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Warum russische Flugzeuge weiter in die EU fliegen

Iljuschin Il-96-300
Iljuschin Il-96-300, © UAC

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FRANKFURT - Seit Ende Februar ist der Luftraum der Europäischen Union für Flugzeuge aus Russland verbotenes Terrain. Doch in den vergangenen Tagen häuften sich trotzdem Besuche russischer Jets in mehreren EU-Staaten. Verantwortlich dafür sind zwei ziemlich unterschiedliche Gründe.

Berlin, Brüssel, Madrid, Ungarn, Slowakei und Tschechien: Dafür, dass russische Flugzeuge eigentlich seit Ende Februar aus dem Luftraum der EU verbannt sind, waren sie in jüngster Zeit auf ziemlich vielen europäischen Flughäfen zu sehen.

So landete am 8. April eine aus Moskau-Wnukowo kommende Iljuschin Il-96 am Berliner Willy-Brandt-Airport.

Der Vierstrahler mit dem Kennzeichen RA-96014 brauchte für seine Reise von Hauptstadt zu Hauptstadt knappe drei Stunden - flog allerdings keinen direkten Kurs, sondern machte einen Bogen um das Festland und nahm stattdessen eine Route über die Ostsee, durch internationalen Luftraum.

Dieselbe Il-96 pendelte seit Sonntag gleich mehrfach zwischen Moskau und Brüssel, während das Schwesterflugzeug RA-96019 am 11. April der spanischen Kapitale Madrid einen Besuch abstattete - und tags darauf weiterflog nach Athen.

Große Umwege

Die Geschichte, die hinter diesen Flügen steckt, ist schnell erzählt: Die Iljuschins sammelten an den jeweiligen Zielorten russische Diplomaten und deren Familien ein, die in ihren Gastländern zu unerwünschten Personen erklärt und ausgewiesen wurden.

Für diese Aufgabe erhielten die russischen Jets von den Luftfahrtbehörden der entsprechenden Staaten eine Sondererlaubnis, die es ihnen trotz Embargo ermöglichte, ihre Mission zu erfüllen. Die Sondergenehmigung erstreckte sich jedoch nicht auf den restlichen EU-Luftraum, was für die Iljuschins teils beträchtliche Umwege bedeutete.

So führt der Luftweg von Moskau nach Brüssel und zurück derzeit um Skandinavien herum, über Nordmeer und Barentssee. Flugzeit pro Strecke: mehr als sechs Stunden.

Noch umständlicher gestaltete sich die Anreise nach Madrid am 11. April für Sonderflug RSD88: Sie führte die Il-96-300 ebenfalls nördlich um Skandinavien sowie um Großbritannien herum und schließlich über dem offenen Meer bis nach Spanien. Acht Stunden und 50 Minuten dauerte die Reise nach Angaben des Tracking-Dienstes FlightAware.

Brennstoff für Kernkraftwerke

Gestrandete Diplomaten sind jedoch nicht der einzige Grund, warum nach wie vor Flugzeuge aus Russland auf EU-Airports zu finden sind. In der Slowakei, Tschechien und Ungarn landeten kürzlich gleich mehrfach Iljuschin Il-76-Frachter von Volga-Dnepr Airlines.

An Bord hatten sie wichtige Fracht für den Energiesektor der Zielnationen: Kernbrennstoff für Atomkraftwerke sowjetischer Bauart, die in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts nach wie vor Strom produzieren. Der erste Flug dieser Art führte die Il-76 mit der Kennung RA-76952 bereits am 1. März von Moskau-Domodedowo ins slowakische Bratislava (Pressburg).

Am 3. März flog die RA-76952 ein weiteres Mal dorthin, am 4. März ins tschechische Brno (Brünn) und am 16. März abermals nach Bratislava. Seine bislang letzte Reise absolvierte der Volga-Dnepr-Frachter zum ungarischen Fliegerhorst Pápa. Dort blieb er fast eine Woche, um schließlich am 11. April nach Moskau zurückzukehren.

Eine weitere Il-76 von Volga-Dnepr, Kennzeichen RA-76511, steuerte zwischen dem 17. und dem 31. März ebenfalls Bratislava (einmal) und Brno (zweimal) an.

Für den Betrieb der Atommeiler nahe der genannten Orte ist die Belieferung mit Nuklearbrennstoff aus Russland essenziell. Allerdings sei die Einfuhr des Materials seit Beginn des Krieges in der Ukraine deutlich schwieriger geworden, unterstrich Ungarns Außenminister Peter Szijjarto Ende vergangener Woche.

"Der Brennstoff kam bisher immer mit der Bahn aus Russland über die Ukraine. Leider ist dies nicht mehr möglich, sodass wir einen alternativen Weg für den Transport finden mussten", sagte Szijjarto. Die Brennstofflieferung für Ungarn sei über den Luftraum von Weißrussland, Polen und der Slowakei an ihr Ziel gelangt.

Alle drei Länder hätten dafür ihre Zustimmung gegeben, da die Kernenergie keinen Sanktionen der Europäischen Union unterliege.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: UAC | 16.04.2022 06:08


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