenfall von Paris ebenfalls intensiv aufgearbeitet. Ein neues System - "ALT-SM" - soll menschliche Kommunikations- und Übertragungsfehler in Zukunft glattbügeln.

ALT-SM erkennt "große (mehr als 4hPa, Red.) Diskrepanzen zwischen der QNH/QFE-Höhe und der GPS-Höhe", sagte Airbus-Sicherheitsmanager Nicolas Bardou aero.de bei einem Treffen im April 2023. "Wenn der Schwellenwert überschritten wird, ertönt ein akustisches Warnsignal."

BEA Abschlussbericht (PDF)

BEA Abschlussbericht (Zusammenfassung, PDF)
© aero.de | Abb.: Paris CDG, BEA | 16.07.2024 09:36

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Beitrag vom 16.07.2024 - 20:25 Uhr
Der Erfinder des Radio Altimeters sollte sich schämen!!!
Beitrag vom 16.07.2024 - 19:13 Uhr
PISS POOR AIRMANSHIP

Im Bericht wird die verbaute Technik dafür vergleichsweise wenig hinterfragt.

No Terrain Awareness and Warning System (TAWS) alert was recorded during the approach.
The two pilots indicated in their statements that they only heard the radio-altimeter auto-callouts at 2,500 ft and 1,000 ft.

Der Bericht beschreibt Callouts bei 2500 und bei 1000ft, dann war Ruhe. Kein "Terrain - Pull Up" obwohl das System minimal 6ft Höhe aufgezeichnet hat und laut der erfolgten Überprüfung angeblich in Ordung war.

Ich hätte ja zu diesen beiden offenbar widersprüchlichen Aussagen etwas mehr Rigorosität der Untersuchung seitens der BEA erwartet.

Dieser Beitrag wurde am 16.07.2024 19:25 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 16.07.2024 - 12:47 Uhr
Ich kann nur zustimmen. Um 10hPa vertut man sich eigentlich nur wenn man wirklich gerade nicht sonderlich involviert ist. Zudem bekommen ja sicherlich auch andere Flugzeuge auf der Frequenz das QNH und es wurde nur einmal 1011 gegeben. Wie sich die Crew bei intaktem Radar Höhenmesser nicht darüber im klaren sein kann, dass sie sich gerade 2m über dem Boden befindet bleibt mir schleierhaft.


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