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Seit einer Woche läuft bei Lufthansa eine Urabstimmung. Noch bis 30. September können Piloten der Kernmarken Lufthansa und Lufthansa Cargo der Vereinigung Cockpit ein Streikmandat in einem Tarifkonflikt mit dem Arbeitgeber erteilen.
Cockpit will markant höhere Konzernbeiträge für Betriebsrenten der 4.800 Piloten durchsetzen: 2.400 Euro mehr pro Monat soll Lufthansa für einen Beispielpiloten mit 10.000 Euro Grundgehalt und 3.000 Euro Zulagen im Monat einzahlen.
Bisher überweist Lufthansa in diesem Rechenbeispiel laut Cockpit 820 Euro im Monat auf das Vorsorgekonto.
Der Lufthansa-Kern hat "nicht ansatzweise das Geld" für einen Ausbau der Altersvorsorgung, spielt Lufthansa-Airlines-Chef-Jens Ritter in einem Lufthansa-internen Interview, das aero.de vorliegt, den Ball nun zurück - und räumt mit einem Verdacht auf: Lufthansa rechne den Kern nicht arm. aero.de veröffentlicht das Ritter-Interview im Volltext:
Die Vereinigung Cockpit (VC) hat zur Urabstimmung ihrer Mitglieder aufgerufen. Warum war es nicht möglich, eine Lösung am Verhandlungstisch zu finden?
Jens Ritter: Zunächst ist der Aufruf zur Urabstimmung eine Entscheidung der Vereinigung Cockpit, die wir zu respektieren haben. Dennoch ist dieser Schritt schwierig, denn unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erlaubt schlichtweg keinerlei Mehrbelastungen.
Wir haben nicht ansatzweise das Geld für eine weitere Verbesserung der ohnehin schon sehr guten betrieblichen Altersvorsorge. Wir haben bei der Lufthansa Classic ein massives Profitabilitätsproblem, insbesondere durch den Kurzstreckenbetrieb. Dies liegt an den enorm gestiegenen Kosten in nahezu allen Bereichen, aber vor allem an den Standortkosten in Deutschland und den Personalkosten. Das müssen wir akzeptieren und gemeinsam Lösungen finden.
Einige Kolleginnen und Kollegen glauben nicht, dass es der Lufthansa Classic wirklich so schlecht geht, weil das Ergebnis der Airline nicht ausgewiesen wird. Das nährt den Verdacht, die Lufthansa Classic würde schlecht gerechnet, um Zugeständnisse der Mitarbeiter zu erhalten?
Es ist richtig, dass die einzelnen Airlines, die im Teilkonzern als ‘Lufthansa Airlines’ zusammengefasst sind, in unserem Geschäftsbericht nicht separat ausgewiesen werden. Der Grund ist, dass wir den Teilkonzern als Ganzes steuern. Denn das Ziel ist, unsere beiden Hubs in Frankfurt und München so profitabel wie möglich zu betreiben. Aber das Ergebnis der Lufthansa Classic ist kein Geheimnis.
Im ersten Halbjahr 2025 liegt "Lufthansa Airlines" als Teilkonzern bei einem Verlust von 307 Millionen Euro, hiervon entfallen minus 274 Millionen Euro allein auf die Lufthansa Classic. Die Zahlen zeigen eindeutig, dass wir gegensteuern müssen. Daher ist der Erfolg unseres Turnaround Programms so wichtig und alternativlos.
Nichts verändern und einfach so weitermachen wird nicht funktionieren. Ohne strukturelle Veränderungen werden für den Lufthansa Airlines Teilkonzern und damit auch für Lufthansa Classic Perspektiven nicht möglich sein.
Dennoch vermuten einige, es würden im Konzern absichtlich höhere Kosten bei Lufthansa Classic verbucht, um Reformdruck zu erzeugen?
Das habe ich auch gelesen - aber es trifft nicht zu. Die Rechnungslegung und die Finanzberichterstattung der Lufthansa Group unterliegen strengen Regularien, deren Einhaltung regelmäßig von unabhängigen Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsinstanzen kontrolliert und auch testiert wird. Zudem hätte niemand einen Vorteil, Lufthansa Classic schlecht darzustellen.
Im Gegenteil, wir sind der Kern der Gruppe, die größte und wichtigste Airline. Unser wirtschaftlicher Erfolg ist elementar für den Erfolg der gesamten Lufthansa Group. Auch deshalb entfällt der Großteil der gesamten Flugzeuginvestitionen auf Lufthansa Classic.
Wir erwarten bis 2028 59 neue Langstrecken-Flugzeuge, die schon vor Jahren bestellt wurden und nun endlich ausgeliefert, aber auch finanziert werden müssen. Derzeit können wir uns das nicht leisten. Auch dies unterstreicht: Wir wollen und brauchen einen erfolgreichen Turnaround und damit eine erfolgreiche Zukunft.
Wie geht es in der Auseinandersetzung mit der VC konkret weiter?
Es wird nur im Dialog gehen. Unser gemeinsames Ziel muss doch, unter Berücksichtigung aller Interessen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Airline sein, um damit Wachstum zu sichern.
Die derzeitige Forderung der VC bedeutet aber einen jährlichen Kostenanstieg für die betriebliche Altersversorgung der Lufthansa Classic Cockpitmitarbeitenden auf 228 Millionen Euro. Das wäre mehr als eine Verdoppelung. Die Erfüllung dieser Forderung wäre nicht nur unverantwortlich für unsere Airline, sondern schlichtweg nicht bezahlbar. Dann bliebe keine Alternative, als weitere Flugzeuge in profitablere Flugbetriebe zu verlagern.
Dialog beziehungsweise Verhandlungen gab es und die sind erfolglos beendet worden. Mehr kann man nicht machen, oder?
Ich bin nicht der Meinung, dass in sieben Verhandlungsrunden alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um zu einer Lösung zu kommen. Wir müssen weiter gemeinsam nach Wegen suchen, um eine weitere Zuspitzung zu verhindern.
In unserer finanziellen Lage würde ein Streik den Lösungsraum nur verkleinern. Eine gemeinsame Lösung des Tarifkonflikts ist Teil des Turnarounds für unsere Lufthansa Airlines.
Und wenn es doch so weit kommt?
Es bereitet uns große Sorge, gerade weil wir als Lufthansa Airlines in den letzten zwölf Monaten viel Positives bewirkt haben. Gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir die Operations erheblich stabilisieren und auch die Kundenzufriedenheit über zehn Monate fortlaufend steigern können. Nun müssen wir dringend Geld verdienen, um die notwendigen Investitionen zu tätigen und auch wieder Wachstum zu generieren.
Nur das wird unsere Marktposition im Wettbewerb an unseren Hubs in Frankfurt und München festigen und ausbauen. Aber dies kann nur gelingen, wenn wir jede der "Lufthansa Airlines"-Fluggesellschaften mit ihren jeweiligen Stärken und wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen einsetzen. Davon hängt auch eine erfolgreiche Zukunft der Lufthansa Classic ab, für die wir alle gemeinsam kämpfen müssen.
© aero.de | Abb.: Lufthansa | 19.09.2025 11:15







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Dieser Beitrag wurde am 24.09.2025 12:15 Uhr bearbeitet.
Für mich war nach der Kündigung des TV Altersvorsorge schon Ende 2024 klar, LH weiterhin zu meiden, obwohl es durchaus positive Entwicklungen bei Zuverlässigkeit und Service gab.
Allerdings würde ich an Ihrer Stelle nach einem Streik die LH nicht die nächsten Jahr meiden, da Sie dann wieder in die nächste Streikwelle geraten. Nach einer Einigung mit Piloten und Kabine hätten Sie unmittelbar danach die besten Chancen streikfrei zu fliegen. ????>
Da müssten Sie im Lufthansa Konzern alle Auslaufdaten von bestreikbaren Tarifverträgen, aller Berufsgruppen, kennen. Dann jeweils etwa 6-8 Monate Verhandlungen ohne Ergebnis drauf rechnen plus einen Monat für die Urabstimmung. Danach sollten Sie dann mal 6 Monate nix buchen. Wird kompliziert.
Schuld sind am Ende sicher häufig beide Parteien. Allerdings ist es ja schon auffällig, dass es durch alle Beschäftigungsgruppen immer Streiks bei der Lufthansa gibt. Geräuschlose Einigungen gibt es da nicht mehr. Andererseits braucht es auch für einen Vorstand zur Gesichtswahrung und Vermittelbarkeit von Lösungen, Streiks und letztlich häufig auch Einigungsstellen und Schlichter. Nach Streiks kann man dann irgendwann einem Schlichter zustimmen und der trifft ja dann die Entscheidungen und nicht man selbst. Vielleicht lässt sich das dem AR besser vermitteln. Im Kleinen wird selbst nach sehr negativen Umfragen zu Nachtfugbelastungen auf grenzwertig langen Strecken mit einem 2-mann Cockpit, der SFO wegen Kosten abgelehnt. Auch in diesen Fragen siegt nicht mehr der Sicherheitsaspekt und LH geht in die Einigungsstelle, weil man sich da eine Entscheidung zu seinen Gunsten erhofft. In Tarifverhandlungen geht man grundsätzlich mit der Fragestellung, wieviel wollt Ihr denn geben und alles was Ihr mehr haben möchtet, müsst Ihr irgendwo kompensieren und die Erhöhungen somit selbst bezahlen. Am besten überkompensieren. Und da bewegt man sich dann nicht weg. So funktionieren halt Verhandlungen schlecht und werden immer gleich enden. Ich erinnere ein Veranstaltung, in der der VV Forderungen nach Mehrleistung an die Flugbegleiter stellte und eine FB Ihn fragte, was er denn dafür geben könne, ein Leben in München sei halt nicht gerade günstig zu finanzieren. Seine Antwort mit einem Grinsen war:"Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie das geht, aber schauen Sie jeden Morgen auf Ihren gelben Ausweis, das muss reichen". Streiks in diesem Unternehmen sind offensichtlich der Ausdruck des neuen Miteinanders und letztlich rechtens. Aus Angst vor dem Kunden kann man nun nicht drauf verzichten.
Für mich war nach der Kündigung des TV Altersvorsorge schon Ende 2024 klar, LH weiterhin zu meiden, obwohl es durchaus positive Entwicklungen bei Zuverlässigkeit und Service gab.
Allerdings würde ich an Ihrer Stelle nach einem Streik die LH nicht die nächsten Jahr meiden, da Sie dann wieder in die nächste Streikwelle geraten. Nach einer Einigung mit Piloten und Kabine hätten Sie unmittelbar danach die besten Chancen streikfrei zu fliegen. ????