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Wizz-Air-Chef sagt "Achterbahn"-Markt voraus

Wizz Air Airbus A320
Wizz Air Airbus A320, © Airbus

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BRÜSSEL - Der Vorstandschef von Ungarns Niedrigpreisfluggesellschaft Wizz Air, József Váradi, befürchtet, dass die europäischen Regierungen mit ihrer Hilfe für notleidende Airlines Marktmechanismen außer Kraft setzen. Dadurch verhindere man eine längst fällige Strukturanpassung in Europa.

József Váradi war am Dienstag Gast bei der neuen Web-Konferenzreihe "Hard Talk" von Eurocontrol. Der Airline-Chef beklagte, dass sein Unternehmen durch die gegenwärtigen Corona-Staatshilfen für Netzwerkairlines behindert werde.

Die, nach seinen Worten, effizienteren Niedrigpreisfluggesellschaften könnten sich deshalb nicht ausbreiten, wie es in einem freien Markt eigentlich möglich sein müsste, so der Spitzenmanager. Stattdessen bewahre man überkommene Strukturen innerhalb der nicht mehr ausreichenend anpassungsfähigen Netzwerkairlines.

Weil sich die Netzwerk-Airlines nicht ändern könnten, bestünden auch deren Probleme fort, so dass immer wieder neue Staatshilfen nötig würden, sagte Váradi. Dieses Steuergeld sei vergeudet. Zugleich blockiere man neue Geschäftsmodelle beim Wachstum, die auch am heutigen Markt lebensfähig wären.

So versuche Wizz Air, in London-Gatwick Slots zu bekommen, was aber nicht möglich sei, da dort weiterhin alle Slots als vergeben gelten, obwohl sie praktisch nicht genutzt würden.

Wizz Air rechne weder mit einer L- noch mit einer U-förmigen Erholung der Corona-Marktlage in Europa, sondern mit einer "Achterbahnfahrt", die aus immer neuen Auf- und Abschwüngen bestehe, je nachdem, wo die Krankheit wieder aufflamme.

Flugverkehr bei 50 Prozent

Eurocontrol-Generaldirektor Eamonn Brennan sagte, Europas Luftfahrtbranche seien durch Corona bereits 140 Milliarden Euro Umsatz entgangen. Das aktuelle Aufkommen in Europa entspreche der Hälfte des Üblichen.

Brennan forderte die Politik auf, dringend für einheitliche Corona-Schutzmaßnahmen in Europa zu sorgen, so dass die Verunsicherung der Flugreisenden durch die bisherigen, kleinteiligen und voneinander abweichenden Regelungen vermindert werde.

Die gleiche Krankheit Corona solle am Besten europaweit mit den gleichen Mitteln und nach den gleichen Quarantäne- und Einreiseregeln einheitlich bekämpft werden, so Brennan.
© Flug Revue - SST | Abb.: Airbus | 08.09.2020 18:22

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Beitrag vom 09.09.2020 - 12:11 Uhr
Schon komisch, wenn der Staat seine jeweilige Airline finanziell schützt, und damit auch jede Menge Jobs, die in Normalzeiten in nicht unerheblichem Maße in die Steuer- und Sozialkassen einbezahlen, dann ist das schlimm.
Wenn das Geld jedoch von Indigo Partners kommt, dann ist das gut...ist ja nicht so, als hätte man das ganze Geld für den Ausbau von Wizz ganz alleine erwirtschaftet...


Das wäre dann aber die konventionelle Heuschreckenphraseologie, die ja nun seit den Tagen eines Ronald Reagan und einer Margret Thatcher, also seit den 1980er-Jahren, sattsam bekannt ist, da stereotyp immer mit denselben rhetorischen Versatzstücken arbeitend (und hinter Wizzair steht mit Indigo Partners ja auch eine solche Heuschrecke aus dem angelsächsischen Bereich, die ein kleines mittelosteuropäisches Startup aus den Hinterlassenschaften der Malev zu einem Big Player der europäischen Luftfahrt aufgepumpt hat). Auch in absoluten Boomjahren wie 2018 und 2019 lassen sich mühelos solche Jeremiaden auffinden: die Einmischung der Regierungen in den freien Markt war schon immer unerträglich und zerstörte schon immer den Wettbewerb, die Steuerlast der Leistungsträger war schon immer Investitionen vernichtend, staatliches Arbeitsrecht und gesetzliche Regulierungen sozialer Mindeststandards vernichteten schon immer Beschäftigung und zerstörten seit jeher die freie Marktwirtschaft. Diese Topoi aus der Schule der "Chicago Boys" sind nach rund 40 Jahren inzwischen so abgegriffen wie eine schlecht gewartete alte Tante Ju. Man kann recht mühelos mit der Copy&Paste-Funktion aus ihnen Manager-Reden für jeden beliebigen Anlass zusammenbasteln (außer das eigene Unternehmen wurde gerade durch eine massive staatliche Finanzspritze vor der Insolvenz geschützt).

Das sei dem Herrn Váradi also geschenkt.

Was ich interessanter finde und worauf zu achten ich für informativer halte: Sind zwischen den Zeilen dieser konventionellen Phraseologie Töne zu vernehmen, die etwas über den Stand der Dinge bezüglich der gerade jetzt extrem aggressiven Expansionspolitik von Wizzair aussagen?
Angesichts der Tatsache, dass derzeit überall in der Luftfahrtbranche realisiert wird, dass diese unselige Pandemie die Branche wohl noch länger noch härter treffen wird als man das bis vor kurzem noch erhofft hatte und man überall sonst eher unter Hochdruck dabei ist, so gut wie möglich "wetterfest" zu werden (außer offenbar bei Corendon, das wurde hier im Forum auch schon diskutiert). Sogar ein MOL ist unter diesen Umständen in dieser Hinsicht relativ nachstill geworden.

Die gegenwärtige Unternehmenspolitik von Wizzair halte ich unter diesen Umständen, vorsichtig formuliert, für mutig.

Aber natürlich gilt in diesem Zusammenhang auch die alte Zocker-Weisheit: Je mehr man beim Hazard auf ein Shooting setzt desto mehr gewinnt man - wenn die Würfel dann entsprechend fallen...


Dieser Beitrag wurde am 09.09.2020 12:24 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 09.09.2020 - 11:26 Uhr
Schon komisch, wenn der Staat seine jeweilige Airline finanziell schützt, und damit auch jede Menge Jobs, die in Normalzeiten in nicht unerheblichem Maße in die Steuer- und Sozialkassen einbezahlen, dann ist das schlimm.
Wenn das Geld jedoch von Indigo Partners kommt, dann ist das gut...ist ja nicht so, als hätte man das ganze Geld für den Ausbau von Wizz ganz alleine erwirtschaftet...

Beitrag vom 08.09.2020 - 19:20 Uhr
Was ich mich bei Lektüre dieser Sentenzen von Herrn Váradi frage: Sind das die ersten Töne eines Pfeifens im Walde oder ist es immer noch die übliche alte Heuschreckenlitanei, die bösen Regierungen würden einen daran hindern, "to be a free man in a free world"?

Man wird es sehen. Jedenfalls ist die Unternehmenspolitik von Wizz Air derzeit spannend - auch wenn man voll in Rechnung stellt, dass hinter dieser Airline ausgesprochen zahlungskräftige "Finanzinvestoren" stehen und mit dem mittelosteuropäischen Profil und Unternehmenssitz in Ungarn noch weitreichendere - Personalkostensparmodelle - implementierbar sein sollten als bisher dort sowieso schon üblich. Momentan bäckt ja sogar MOL kleinere Brötchen als Wizzair.

Dass die im letzten halben Jahr eingerissene Corona-Kleinstaaterei aus der EU im Interesse aller dringend wieder entfernt werden sollte - ja! Immerhin dürfen wir zwischenzeitlich wieder problemlos die Grenze von Hamburg nach Schleswig-Holstein überqueren. Dass man sich darüber freuen kann hätte vor kurzem auch noch niemand gedacht.

Dieser Beitrag wurde am 08.09.2020 19:25 Uhr bearbeitet.


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