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Dobrindt schwenkt um: Flughafen Tegel offen halten

Air Berlin Boeing 737
Air Berlin Boeing 737, © Air Berlin

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BERLIN - Elf Wochen vor der Bundestagswahl bekommt die Debatte über einen Weiterbetrieb des Berliner Flughafens Tegel neuen Schwung. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schlug sich am Freitag überraschend auf die Seite der Tegel-Befürworter.

Die Projektpartner Berlin und Brandenburg waren nach eigenen Angaben vorab nicht informiert. Gemeinsam hatten sie vor zwei Jahrzehnten vereinbart, Tegel zu schließen, wenn der neue Hauptstadtflughafen in Schönefeld in Betrieb geht.

Die Eröffnung des drittgrößten deutschen Flughafens ist wegen Baumängeln seit fast sechs Jahren überfällig, inzwischen ist auch die geplante Eröffnung 2018 unsicher. Die Berliner befinden am Tag der Bundestagswahl am 24. September auch in einem Volksentscheid darüber, ob der Senat einen Weiterbetrieb Tegels veranlassen soll.

"Eine Hauptstadt mit zwei Flughäfen ist gut vorstellbar", sagte Dobrindt. "Die Kapazitäten des BER werden mittelfristig für Berlin wohl nicht ausreichend sein. Auch deshalb kann man über die Offenhaltung des Flughafens Tegel nachdenken." Dobrindt forderte von der Flughafengesellschaft eine Prüfung, "wie die notwendigen rechtlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden können".

Air Berlin  würde im Falle eines Weiterbetriebs in Tegel bleiben wollen. "Falls Tegel entgegen der Gesetzeslage doch geöffnet bleibt, bleiben wir in Tegel, bevor andere Wettbewerber dahingehen", sagte Airlinechef Thomas Winkelmann der "Rheinischen Post".

Die Länder Berlin und Brandenburg reagierten empört auf Dobrindts nicht abgestimmten Vorstoß. "Bei einem so ernsthaften Thema erwarten wir Verlässlichkeit von den Gesellschaftern", sagte Senatssprecherin Claudia Sünder. Der Potsdamer Regierungssprecher Florian Engels sagte: "Partnerschaft sieht anders aus."

Die Schließung der Altflughäfen Tegel und Tempelhof war Planungsgrundlage für den neuen Flughafen an der Stadtgrenze in Brandenburg. Tempelhof ist schon geschlossen und nun ein Park. Auf dem Tegeler Gelände plant der rot-rot-grüne Berliner Senat einen Forschungs- und Industriepark sowie Wohnungen.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup warnte: "Eine Offenhaltung Tegels würde uns vor gewaltige wirtschaftliche Schwierigkeiten stellen." Der Betrieb Tegels parallel zum BER koste jährlich mindestens 100 Millionen Euro zusätzlich, eher sogar einen Betrag "näher an den 200 Millionen als an den 100 Millionen."

Zudem müssten in das alte Terminal, die Rollwege, Startbahnen und Versorgungsleitungen in Tegel nach Lütke Daldrups Worten 1,1 Milliarden Euro investiert werden. Rund 400 Millionen Euro würden für zusätzlichen Lärmschutz für die Anwohner fällig.

Der Volksentscheid wurde maßgeblich von der FDP herbeigeführt. Aus ihrer Sicht stellt sich Dobrindt lediglich den Realitäten. Der CSU-Minister hatte bei seinem Vorstoß auch die Kehrtwende der Berliner CDU vor Augen: Nach einer Mitgliederbefragung ist sie in dieser Woche ins Pro-Tegel-Lager gewechselt.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warnte in der "Berliner Morgenpost" (Freitag) vor Klagen, wenn Tegel offen bleiben sollte. Er bemerkte auch: "Wenn der BER eröffnet wäre oder wenn wir ihn zeitnah eröffnen könnten, gäbe es diese Diskussion überhaupt nicht."

Die Arbeiten in Schönefeld ziehen sich möglicherweise noch bis 2018. Das liegt daran, dass teilweise zu dünne Wasserrohre zu den Sprinklern an den Terminaldecken führen und ausgetauscht werden. "Das Sprinklerthema wird uns das ganze Jahr noch begleiten", sagte Lütke Daldrup. "Es kann sein, dass es vor Jahresende, es kann aber auch sein, dass es nach Jahresende fertig gestellt wird."

Auf die Frage, ob das Ziel einer Eröffnung des Flughafens 2018 noch erreichbar sei, sagte Lütke Daldrup nur: "Es bleibt mein Ziel, baldmöglichst dazu Klarheit zu schaffen."

Weil der neue Flughafen zu klein ist, beschloss der Aufsichtsrat, daneben ein einfaches Zusatzterminal hochzuziehen, das vom ersten Halbjahr 2020 an genutzt werden soll. "Selbstverständlich wird der BER vorher in Betrieb gehen", versicherte Lütke Daldrup. Noch ist es dem Flughafen aber nicht gelungen, die Baufirmen auf einen verbindlichen Terminplan zu verpflichten.

Inzwischen fliegen mehr Menschen von und nach Berlin als das neue Terminal fassen kann. Bis 2040 soll die Passagierzahl von 33 Millionen im vergangenen Jahr auf 55 Millionen steigen. Lütke Daldrup legte dem Aufsichtsrat deshalb Eckpunkte eines Masterplans für den Ausbau des Flughafens vor. Er will vor dem Terminal nach Bedarf in fünf Schritten einfache Ergänzungsbauten an Standorten hochziehen, die bislang für Parkhäuser vorgesehen waren.
© dpa-AFX | 07.07.2017 10:24

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Beitrag vom 09.07.2017 - 12:59 Uhr
und berücksichtigt, dass die Flugzeuge immer leiser werden

Ja, dises Thema emotionsfrei zu diskutieren ist schwierig, auch weil viele leicht fehlzuinterpretierende Fakten oder Annahmen von interessierter Stelle in die Diskussion geworfen werden.
Diese Aussage ist ein gutes Beispiel:
Das einzelne Flugzeug wird in seinem Lebens-Zeitraum von 20-30 Jahren nicht leiser.

Eine Aussage, die so nicht stimmt. Bei viele Flugzeugtypen wurden in Laufe der Zeit Methoden entwickelt, die sie etwas leiser machten, auch wenn hier oft nur 1-2 Db handelt.

Stimmt schon, wobei die Entwicklung und erst recht der Einsatz von Hushkits eher die Ausnahme als die Regel waren, selbst in den 70ern und 80ern.

Alle 20-30 Jahre gibt es ein Nachfolgemodell, das dann ein paar dB Peak ( also wenige % ) leiser ist. Neue Enflottungen senken dadurch die Lautstärke quer über die Flotte um ein paar Promille.

Eine Reduktion von 3 dB stellt eine gefühlte Halbierung der Lautstärke dar.

Nein, +/- 10dB(A) stellen eine Verdopplung/Halbierung der empfundenen Lautstärke (psychoakustisch) dar.
 Sehr gute Infos zum Thema gibt es hier

Darüber hinaus werden zwar nicht schlagartig sondern kontinuierlich ältere, lautere Flugzeugtypen durch neuere und leisere ersetzt.

Ja, genau das meinte ich.

Die wirklich lauten Flugzeuge der 70er und 80er findet man in Westeuropa gar nicht mehr. Eine abfliegende Caravelle oder DC8 mit war derart laut das man auch 10 Km nach dem Start noch geneigt war den Kopf einzuziehen. Eine A320neo oder A350 hört man so weit von der Startbahn höchstens noch leise brummen im stillen Wald.

Klar, aber in den 70ern und 80ern wurden eben noch nicht mehrere Hunderttausend Anwohner von Flughäfen im 90sec Takt mit Caravelles und DC8 überflogen, sondern vielleicht 2 mal die Stunde. Oder 2 mal am Tag.

Parallel dazu steigen aber die Flugbewegungen insgesamt im gleichen Zeitraum aber um 20-50% und die durchschnittliche Machinengröße steigt aktuell auch, so dass es an den Flughafenstandorten ständig lauter wird.

In zB FRA ist die Zahl der Flüge in den letzten Jahren kaum gestiegen.

Sogar gesunken. Seit 2005 um etwa 10%. Seit dem Ausbau 2011 sind die Flugbewegungen streng monoton fallend.

Darüber hinaus: größere Flugzeuge sind keineswegs per Definition auch lauter. Bestes Beispiel ist hier der Airbus A380.

Richtig, aber wenn man, wie in Frankfurt Verkehr mit 80 Sitzern (CRJs) weitgehend durch Verkehr mit 150 Sitzern (A320) ersetzt, wird es eben sogar bei fallenden Flugbewegungen lauter.
Die jetzt anfliegenden A320 sind zudem nicht alle neuestes Baujahr, sondern teilweise ebenfalls bis zu 20 Jahre alt.

Die durchaus leiseren Einzelmaschinen werden so durch das Wachstum überkompensiert.
das trifft zum einen höchstens teilweise zu, die lauten Zonen werden aber kontinuierlich kleiner.

Bildliche Darstellung:  https://www.easa.europa.eu/eaer/system/files/figures_tables/figure_2.2.jpg


Ok, zu der Kurve: Wie man sieht hat sich zB bei den Anflügen (rechte Seite) seit 1977 recht wenig getan. Die 80db Umhüllende ist etwa 2km in Richtung Landeschwelle gewandert.
In 40(!) Jahren.
Auch im Abflug, wo die Hauptwirkung der technischen Änderungen spürbar ist, ist die Änderung seit 1977 geringer als die Veränderung vor 1977. Die Verbesserungen stagnieren. Die Leute, die etwas querab von Flugrouten wohnen, verspüren idR gar keine Verbesserungen - pro einzelner Flugbewegung.
Gleichzeitig hat sich aber die Anzahl der Flugebwegungen in diesem Zeitraum vervielfacht.
Die quantitative Zunahme der Flugbewegungen war in den letzten 40 Jahren deutlich stärker als die kummulative Verringerung des Lärms pro Flugbewegung.

Wenn man darüber hinaus noch bedenkt, dass EPNdb insofern eine ganz schwierige Größe ist, da sie auf 500kN normiert ist, wird klar, dass nichtmal die ganze dargestellte Verbesserung pro Flugbewegung tatsächlich am Ohr des Anwohners ankommt, da die durchschnittliche Schubleistung heute größer ist als 1977, da es mehr große Maschinen gibt.

 Eine aktuelle BDL Grafik aus dem Lärmreport von 2015 zeigt ganz gut, welchen Unsinn man mit diesen Werten zeigen kann, wenn man es drauf anlegt. Demnach erscheint ein A380 leiser als eine ältere 737. Das stimmt natürlich nur wenn man besagte Normierung auf den max. Schub reinrechnet.
Der Wert sagt also von vorneherein gar nichts objektives über die tatsächlich bei Start oder Landung eines Typs auftretenden Soundeffekte aus.

Wie gesagt - und wie man sieht:
In diesem Umfeld wird über Organisationen wie BDL und AdV seit 40 Jahren viel Geld in Vernebelungstaktiken, politische Argumentationshilfen und "Hilfestellungen" beim Schreiben von Gesetzesvorschlägen gesteckt.
Das verbunden mit der Tatsache dass Fliegen auch für viel Profis eine emotional ansprechende Tätigkeit ist und das Fliegen als Reiseform enorm praktisch, macht es wirklich schwer sachliche, informierte und neutrale Diskussionen zu führen.

Dieser Beitrag wurde am 09.07.2017 18:30 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 08.07.2017 - 17:29 Uhr
und berücksichtigt, dass die Flugzeuge immer leiser werden

Ja, dises Thema emotionsfrei zu diskutieren ist schwierig, auch weil viele leicht fehlzuinterpretierende Fakten oder Annahmen von interessierter Stelle in die Diskussion geworfen werden.
Diese Aussage ist ein gutes Beispiel:
Das einzelne Flugzeug wird in seinem Lebens-Zeitraum von 20-30 Jahren nicht leiser.

Eine Aussage, die so nicht stimmt. Bei viele Flugzeugtypen wurden in Laufe der Zeit Methoden entwickelt, die sie etwas leiser machten, auch wenn hier oft nur 1-2 Db handelt.

Alle 20-30 Jahre gibt es ein Nachfolgemodell, das dann ein paar dB Peak ( also wenige % ) leiser ist. Neue Enflottungen senken dadurch die Lautstärke quer über die Flotte um ein paar Promille.

Eine Reduktion von 3 dB stellt eine gefühlte Halbierung der Lautstärke dar. Darüber hinaus werden zwar nicht schlagartig sondern kontinuierlich ältere, lautere Flugzeugtypen durch neuere und leisere ersetzt.
Die wirklich lauten Flugzeuge der 70er und 80er findet man in Westeuropa gar nicht mehr. Eine abfliegende Caravelle oder DC8 mit war derart laut das man auch 10 Km nach dem Start noch geneigt war den Kopf einzuziehen. Eine A320neo oder A350 hört man so weit von der Startbahn höchstens noch leise brummen im stillen Wald.

Parallel dazu steigen aber die Flugbewegungen insgesamt im gleichen Zeitraum aber um 20-50% und die durchschnittliche Machinengröße steigt aktuell auch, so dass es an den Flughafenstandorten ständig lauter wird.

In zB FRA ist die Zahl der Flüge in den letzten Jahren kaum gestiegen. Darüber hinaus: größere Flugzeuge sind keineswegs per Definition auch lauter. Bestes Beispiel ist hier der Airbus A380.

Die durchaus leiseren Einzelmaschinen werden so durch das Wachstum überkompensiert.
das trifft zum einen höchstens teilweise zu, die lauten Zonen werden aber kontinuierlich kleiner.

Bildliche Darstellung:  https://www.easa.europa.eu/eaer/system/files/figures_tables/figure_2.2.jpg




Dieser Beitrag wurde am 08.07.2017 17:32 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 08.07.2017 - 14:27 Uhr
Das wirklich große Problem in Deutschland ist, dass Diskussionen grade bei Luftverkehr in Deutschland sehr schnell emotional werden und polarisiern.

Korrekt. Der Grund könnte uA sein, dass besonders der Luftverkehr durch große Lobbyorganisationen mit guten Kontakten in die Politik geprägt ist und viel für Öffentlichkeitsarbeit/Marketing ausgibt.

Wie Ihnen jeder Marketing-Mann sagen wird, müssen Werbe-Botschaften emotional sein um erfolgreich maximale Wirkung zu entfalten.
Bürgerinitiatven halten mit ähnlich emotionalen Botschaften dagegen, da reine Ratio gegen gezielt geförderte Emotionalität immer verliert.
Natürlich steht die so geförderte Emotionalität der Auseinandersetzung einem notwendigen rationalen Diskurs oft entgegen.

und berücksichtigt, dass die Flugzeuge immer leiser werden

Ja, dises Thema emotionsfrei zu diskutieren ist schwierig, auch weil viele leicht fehlzuinterpretierende Fakten oder Annahmen von interessierter Stelle in die Diskussion geworfen werden.
Diese Aussage ist ein gutes Beispiel:
Das einzelne Flugzeug wird in seinem Lebens-Zeitraum von 20-30 Jahren nicht leiser.
Alle 20-30 Jahre gibt es ein Nachfolgemodell, das dann ein paar dB Peak ( also wenige % ) leiser ist. Neue Enflottungen senken dadurch die Lautstärke quer über die Flotte um ein paar Promille.
Parallel dazu steigen aber die Flugbewegungen insgesamt im gleichen Zeitraum aber um 20-50% und die durchschnittliche Machinengröße steigt aktuell auch, so dass es an den Flughafenstandorten ständig lauter wird.
Die durchaus leiseren Einzelmaschinen werden so durch das Wachstum überkompensiert.

So ist es also nicht falsch, dass Flugzeuge immer leiser werden ( Was die Luftfahrtindustrie ständig betont).
Gleichzeitig ist es nicht falsch, dass es um Flughäfen herum eben nicht leiser, sondern vielmehr lauter wird (Was neue und mehr betroffene Anwohner verursacht).

Die Wahrheit ist hier nicht irgendwo in der Mitte, sondern beide Extrempositionen sind wahr. Das macht die Erzielung von Ergebnissen bzw. Kompromissen aus Diskussionen auch faktisch schwierig, da jede Seite ihre eigenen (richtigen) Argumente hat, man sich also nicht einfach in der Mitte treffen kann.

Dieser Beitrag wurde am 08.07.2017 16:08 Uhr bearbeitet.


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