Verkehrspolitik
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Flughafen Bratislava: National oder regional?

Eingangshalle BTS
Eingangshalle BTS, © Ingo Lang, edition airside

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BRATISLAVA - Vorab ein Blick zurück: In den zehn Boomjahren rund um das Millenium verzehnfachte sich am slowakischen Nationalflughafen der Verkehr. Die Wende zeigte Wirkung und die Stimmung war euphorisch wie zur Gründerzeit: Auf dem kleinen Nachkriegsairport standen noch bis vor kurzem nicht nur die Passagiere Schlange.

Die AUA stieg bei Slovak Airlines ein, Wiener Investoren starteten ihre Skyeurope, ambitionierte CSA-Crews die Air Slovakia, und in den Urlaub flogen die Slowaken nun mit Seagle Air.

Auch der Nachbarairport VIE wollte dabei sein. Unter mehr als fünfzig Bietern erhielt das vom Flughafen Wien und der slowakischen Investorengruppe Penta gebildete Two-One Konsortium 2006 dann auch den Zuschlag für 66 Prozent des in die Jahre gekommenen Airports. Mit einem Investment von über 500 Millionen EUR sollte der Airport modernisiert und unter Führung der Flughafen Wien AG in ein regionales Flughafensystem integriert werden.

Dem Regierungswechsel in der Pressburg im Sommer 2006 folgte jedoch ein herber Rückschlag, die Nation bestand auf ihrer Eigenständigkeit und die stand auf wahrlich wackeligen Füßen. Nach der gescheiterten Übernahme und der Liquidation der defizitären AUA-Beteiligung Slovak Airlines platzte im Krisenherbst 2008 der Traum von einer nationalen Luftfahrt wie eine Seifenblase: in nur drei Monaten gingen alle drei verbliebenen Homecarrier quasi im Gleichschritt pleite.

Am Boden blieben nicht nur die inzwischen gut zwei Dutzend Jets von Skyeurope, Air Slovakia und Seagle Air, sondern auch mutige Start-Ups wie Air Explore oder Slovakian Airlines. Aber auch kräftig das Steuergeld der Slowaken. Rund 100 Millionen EUR flossen in einen ambitionierten Terminalneubau für 5 Millionen Passagiere, der statt einheimischer nun fremde Airlines in die slowakische Hauptstadt locken sollte.

Die verkehrspolitische Zielsetzung des großzügigen Ausbaus blieb freilich so unergründlich wie die Raumplanung in der noch infantilen EU-Region Centropa. Klar war nur, der verwaiste Airport braucht dringend mehr Verkehr. Dementsprechend hatte Europas führender Flächenentwickler hier ein leichtes Spiel: von den vormals 2,2 Millionen Jahrespassagieren holte sich Ryanair fast über Nacht die Hälfte, zu einem Paketpreis, von dem der Mitbewerb nur träumen konnte. Der Rest flog fortan vom nur 48km entfernten Airport Wien, fünf Jahre später zählte man am BTS gerade noch 1,4 Millionen Passagiere.

Gewachsen sind am BTS zunächst nur die Verluste. Nach einem ausgeglichenen Ergebnis im Jahr 2008 fehlten in der Bilanz 2010 am Jahresende 6,6 Millionen EUR. Ein rigoroses Sparprogramm und erste Erfolge mit den neuen Airportshops ließen trotz anhaltendem Passagierschwund zumindest den Umsatz wieder steigen. Dazu gelang es dem Management bereits im ersten Sparjahr (2011) den Abgang auf 3,7 Millionen EUR fast zu halbieren.

Unübersehbar hat seit dem Niedergang der Heimatcarrier zumindest die Infrastruktur gewonnen. Klein, aber fein bietet der Airport seinen Passagieren heute ein rundum ansprechendes Ambiente. Auch landseitig hat sich das Angebot verbessert. Mit stündlichen Schnellbussen ist der Flughafen inzwischen auch gut mit der Region verbunden, selbst spät abends erreicht man mit Zwischenstopp am VIE die Wiener City in nur 75 Minuten. Grimmig teuer ist indess vor Ort das Parken.

Luftseitig bietet Ryanair im Tagesschnitt im Sommer bis zu zehn Flüge zu 14 Zielen, vorwiegend nach Großbritannien und Irland, aber auch zu den von Skyeurope, Seagle und Air Slovkia gut aufbereiteten Städte- und Touristikzielen am Mittelmeer. Auch die Vermarktung von BTS als "smarte Alternative" zum nahen Großflughafen Wien trug im Vorjahr erste, wenn auch noch eher zarte Früchte. UTAir fliegt täglich nach Moskau, Norwegian nach Oslo und Kopenhagen, El Al's Sun d'Or nach Tel Aviv und neu Air Onix nach Kiew und Simferopol. Einen regelrechten Boom verzeichnet die Fracht. Mit über 22.000 Tonnen wuchs der Umschlag im letzten Jahr um starke 10 Prozent.

Für 2013 hofft der No-Tax Airport (Passagiere) dank attraktiver Incentives bei den Gebühren (Airlines) auf einen Turnaround, auf niedrigem Niveau. Freilich, ohne die Synergien einer strategischen Zusammenarbeit mit dem geschassten Beinahe-Partner FWAG (Flughafen Wien) bleibt die postulierte Wachstumsperspektive von 5 Millionen Jahrespassagieren eine Utopie. Kolportierte zwei Millionen Slowaken nutzen derzeit das zwanzigfache Angebot am VIE, und in der Gegenrichtung gerade mal ein Zehntel das rare Nischenangebot am BTS, vorwiegend von Ryanair.

Fast bizarr wirkt freilich der politische Durchgriff auf das inzwischen gut eingespielte Führungsteam am BTS. Im Februar tauschten die Eigentümer erst den Aufsichtsrat und dann den kompletten Vorstand aus. Eingezwängt zwischen nationalen Interessen und dem kaum genutzten Marktpotential als kostengünstiger Zweitflughafen in der Vier Länder Region, fehlt dem Airport immer noch eine strategische Orientierung.

Eher halbherzig sucht das slowakische Verkehrsministerium seit den Neuwahlen 2012 für seinen Nationalflughafen einen privatwirtschaftlichen Betreiber. Ohne eine klare, marktkonforme Positionierung gegenüber dem  dominanten Großflughafen Wien geben mit dem Geschäft vertraute Insider dem Ganzen aber wenig Aussicht auf Erfolg.

Mangels eines zielgerichteten Masterplans gelang es am BTS bis heute keinem der fünf (!) Führungsteams der letzten zehn Jahre das enorme Wachstumpotential der Region Centropa angemessen zu heben. Während das regionale Verkehrsaufkommen seit der abgesagten Übernahme von jährlich 16 auf 24 Millionen Passagiere anwuchs, verlor der slowakische Airport beständig an Marktanteilen, zuletzt auf magere 7 Prozent.

Inzwischen dürfte sich das kommerzielle Interesse am BTS aber deutlich in Richtung seines Immobilienwerts verlagern. Seine statdtnahe Lage an der Autobahntangente und der expansive Flächenbedarf der Shopping und Gewerbeparks rund um das benachbarte Avion-Center schaffen einen neuen, und eher risikoarmen Anreiz für private Investoren, und gut denkbar damit auch ökonomisch eine neue Basis zur Erschließung attraktiver Nischenmärkte, als "smarte Alternative" zum Staralliance-Hub Wien.
© Bob Gedat, aero.at | Abb.: Flughafen Bratislava (SK) | 17.03.2013 00:00

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Beitrag vom 19.03.2013 - 10:40 Uhr
@H.Lesny: Diese "Versorgungsmentatlität" im Umfeld staatsnaher Betriebe findet sich nicht nur in postkommunistischen Institutionen. Im Fall BTS glaub ich aber, dass das zuletzt aktive Management gar nicht so schlecht unterwegs war, ohne strategische Ziele seitens der Eigentümer aber auf verlorenem Posten. Letztlich gilt das auch für Kosice, trotz der Beteiligung der FWAG. Sliac und Poprad sind ebenfalls Beispiele, wo Investitionen ohne organisch gewachsene Marktstrukturen wenig Aussicht auf Erfolg haben. Die Engländer machen halt nicht einfach Urlaub in der Tatra, bloß weil dort ein neues Terminal auf sie wartet. Anderseits kann sich ohne zeitgemäße Infrastruktur nicht viel entwickeln. Mit der Hardware allein ist's natürlich nicht getan, siehe Kosice. Die Politik muss in erster Linie Rahmenbedingungen schaffen, DAMIT sich dort was entwickeln kann. Als Betreiber ist sie völlig fehl am Platz, siehe BTS.
Beitrag vom 18.03.2013 - 16:34 Uhr
As everything in Slovakia (in particular as far as transportation is concerned), this state-held "national" airport is just a means for politicians to provide well-paid jobs to "experts/managers" linked to the political parties (hence the change in the board of directors and the executives), and to funnel millions of euros of public money on useless construction of new terminals by party-connected "construction companies". This political cronyism is very well visible in Bratislava as well as in other state-run "airports" like Sliac (near Banska Bystrica) and Poprad, both of which have no regular service but both of which (are about to) have new terminals costing millions of euros about to be constructed.

Sad enough it needs to also be pointed out that FWAG owns the Kosice airport in the east that has huge potential with its catchment area covering 1-2 mil people. But, in the 6 years since FWAG took over Kosice they didn't manage to attract any new airlines to the airport, Austrian being the only airline that increases its presence here. It would be interesting to know what FWAG's intentions with KSC are (or whether it's really the case that they only cared about getting BTS and since they didn't get it they aren't really interested in developing Kosice).  http://www.facebook.com/LietameZKosic


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