Tarifkonflikt
Älter als 7 Tage

Lufthansa fest zu neuem Günstigkurs entschlossen

Carsten Spohr
Carsten Spohr, © Lufthansa

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FRANKFURT - Der junge Pilot hat schon mal gerechnet. "Wenn ich bei der Eurowings anfange, komme ich nach neun Jahren auf das Lufthansa-Einstiegsgehalt, mit dem ich eigentlich gerechnet habe." Die 900 Piloten in der Warteschleife vor Berufsantritt bekommen die neuen Realitäten bei Lufthansa als erste zu spüren.

Vorstandschef Carsten Spohr scheint mehr denn je entschlossen, den strikten Spar- und Billigkurs bei Europas größtem Luftverkehrskonzern durchzuziehen. Dafür setzt er auch die mühsam erreichte Ruhe in den komplexen Tarifverhandlungen mit Piloten, Kabinenbesatzungen und Bodenpersonal aufs Spiel.

Spohr will insbesondere den Konzerntarifvertrag (KTV) schleifen, nach dessen lukrativen Bedingungen derzeit noch rund 5.300 von mehr als 9.000 Piloten im Lufthansa-Konzern ihrer Arbeit nachgehen. Er ist Gegenstand der nach zwölf Streikrunden mühsam erreichten Gesamtschlichtung mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), für die bislang aber immer noch kein Schlichter gefunden ist.

Auf Grundlage dieses Tarifwerks werde Lufthansa auf Sicht keine neuen Piloten mehr einstellen, hat Spohr dem Fliegernachwuchs in der vergangenen Woche im südhessischen Seeheim klargemacht.


Der Lufthansa-Chef hat auch gleich noch deutlich dazugesagt, wo in Zukunft neue Jobs entstehen werden - nämlich bei der neuen Billigplattform Eurowings, künftig drittgrößter Billigflieger Europas hinter den Herausforderern Ryanair und Easyjet.

Unter dem Eurowings-Dach sollen die verschiedensten Lufthansa-Flugbetriebe von Austrian Airlines bis SunExpress um die jeweils niedrigsten Kosten konkurrieren. Dann gibt es zusätzliche Strecken und neue Maschinen. Für jeden jungen Piloten, so Spohrs Botschaft, gebe es genug zu tun, nur nicht zu den ursprünglich gedachten Bedingungen.

Germanwings gilt als gescheitert

Im internen Kosten-Wettkampf wird nach den Plänen die deutsche Germanwings als erste auf der Strecke bleiben, die schon vor dem verheerenden Absturz mit 150 Toten in Frankreich auf der internen Streichliste stand.

Ihre teuren KTV-Piloten sollen möglichst schnell zur Lufthansa-Mutter versetzt werden, die 60 Airbus-Jets hingegen nach und nach zur Eurowings geschoben werden.

Dort können sie dann mit weit kostengünstigerem Personal - die Eurowings-Tarife liegen rund 40 Prozent unter dem KTV - betrieben werden. Im Januar hatten sich Lufthansa und Cockpit auf einen neuen Tarifvertrag für die 300 Eurowings-Piloten geeinigt, die statt CRJ900 in Zukunft A320 fliegen.

Dass Lufthansa neben der deutschen Eurowings-Gesellschaft gleich noch eine internationale Tochter mit österreichischer Zulassung eröffnet, passt der VC dabei überhaupt nicht, obwohl der Schritt nicht ganz unerwartet kam.

Bei der Ankündigung der "Wings"-Strategie im Juli 2014 hatte Spohr nämlich schon durchblicken lassen, dass eine neue Günstigplattform juristisch eher nicht in Deutschland beheimatet werde.

"Öl ins Feuer"


"Damit wird deutsches Tarifrecht umgangen. Spohr gießt zusätzlich Öl ins Feuer", sagte ihr Sprecher Markus Wahl. Die noch gar nicht begonnenen Schlichtungsgespräche seien zusätzlich belastet.

Ganz außen vor sieht sich die Kabinengewerkschaft UFO, die mit Lufthansa über verschiedene eigenständige Modelle zur Tarif- und Arbeitsplatzsicherung verhandelt hat. Wenn Lufthansa nun im Grundsatz-Clinch mit der VC Flugzeuge in andere Gesellschaften verlagert, ändern sich auch die Tarifbedingungen der betroffenen Flugbegleiter.

"Die Kabinenmitarbeiter des Konzerns sind damit endgültig, trotz eigener Lösungen, zu einer Geisel der Auseinandersetzung zwischen LH (Lufthansa) und VC geworden", schimpft der sonst eher auf Konsens gerichtete Ufo-Chef Nicoley Baublies.

Sollte sich nicht schnell eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten entwickeln, müsse Ufo für die tarifliche Absicherung der Mitgliederinteressen "alle Mittel" einsetzen. Das würde die nächsten Streiks bei der Lufthansa bedeuten.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Lufthansa | 05.06.2015 08:44

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Beitrag vom 08.06.2015 - 16:23 Uhr
@ichglaubdasnicht,

Spohr wußte schon unter Franz, was abläuft. Die Konkurrenzsituation dürfte ihm auch bekannt gewesen sein.
Er darf LH (und sich) nicht in die Tonne kloppen, sondern fordern, das "gut" nicht "gut genug" ist und es auch umsetzen.
Wer Fusionen miterlebt hat, weiss was mit den Entgelten passieren kann.
M. E. kann man Ryanair und LH-Flug kann nur begrenzt vergleichen.

Dieser Beitrag wurde am 08.06.2015 16:24 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 08.06.2015 - 15:54 Uhr
@fbwlaie; @Runway
ja beide Antworten sind richtig und mit diesen Argumenten habe ich natürlich gerechnet. Trotzden erklärt das nicht den Unterschied von rd 110000 Menschen. Catering und Wartung mögen profitabel sein, binden aber Kapital und Managementkapazität. Jeder Konzern, der größer ist, als er sein muss, verliert Kraft. Das hat Spohr erkannt.

Sehe ich nicht so.

Man muss die Personalkosten gegenueber stellen.
Die LH hat fuer ein Langstrecken und Premiumprodukt einfach deutlich mehr Personalbedarf, obendrein gibt es verschiedenene FLugzeugtypen die einiges an Personal zusaetzlich noetig machen.
Ich kenne auch ein paar Kranich Piloten, die nach KTV erstmal schoen auf 60% runter gegangen sind, trotzdem ein schoenes Gehalt, weniger Sozialabgaben und Steuern, dafuer mehr Zeit.
Glaube nicht dass das bei FR moeglich ist.

Ein wilder ungeplanter Personalabbau hat schon viele Unternehmen ruiniert. Hoffe die LH macht das mit Hirn.
Beitrag vom 08.06.2015 - 15:38 Uhr
@fbwlaie
Denksportaufgabe: erforderliche Mitarbeiter im flugbetriebnahen Bereichen geschätzt 30.000, Catering und Wartung 50.000. Was machen die anderen 38.000 Mitarbeiter? Was tun die eigentlich?
Wenn die DLH derzeit trotzdem noch 8relativ geringe Betriebsgewinne ausweist, dann ist dies keineswegs das Ergebnis eines dauerhaft tragenden Geschäftsmodells, sondern nichts weiteres als geschenkte Zeit.
Man bekommt eine realistische Vorstellung von der gewaltigen Aufgabe, die Spohr vor der Brust hat.
Wenn die hochbezahlte Langstrecke von den geltungssüchtigen Paxen nur um wenige Prozente schlechter in den Klassen First und Business gebucht wird, ist der Konzerngewinn dahin.
Das erklärt auch, warum auf touristischen Strecken die LH ein eigenes Billigangebot aufgebaut wird. Damit dieses Segment dabei hilft, die enormen Fixkosten des Konzerns mitzutragen.


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