"Single Pilot Operations"
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Sitzt beim Airbus A350F nur ein Pilot im Cockpit?

Airbus A350 Cockpit
Airbus A350 Cockpit, © Airbus

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TOULOUSE - Wenn Airbus planmäßig 2025 die erste A350F an einen Kunden ausliefert, könnte der neue Frachter auch die Tür in eine neue Ära der Verkehrsluftfahrt aufstoßen. Denn offenbar denkt Airbus darüber nach, die A350F im Reiseflug für den Betrieb mit nur einem Piloten zuzulassen.

Die Dubai Airshow im November brachte Airbus die ersten Kunden für das Projekt A350F. Gleichzeitig bemüht sich der Flugzeugbauer, weitere Airlines von dem künftigen Großraumfrachter zu überzeugen - etwa Luxemburgs Frachtprofi Cargolux.

Mit 109 Tonnen Nutzlast bei 319 Tonnen maximaler Startmasse stellt die aus Kohlefaser gefertigte A350F den bisherigen Klassenprimus, die 777F von Boeing, in den Schatten. Und auch im operativen Betrieb soll der Airbus-Zweistrahler deutlich günstiger sein als die Triple Seven.

Dazu könnte jedoch nicht allein das Flugzeug selbst beitragen, sondern auch ein neues Feature, an dem Airbus bereits seit geraumer Zeit arbeitet.

A350F "der richtige Ort dafür"

Denn wie Airbus-Chef Faury in Dubai klarmachte, könnte die A350F der erste Großraumjet der Welt werden, der für "Single Pilot Operations" - also den Betrieb mit nur einem Piloten - zugelassen ist.

So zitiert etwa das Portal "AirInsight" Faury mit den Worten: "Das Frachtergeschäft könnte ein guter Kandidat für die Inbetriebnahme von Single-Pilot-Operations sein und das ergibt wirklich Sinn." Aufgrund der Raffinesse ihres modernen Flugsteuerungssystems sei die A350 generell prädestiniert dafür.

"Und ja, der Frachter wird wahrscheinlich der richtige Ort dafür sein", so Faury weiter. Allerdings betonte er, dass Airbus die Entwicklung der A350F "nicht speziell" mit solchen Konzepten in Verbindung bringe.

Ein Pilot fliegt, der zweite ruht

Bereits im Juni war bekanntgeworden, dass Airbus die A350 auf ihre Eignung für den Ein-Mann-Betrieb testen will - zusammen mit Partnern aus der Airlinebranche. So könnten Langstreckenflüge, bei denen heute noch drei bis vier Piloten nötig sind, die sich im Cockpit abwechseln, eines Tages von nur noch zwei Piloten bestritten werden.

Für Start und Landung, Steig- und Sinkflug sind in diesem Szenario beide Piloten vorgesehen, während der Reiseflug von jeweils einem Piloten im Alleingang übernommen wird und der andere sich ausruht. Die klassische Rollenteilung im Cockpit - "Pilot Flying" und "Pilot Monitoring" - wäre damit zumindest während der vermeintlich unkritischen Phasen eines Fluges Geschichte.

Mit zunehmender Automatisierung könnte der zweite Pilot langfristig gar komplett obsolet werden.

EASA: Sicherheit muss gewährleistet sein

Airbus strebt nach Informationen der Nachrichtenagentur "Reuters" an, A350-Flüge mit reduzierter Besatzung bis 2025 in einen zulassungsreifen Zustand zu bringen. Zeitlich würde dieser Horizont mit der geplanten Indienststellung der ersten A350F zusammenfallen.

Allerdings ist unklar, wie sich die offiziellen Stellen zu der Idee positionieren. Patrick Ky, Chef der europäischen Luftfahrtbehörde EASA, zeigte sich Anfang 2021 grundsätzlich offen dafür: "Normalerweise passiert auf Langstreckenflügen in Reiseflughöhe sehr wenig im Cockpit. Es ist sinnvoll zu sagen, okay, statt zwei Piloten im Cockpit können wir nur einen dort haben, der andere ruht sich aus."

Voraussetzung sei jedoch, dass es "keine unsicheren Bedingungen" gebe, so Ky. Wenn ein Problem auftrete oder der Pilot ausfalle, müsse der sich ausruhende zweite Pilot "innerhalb weniger Minuten" zur Stelle sein können. Zudem seien "technische Lösungen" zur schnellen Problemlösung erforderlich.

Hier kann die A350 in der Tat bereits mit ein paar Pfunden wuchern. So ist der Twinjet etwa in der Lage, im Falle eines Druckabfalls in der Kabine automatisch einen Notabstieg einzuleiten. Dank Automatikmodus im Kollisionswarnsystem (TCAS) kann eine A350 - ebenso wie auch die A380 - zudem selbständig auf eine drohende Kollision mit einem anderen Flugzeug reagieren und ein Ausweichmanöver in die Wege leiten.

Pilotenverbände wie die deutsche Vereinigung Cockpit sehen Single Pilot Operations in Verkehrsjets allerdings trotzdem kritisch.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | 30.11.2021 07:10

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Beitrag vom 08.12.2021 - 13:19 Uhr
Ich denke, man wird dem Fortschrittsgedanken nicht gerecht, wenn man mögliche katastrophale Umstände ins Spiel bringt, die eher unwahrscheinlich sind.

Gewitter zu erkennen und ihnen auszuweichen sind Aufgaben, die Piloten jeden Tag aufs neue lösen müssen. Und es auch erfolgreich tun, sonst hätten wir jeden Tag eine neue Absturzmeldung. Klar geht es auch mal schief (AF447), aber im Verhältnis zu der Anzahl täglicher Flüge sind diese Fälle verschwindend gering. Wenn ich da vorne nur noch eine Person sitzen habe, muss ich mir Gedanken machen, was die Technik macht, wenn diese eine Person nicht mehr bei Bewusstsein ist. Geben Sie mal bei avherald den Begriff "incapacitated" oder auch "sick" ein und schauen sich an, wie oft sowas passiert. Ein Zug kann anhalten, ein Auto auch. Was macht ein Flugzeug, wenn der Pilot einen Herzinfarkt erleidet oder durch "fume events" das Bewusstsein verliert? Alarmtöne bringen nicht viel, außer vielleicht, um den zweiten Mann hinten zu wecken. Aber auch wie schon erwähnt: derjenige muss erstmal verstehen, was das Problem ist und wie er dieses Problem löst. Da geht sehr viel Zeit verloren.

Der Vergleich zwischen 2-3 Mann im Cockpit und 3-4 zu 2 Triebwerken hinkt aus einem wichtigen Grund: bei Triebwerken geht es lediglich um technische Zuverlässigkeit. Bei einem Menschen kommt aber noch die Kreativität, Flexibilität und Erfahrung dazu, die bei einem 1 Mann Cockpit nunmal zur Hälfte oder sogar zu 2/3 wegfällt. Ein Computer kann nur das machen, wozu er programmiert wurde. Alles darüber hinaus und das wars.-

Dieser Beitrag wurde am 08.12.2021 13:22 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 08.12.2021 - 13:09 Uhr
Ich weiß ja nicht wie du dir die Welt der Technik vorstellst aber lass dir mal sagen dass allein die Rechenleistung die nötig ist um dir das Gewitter auf einem Display grafisch darzustellen locker reicht um einen Umweg zu berechnen.

Wir reden hier immer noch von Flugzeugen, deren Computer von jeder Smartphone-CPU in den Schatten gestellt wird. Die Darstellung auf dem Wetterradar ist eine Sache. Sie zu interpretieren, eine andere. Nur weil hinter einem Echo eine vermeintliche Lücke dargestellt wird, heißt das nicht, dass da auch eine ist. Menschliche Piloten wissen das, weil sie dafür geschult werden und auf Erfahrung zurückgreifen können. Ein Computer weiß das nicht. Einfach eine Route drum herum basteln ist bei weitem nicht alles. Und selbst diese simple Aufgabe können heutige Flugzeugcomputer nicht alleine machen. Es erfordert eine Eingabe der Piloten.
Beitrag vom 08.12.2021 - 12:59 Uhr
Ich denke, man wird dem Fortschrittsgedanken nicht gerecht, wenn man mögliche katastrophale Umstände ins Spiel bringt, die eher unwahrscheinlich sind.

In vielleicht schon einem Jahrzehnt werden „Solo- Cockpits“ kein Exot mehr sein, denn die Airlines werden keine Gelegenheit auslassen, Kosten einzusparen, vorausgesetzt natürlich immer, dass die technische Reife gegeben ist.

Befindet sich der ruhende Pilot zum Beispiel bei der A350 nicht direkt unter dem Cockpit, sodass ein Eingreifen bei einer Unpässlichkeit oder einer extreme Wettererscheinung relativ kurzfristig erfolgen kann? Bei einem Alleinflug können die Vitaldaten des aktiven Piloten überprüft werden, und bei Abweichungen von der Norm einen Alarm auslösen.

Natürlich weiß niemand genau, wie die technische Entwicklung in den nächsten 30 Jahren im Detail weitergeht, gewiss ist aber ein ungeheurer Fortschritt bei der Leistungsfähig der Soft- und Hardware, inklusive KI und verwandter Techniken.

Der Weg zum führerlosen Flugzeug erscheint noch weit, wird aber kommen.


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