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Der Konzern wehrt sich gegen die Darstellung einer Zeitung, dass der Flug von Wien nach Köln/Bonn "offenbar nur knapp an einer Katastrophe vorbei geschrammt" sei und die Piloten nur "unter Aufbietung letzter Reserven" landen konnten. Hierzu lud Lufthansa Journalisten zu einem Pressetermin am 26. Oktober nach Frankfurt ein.
Vor den geladenen Medienvertretern habe der Kapitän des Flugs laut Mitarbeiterzeitschrift "Lufthanseat" seine Eindrücke "aus erster Hand" geschildert. Ein "stark verbrannter, etwas süßlicher Geruch" habe zu einem "Kribbeln in Händen und Füßen" geführt, berichtete der 36-jährige. "Nach dem reflexartigen Aufsetzen der Sauerstoffmaske war ich wieder Herr meiner Sinne", zitiert der "Lufthanseat" den Kapitän.
Also alles halb so schlimm?
Gegenüber der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) beschrieben die Piloten ihren Zustand kurz vor der Landung als "surrealistisch und wie in einem Traum", wie dem aktuellen Zwischenbericht der BFU zu entnehmen ist. Die Behörde stuft den Vorfall als "Schwere Störung" ein.
Am Montag legte die Zeitung "Die WELT" nach. Das Blatt veröffentlichte im Internet die vollständigen Erlebnisberichte, die Kapitän und Erster Offizier kurz nach dem Zwischenfall einreichten.
"Während des gesamten Anflugs fühlte ich mich körperlich sehr schlecht", schrieb der Kapitän darin nieder. "Mein Eindruck war, dass ich allein mit dem manuellen Fliegen im Flight Director an der Obergrenze dessen arbeitete, was mir momentan überhaupt möglich war." Er habe "kaum noch einen klaren Gedanken fassen" können.
Der Erste Offizier schilderte einen Zustand der Orientierungslosigkeit und weitgehenden Handlungsunfähigkeit: "Scheiße ey, hoffentlich schaffen wir das, ich kann nicht mehr, ich weiß nicht wo wir sind, oh Gott bitte lass uns heil landen, bitte lass uns das überleben. Verdammt, was kann ich noch machen?" Ihm sei schlagartig "speiübel" gewesen. "Als ob mir jemand einfach in den Bauch geboxt hätte."
Erst nach der Zufuhr frischen Sauerstoffs trat bei Kapitän und Erstem Offizier Besserung ein. Bemerkenswert: Der Kapitän erinnert sich, dass ein Sanitäter bei ihm kurz nach der Landung eine kritische Sauerstoffkonzentration im Blut "von deutlich unter 80 Prozent" feststellte. Lufthansa spricht im aktuellen "Lufthanseat" hingegen von einer Normalsättigung von 99 Prozent und verweist auf ein Einsatzprotokoll.
Beim Ersten Offizier wurden später erhöhte Blutwerte festgestellt. Laut Zwischenbericht der BFU war er nach dem Vorfall für sechs Monate dienstuntauglich.
Nach einer Untersuchung der A319 wurde der Zwischenfall von Lufthansa-Technikern auf Enteisungsmittel in der Klimaanlage zurückgeführt. Die Maschine ging kurze Zeit später wieder in den Linienbetrieb und blieb unauffällig.
Verunreinigte Kabinenluft ist ein Branchenthema
Zwei Jahre nach dem Vorfall übt sich Lufthansa in Schadensbegrenzung. Die jetzt von "Die WELT" als Reaktion auf den Bericht im "Lufthanseat" öffentlich gemachten Erlebnisberichte rücken die Geschehnisse aber in ein neues Licht. Flug 4U-753 entging wohl tatsächlich nur sehr knapp der Katastrophe einer nicht mehr handlungsfähigen Cockpitcrew.
Verunreinigte Kabinenluft ist das derzeit wichtigste sicherheitsrelevante Branchenthema - es betrifft alle Airlines und ist nicht auf einen Flugzeugtyp beschränkt. TUIfly hatte 2011 gleich zwei Zwischenfälle, bei denen verunreinigte Kabinenluft eine Rolle spielte. Dem Vernehmen nach will eine große deutsche Fluggesellschaft eine 737 wegen anhaltender Probleme mit Öldämpfen inzwischen sogar an den Hersteller zurückgeben.
Lufthansa reagierte mit Triebwerkswechseln an ihren A380 auf wahrnehmbare Geruchsentwicklung in der Kabine. Die Airline nimmt zudem einen Messkoffer des Fraunhofer Instituts mit an Bord, um das Phänomen mit eigenen Daten zu untersuchen. Beim Triebwerksstart verzichten A380-Crews der Lufthansa inzwischen auf die Abnahme von Zapfluft. Hersteller Rolls-Royce hat auf Initiative der Lufthansa zudem ein spezielles Abweisungsblech für die Antriebe entwickelt.
Die weitgehend im Stillen durchgeführten Maßnahmen unterstreichen, wie ernst man bei Lufthansa das Problem nimmt. Umso unverständlicher ist es, wenn Zwischenfälle wie der von Flug 4U-753 zeitgleich gegenüber Mitarbeitern und Öffentlichkeit heruntergespielt werden.
Update 15.55 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels wurde auf die zitierten Erlebnisberichte von Kapitän und Erstem Offizier verlinkt, die im Volltext auf den Servern der Zeitung "Die WELT" zugänglich gemacht wurden. Inzwischen verlinkt "Die WELT" in ihrer Berichterstattung nicht mehr auf diese Dokumente.
aero.de wurde hierauf am Nachmittag von einem Sprecher der Fluggesellschaft Germanwings hingewiesen. Die Dokumente seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Nachdem "Die WELT" ihrerseits nicht mehr auf die Dokumente verlinkt, betrachten wir eine Zitierung als ausreichend und haben die Verlinkung entfernt.
© aero.de | Abb.: CGN Airport | 06.11.2012 12:25
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Und auch der Kapitän schreibt dazu:
"Der anwesende Mitarbeiter des MCC, dem ich den Geruch und den Ablauf der Ereignisse noch schilderte, schien sich zu meinem Erstaunen bereits zu diesem Zeitpunkt recht sicher zu sein, dass Enteisungsflüssigkeit wohl der Auslöser dieses Vorfalls sei."
und weiter unten:
"Wie ich erfuhr, ist das Flugzeug am nächsten Tag wieder in Dienst genommen worden und als Urasache soll von der Technik Enteisungsflüssigkeit in der Klimaanlage identifiziert worden sein. Mit ist vollkommen bewusst, dass ich als Pilot im Vergleich zur Technik lediglich über eingeschränktes technisches Wssen über das Flugzeug verfüge. Jedoch verfüge ich über 12 Jahre fliegerische und operationelle Erfahrung, davon 7 auf Airbus Fluggerät. Ich habe selbst bereits Erfahrung mit Dämpfen verbrannter Enteisungsflüssigkeit in der Klimaanlage, auch in hoher Konzentration mit starker Rauchentwicklung in der Kabine, gemacht. Daher fällt es mir in diesem Fall schwer, die Diagnose nachzuvollziehen. Mir ist auch bewusst, dass Erfahrungen aus anderen Vorfällen mit Contaminated Cabin Air gezeigt haben, dass die Ursache in einigen Fällen, aufgrund der hohen Flüchtigkeit der Bestandteile, im Nachhinein nicht mehr festzustellen ist. Doch der intensive Geruch, den ich wahrgenommen habe und dessen körperliche Auswirklungen ich gespürt habe, hatte definitiv keinerlei Ähnlichkeit mit verbrannter Enteisungsflüssigkeit. "
im Spiegel (erste Oktoberausgabe) wurde aus Untersuchungsberichten eines LH-Arztes zitiert, der den F/O behandelt hat. Der soll in seiner Diagnose eine Rauchgasinhalation und TCP-Vergiftung angenommen haben, also eine Kontaminierung durch Gas eines Triebwerksöls.
Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum das BFU angesichts dieser Faktenlage sich voll auf die LH-Theorie erlässt, deren Techniker lt Bericht "Öl-, Treibstoff oder elektrischer Geruch definitiv (als Ursache) ausgeschlossen" haben (S.8 BFU).
An der Geschichte stinkt doch etwas ganz gewaltig.
Dieser Beitrag wurde am 07.11.2012 14:42 Uhr bearbeitet.
Was gibt es da noch zu beschönigen? Tatsache ist, den Beiden gelang eine 'Mission impossible' in einer absolut unvorhersehbaren Situation.
Die Hansa wäre gut beraten, ihre Piloten für ihre Leistung öffentlich zu würdigen und gleichzeitig glaubhaft zu machen, dass sie alles dran setzt, dass dieses industrieweite Problem TECHNISCH gelöst wird. Das freilich ist gar nicht so einfach, wenn gut 10.000 im Einsatz befindliche Maschinen ihre Passagiere mit Frischluft aus den Triebwerken versorgen. Viel mehr aber irritiert mich, dass bis jetzt nicht festgestellt werden konnte, WOHER die Kontamination nun tatsächlich kam. Laut beider Piloten roch es im Cockpit nach AMPERE, also verbrannter Elektronik und nicht nach Abgasen (verbranntes Öl) oder Chemie (Enteisungsmittel).
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Die Diskrepanz zwischen dem BFU-Bericht und den Berichten der letzten Wochen ist schon mehr als unglaublich!
Das Thema ist weit bekannt und gehört vernünftig aufgeklärt!